Was kann die Politik gegen krankheitsbedingte Armut tun?

vom 27.07.2015, 16:44 Uhr

Ich erwähnte ja schon in einem anderen Thread, dass ich neulich einen Bericht sah, in dem Verarmung und Armut durch Krebserkrankungen thematisiert wurde. Dort wurde dann auch gesagt, dass die Betroffenen sehr unter dem Einkommen zu leiden hätten, das durch die Erkrankung eben wegbricht und dass die Betroffenen oftmals ganz auf sich alleine gestellt sind und damit zu kämpfen haben. Leider ist Armut bei Krebserkrankungen immer noch ein Tabuthema, sodass viele Betroffenen nicht wissen mit wem sie darüber sprechen können.

Die Politik könnte sicherlich dafür Sorge tragen, dass solche Menschen nicht verarmen müssen und irgendwo auch abgesichert sind. Denn seien wir mal ehrlich: niemand bekommt freiwillig Krebs. Daher finde ich auch eine Argumentation sehr befremdlich, wenn man sagen würde, dass Betroffene sich das selbst eingebrockt hätten und dass die sich eben selbst helfen müssen.

Was denkt ihr darüber? Was könnte die Politik tun um die finanzielle Situation von Krebserkrankten zu verbessern? Oder sollten Krebskranke selbst zusehen müssen wie sie klarkommen?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich habe mich darüber bisher nicht genügend informiert. Dennoch denke ich, dass eine Absicherung für Erkrankte schon wichtig wäre und man da vielleicht noch mal nachlegen muss. Ich meine, wenn man keine Arbeit hat, bekommt man ja auch weiter sein Geld, aber wenn man arbeitet ist das scheinbar einfach weniger und das kann nicht sein.

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» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Fragen wir einmal ganz gemein andersherum: Warum soll die staatliche Absicherung bei Krankheit besser sein als bei Arbeitslosigkeit? Auch eine längere Arbeitslosigkeit suchen die Betroffenen nicht alle einfach aus. Es ist ja nicht so, dass man ganz ohne Versorgung dasteht, es nur viel weniger als mit Arbeit. Aber das geht anderen Menschen ohne Arbeit auch nicht anders.

» cooper75 » Beiträge: 13449 » Talkpoints: 524,34 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Generell würde ich sagen, dass es für die an Krebs Erkrankten schon schlimm ist, ich habe das bei meiner Nachbarin gesehen, die auch ihre Arbeit aufgeben musste. Das Krankengeld ist zwar weniger und reicht nicht immer. Denn für die Krebskranken bedeutet ihre Erkrankung auch, dass sie zusätzlich noch viel Geld ausgeben müssen für zusätzliche Therapien, die das Leben verlängern, wie ich selbst erleben konnte. Hat man dann keine Rücklagen und niemanden, der einspringen kann, bedeutet das eine verkürzte Lebenszeit. Der Gedanke ist ist schon schlimm.

Aber es geht nicht allein den Menschen mit Krebserkrankungen so, sondern auch anderen Kranken mit diversen Krankheiten. Sie können sich verschiedene nachweislich helfende Therapien nicht leisten und die Krankenkasse bezahlt nicht alles. Keiner sucht sich eine Krankheit aus. Aber jeder, der sie bekommt, muss selbst sehen, wie er damit klar kommt. Genau das ist nicht richtig und gerecht.

Hier kann man Arbeitslosigkeit nicht mit Krankheit vergleichen. Arbeitslosigkeit ist schlimm und die wünscht sich bestimmt auch keiner. Aber da zahlt der Staat ein Minimal Einkommen zum Leben. Bei Schwerkranken, die nach gewisser Zeit auch das Geld vom Staat bekommen, kann es insofern niemals reichen, weil sie von ihrem Verdienst durch Krankheit in eine Situation rutschen, die mit einem Minimal-Einkommen vom Staat nicht gemeistert werden kann. Das ist in den Fällen so, wo sie selbst finanziell einspringen müssen, um ihre Krankheit erträglich zu machen oder sogar durch verschiedene Maßnahmen ihr Leben verlängern können oder erhalten. Diese Verzweiflung kann niemals mit Arbeitslosigkeit verglichen werden.

Was generell gemacht werden könnte ist, dass da wo die Krankenkassen Hilfe verweigern, eine Institution einspringt, die diesen Kranken helfen können. Die Finanzierung sollte aufgebaut sein aus Spenden, staatlichem Zuschuss und auch zum Teil aus privatem Geld. Wenn jeder im Monat nur einen ganz geringen Beitrag leisten würde, käme insgesamt viel zusammen. Denn jeder muss damit rechnen, dass auch er mal Nutznießer eines solchen Fonds werden könnte.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Die meisten vielleicht sinnvollen Therapien, die die Krankenkasse nicht bezahlt, die kann man sich auch als normaler Arbeitnehmer nicht leisten. Auch Rentnern mit kleiner Rente geht es nicht anders. Wir haben immerhin eine Versorgung, wenn man nicht mehr für sich selbst sorgen kann.

Wie viel Geld wäre den angemessen? Das ist dann nämlich die nächste Frage. Bekommt man seine Unterstützung bemessen an seinem bisherigen Einkommen? Oder gibt es einen Satz für alle? Wie hoch soll der dann sein? Und bekommen Schwerkranke dann mehr als viele Arbeitnehmer? Wir sieht es aus, wenn jemand selbst vorgesorgt hat, guckt der in die Röhre oder bekommt er dann das Geld on top?

» cooper75 » Beiträge: 13449 » Talkpoints: 524,34 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich hatte das so gedacht, dass die Hilfe so geleistet wird, als wenn die Krankenkasse für sinnvolle Maßnahmen noch zahlen würde, wie es früher mal war, bevor es IGEL gab. Diese Leistung sollten nicht an das ehemalige oder jetzige Einkommen gekoppelt sein und auch nicht an eigene Rücklagen. Ohne Ansehen der Person, sondern nur aufgrund der Krankheit und der möglichen Hilfsmaßnahmen sollte hier gehandelt werden.

Bei etwa 81 Millionen Einwohnern, von denen ungefähr 15% Kinder und Jugendliche sind (?), bleiben knapp 80 Millionen, die jeder monatlich 1 Euro einzahlen könnten. Das würde insgesamt mit Spenden und staatlichem Zuschuss sicherlich ausreichen, um Schwerkranken zu helfen. Es soll auch nicht die durch Krankheit bedingte Armut in allen Teilen unterstützt werden, sondern nur die lebenserhaltenden oder -verlängernden Maßnahmen auf Basis der ärztlich angebrachten und erprobten Hilfen, ohne Ansehen der Person, also egal ob Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitsloser, Selbstständiger oder wer auch immer.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Zunächst einmal ist es natürlich so, dass die allermeisten Menschen nichts für ihre Erkrankung können. Aber dennoch muss man auch sehen, dass es Fälle gibt, in denen der Lebensstil die Entwicklung einer Krankheit massiv begünstigt. Beiden Personengruppen sollte aber meiner Meinung nach gleichermaßen geholfen werden. Gleiches gilt ja schließlich auch für selbst verschuldete Unfälle.

Im Prinzip gibt es bei Krankheit ja schon eine ganze Menge Fangnetze, die greifen, bevor man in Armut rutschen muss. Erst einmal übernimmt ja der Arbeitgeber die Kosten, danach die Krankenkasse. Und nicht zuletzt gibt es ja die Rentenversicherung, die bei Erwerbsminderung eingreift.

Dass man unter Umständen nicht mehr das volle Einkommen zur Verfügung hat, ist völlig logisch. Daran muss man auch nichts ändern, denn das gilt ja für andere Fälle wie Arbeitslosigkeit genauso. Man kann seinen Lebensstil immer so einstellen, dass man in Notfällen auch mit einem entsprechend geringeren Einkommen auskommt. Im Zweifelsfall kann das heißen, dass man seinen Lebensstil auf Hartz-IV-Niveau zurück schrauben können muss.

Aber man kann dennoch im Vorfeld über das gesetzliche Maß hinaus vorsorgen, ohne sich auf die Politik verlassen zu müssen. Man kann beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, die den Lebensunterhalt in solchen Fällen übernimmt. Das gilt umso mehr, wenn man Verpflichtungen wie Familie oder Schulden hat. In diesem Fall keine solche Versicherung abzuschließen ist mehr als fahrlässig. Alternativ kann man sich auch mit eigenem Vermögen absichern.

Das allerwichtigste Fangnetz bei Krankheit ist aber meiner Meinung nach immer noch die eigene Familie. Schließlich kann sie nicht nur finanzielle, sondern vor allem organisatorische und seelische Unterstützung bieten. Und das schützt genauso vor Armut. Den Wert einer gesunden Familienbeziehung kann keine Politik und kein Gesetz aufwiegen, weil letztere nicht in der wichtigsten Währung, nämlich Zeit, bezahlen können.

Alternativ zur Familie können auch Freunde oder sogar mehr oder weniger fremde Vereinsmitglieder eine ähnliche Funktion erfüllen. Der Mensch ist nun einmal ein Sozialwesen und das zeigt sich in Notsituationen noch viel stärker als im Alltag.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



@Cid Was hat das mit den Igel-Leistungen zu tun? Früher, als deiner Meinung nach alles besser war, haben die Krankenkassen deutlich weniger Therapien übernommen. Da war man entweder privat versichert oder man zahlte selbst. Das war nicht anders als bei den Igel-Leistungen heute.

Der Unterschied ist nur, dass die Igel-Leistungen von vielen Ärzten als ganz tolle und medizinisch anerkannte Sache, die leider, leider die gesetzliche Krankenversicherung nicht bezahlt, verkauft werden. Der größte Teil dieser Leistungen ist aber Humbug, den man sich getrost sparen kann.

Wenn man beim Krebs bleibt, dann übernehmen Krankenkassen heute die Misteltherapie. Das ist eine anthroposophische Behandlung, die bis heute umstritten ist. Die bisher durchgeführten Studien sind alle zu klein. Trotzdem werden die Kosten heute übernommen. Das ist bei vielen Behandlungen der Fall. Akupunktur gab es früher auch nicht als Kassenleistung.

Wo soll bei so einem Projekt dann wieder die Grenze gezogen werden zwischen medizinisch sinnvoll oder eben nicht sinnvoll? Weil irgendwo muss man eine Grenze ziehen oder man muss die Kosten für alles übernehmen. Wir haben ganz viele Dinge, die werden in anderen Ländern angewendet und in Deutschland sind sie nicht vorgesehen. Vor diesen Grenzen stehen auch Menschen mit einem normalen Einkommen.

» cooper75 » Beiträge: 13449 » Talkpoints: 524,34 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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