Wo kommt die weltweite Stromkrise so plötzlich her?

vom 06.10.2022, 10:47 Uhr

Die plötzliche Stromverknappung wirft für mich schon einige Fragen auf. War Strom bisher quasi im Überfluss vorhanden, ist er nun knapp und wird immer teurer und das Gespenst vom Strom-Blackout geht immer mehr um. Aber wenn ich mir zum Beispiel mal Frankreich anschaue, dann haben die sage und schreibe 56 Atomkraftwerke! und sind nicht in der Lage sich selbst mit Strom zu versorgen und müssen den noch importieren? Wo ist da der Fehler und wo kommt denn eurer Meinung nach diese weltweite Stromkrise her?

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» Lupenleser » Beiträge: 1124 » Talkpoints: 849,95 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Was ist daran plötzlich? Bleiben wir einfach mal in Europa. Hier stammen fast 20 Prozent des Stroms aus Gas. Und Erdgas ist seit einiger Zeit ein seltenes Gut. Kohlekraftwerke brauchen Kohle, aber die extrem niedrigen Wasserstände im Sommer haben die Binnenschifffahrt, die die Kohle zu den Werken bringt, stark ausgebremst.

Frankreich hatte bei einigen Atomkraftwerken Probleme, die Dinger zu kühlen. Wenig und zu warmes Wasser im Fluss ist halt nicht hilfreich. Ein nicht unerheblicher Teil der anderen Meiler weist Risse oder andere technische Probleme auf und steht ebenfalls still.

Norwegen liefert normalerweise viel Strom aus Wasserkraft, aber die Hitze und Dürre führt auch dort zu leeren Talsperren. Ohne Wasser keine Wasserkraft. Das trifft auch auf viele andere Länder. Österreich konnte fast 40 Prozent weniger erzeugen, weil das wertvolle Gas fehlte. Photovoltaik liefert bei Hitze auch weniger. Also musste schon da Gas verstromt werden, das wir eigentlich nicht haben. Das kann aber nicht alle Lücken füllen, selbst wenn es nicht knapp wäre.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Plötzlich deswegen, weil in dieser Woche auch ein Strom-Blackout aus Bangladesch mit zig Millionen Haushalten ohne Strom vermeldet wurde und in anderen Ländern steht man wohl auch schon kurz davor. Dieses Phänomen finde ich schon etwas eigenartig, weil das in dieser Art noch nie aufgetreten ist. Und Erdgas ist beileibe kein seltenes Gut, denn laut einer Doku nahezu endlos verfügbar. Einer intelligenten Wirtschaft sollte es doch möglich sein, einen Energiemix zu entwickeln, der krisenfest und ohne Mangelerscheinungen verfügbar ist.

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» Lupenleser » Beiträge: 1124 » Talkpoints: 849,95 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ähm, du musst das Erdgas aber herbekommen. Da sind die Kapazitäten halt begrenzt und neue Pipelines und Terminals für Flüssiggas bauen sich nicht innerhalb weniger Monate. Du nimmst die Nachrichten jetzt nur anders wahr. Der große Blackout in Indien hat vor zehn Jahren 600 Millionen Menschen betroffen. 1965 waren 30 Millionen Amerikaner ohne Strom, der Grund wurde erst nach sechs Tagen gefunden. Ende der 70er sind in der DDR die Braunkohlekraftwerke ausgefallen und Strommasten abgeknickt.

Kalifornien hat seit Jahrzehnten regelmäßig Blackouts aufgrund von Energieknappheit. Und das sind nur die wichtigsten Ereignisse. Schlecht ausgebaute Netze, zu viele Verbraucher und knappe Energie sind keine plötzlichen Ereignisse. Dass zu wenig investiert wird und die Netze in großen Teilen der Welt seit Jahren an der Belastungsgrenze laufen, ist kein plötzlicher Zustand. Die meisten Blackouts werden von Experten seit Jahren erwartet. Aber so lange es funktioniert, wird halt nichts getan.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Was verstehst du unter weltweit? Es gibt keine weltweite Stromkrise. Es gibt immer mal in irgendwelchen Ländern Blackouts und Länder, in denen es Strom zeitweise je nach Wetterlage umsonst gibt, wie etwa in Texas. Die Bundesnetzagentur sieht das Risiko Stand heute als relativ gering an. Wenn es einen regionalen Blackout gibt, dann deswegen, weil die Leute alle aus Gasspargründen ihre elektrischen Heizgeräte anschalten.

Und warum Frankreich Energie trotz Atomkraftwerken Energie importieren muss oder musste (weiß nicht, wie der momentane Stand ist), liegt am Alter der Kraftwerke und an der Trockenheit. Es wird in den Medien auch viel hochgepuscht und Panikmache im Internet getrieben. Bringt halt viele Klicks.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


cooper75 hat geschrieben:Ende der 70er sind in der DDR die Braunkohlekraftwerke ausgefallen und Strommasten abgeknickt.

Da muss man aber auch dazu sagen, dass das der Winter 1978/79 war. Das war einfach mal durch das Wetter bedingt, dass in manchen Regionen kein Strom und damit auch keine Heizung verfügbar war. Das war aber nicht in der ganzen DDR so. Ich erinnere mich an eine Dokumentation zu dem Winter, wo man sagte, dass in Jena viele Haushalte betroffen waren. Wir selbst haben damals in der Nähe von Jena gewohnt und haben davon nichts gemerkt.

Aber größere Probleme mit der Stromversorgung gibt es immer wieder mal in der Welt. Vor einigen Jahren war doch auch mal New York mehrere Tage betroffen, was danach einen regelrechten Babyboom nach sich zog.

Und auch mit dem Wissen, dass so was jeder Zeit überall passieren kann, macht mir nun nicht wirklich große Sorgen. Man wird es zeitweise auch mal ohne Strom und damit Heizung aushalten. Aber wirkliche Engpässe sehe ich in Deutschland dabei nicht.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich glaube auch einfach, dass wir zum einen viele Nachrichten heute zu Tage viel anders wahrnehmen oder vieles eben viel prominenter medial vermarktet wird. Da wird dann eben nicht von einem profanen Stromausfall berichtet, wo nach ein paar Stunden wieder alles funktioniert. Das bringt ja keine Schlagzeilen. Da schreibt man lieber gleich vom drohenden Black-Out überall und dann kommt noch passend dazu, dass schon in der Industrie Black-Out Tests gemacht werden.

Dass das immer mal wieder gemacht wird, lässt man dann halt weg, würde es ja wieder völlig normal erscheinen lassen und erzeugt weniger Klicks.

Aber natürlich gibt es eben auch ein paar aktuelle Probleme. So kann eben russisches Gas nicht grenzenlos exportiert werden, wenn man die Leitungen in den Westen zu macht und in den Osten nicht die gleichen Kapazitäten hat. Dann fehlt eben Gas auf dem Weltmarkt. Natürlich kriegen wir das schon irgendwo her, aber eben weil wir mehr Geld als andere bezahlen. Dafür stehen dann andere Länder ohne Gas da, bis entsprechende Leitungen gebaut sind, damit das Gas quasi nur auf der Welt umverteilt wird.

Und dann ist es eben so, dass man wohl in Frankreich ein wenig seine Atomkraftwerke auf Verschleiß gefahren hat und seit dem Sommer eben viele abschalten musste. Fällt das bei uns nicht so auf, weil der Atomstrom nur noch einen kleinen Bruchteil ausmacht, ist er in Frankreich eben das Rückgrat der Stromversorgung.

Und dann kommt eben der Umbau der Stromversorgung zu grüner Energie dazu. Wir wollten von den fossilen Brennstoffen weg und haben aber schon Kohle abgeschaltet, bevor wir genug grüne Energie hatten und wollten die Lücke halt mit Gas stopfen. Nun fehlt uns auch noch das Gas und die Lücke klafft. Da hast du schon zwei riesige Problemkinder in Europa mit den zwei größten Volkswirtschaften.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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