Wie Hinterbliebene auf Organspende ansprechen?

vom 16.01.2020, 21:08 Uhr

Letztens haben wir zufällig in eine Dokumentation über Organspende aus der Sicht von den Transplantationsbeauftragten in einem Krankenhaus gesehen. Der Transplantationsbeauftragte war einer der Ärzte aus dem Krankenhaus, der es zusätzlich zu seinen medizinischen Aufgaben gemacht hat. Man sah dort einen Fall, wo er die ganze Zeit die behandelnden Ärzte drängte, mit einer Mutter, deren sechs Monate altes Kind gerade lebensgefährlich bei einem Unfall verletzt worden war, über eine eventuelle Organspende zu reden.

Dann sah man, wie in dem Krankenhaus Ärzte von einem Trainer unterrichtet wurden, wie man die Hinterbliebenen auf Organspende ansprechen soll. Er führte es mit Schauspielern vor. Er setzte sich einfach zu der trauernden Witwe hin, hielt Formulare in der Hand und meinte, sie wisse ja, worum es gehe. Sie würden die Organe benötigen, mit der Leiche würde genauso pietätvoll umgegangen wie mit lebenden Patienten, und ob sie zustimmen würden.

Mein Freund und ich waren geschockt, wie mit den Hinterbliebenen umgegangen wurde. Ich kann im Fall der Mutter verstehen, dass sie noch mit dem Trauma des Unfalls und des dadurch völlig unerwarteten Todes ihres Babys zu tun hatte, und absolut gar nichts von Organspende wissen wollte. Man hat ihr leider keine Zeit gelassen, nach dem Hirntod des Babys erst einmal den Tod zu begreifen. Das Baby hing ohnehin an den ganzen Geräten, man hätte der Mutter Zeit lassen können, aber es wurde gedrängelt.

Und im Fall des Trainers waren wir uns auch einig, dass er mal sein Beileid hätte aussprechen können und dass er das Thema vorsichtig hätte ansprechen sollen, anstatt wie ein deutscher Verwaltungsbeamter einfach mit Formularen anzukommen und sich so unemotional wie ein Finanzbeamter beim Ausfüllen der Einkommenssteuer aufzuführen.

Wie seht ihr das? Würdet Ihr im Fall des Todes eines nahen Angehörigen gerne zeitgleich mit der Todesnachricht auf die Organspende angesprochen werden? Oder hättet Ihr gerne ein bisschen Zeit, erst die Todesnachricht zu begreifen, wenn es möglich ist? Möchtet Ihr pietätvoll und vorsichtig darauf angesprochen werden? Oder möchtet Ihr dieses emotionale und vorsichtige Vorgehen von einem völlig Fremden nicht? Möchtet Ihr es kurz und knapp als reinen Verwaltungsvorgang?

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Nun gut, dass in einer "Dokumentation" Extrembeispiele gezeigt werden, ist ja nichts Neues. Und ich glaube auch nicht, dass jemand, der gerade dabei ist, einen nahen Angehörigen zu verlieren, auf "vorsichtig und pietätvoll" pfeift und eiskalt sagt: Nehmen Sie, was sie brauchen können.

Es ist nun mal eine beschissene Situation, wie man es dreht und wendet, und dabei macht es auch keinen Unterschied, ob man die entsprechenden Formulare zehn Minuten früher oder später unter die Nase gehalten bekommt. Und selbstverständlich sollten die Menschen, die diese Entscheidungen dann umsetzen, auch entsprechend geschult sein, um professionell und dennoch halbwegs psychologisch geschickt heranzugehen und den Schaden nicht noch zu maximieren.

Generell dürfte jedoch allen klar sein, dass im Fall der Organspende kein natürlicher Sterbeprozess bis zum Erlöschen der letzten Funktionen möglich ist und ich nehme auch an, dass die Organe nicht ewig funktionsfähig gehalten werden können, sodass es nötig ist zwischen dem Bedürfnis der Angehörigen nach einem Abschied und dem Bedürfnis der Organempfänger nach einem nicht geschädigten Herzen abzuwägen.

Sprich, die zuständigen Leute sollten natürlich nicht nachfragen: Dürfen wir ihren Sohn jetzt auf Ersatzteile hin auseinandernehmen? Auch wenn das noch am Ehesten der Wahrheit entspricht. Aber ewiges Herumeiern ist bei der modernen Medizin auch nicht möglich..

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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