Warum sind Kinder so im Ansehen der Gesellschaft gesunken?

vom 28.07.2022, 01:17 Uhr

Die Jahre ziehen ins Land und ich sehe meine Kinder aufwachsen. Eigentlich etwas schönes, jedoch anscheinend für die meisten aus meiner Generation nicht mehr. Zum Hintergrund, ich bin 32 Jahre und habe 3 Kinder. Oft ist die erste Reaktion wenn ich auf dieses Thema zu sprechen kommen doch deutlich negativ.

Feststellungen wie, dass man aber sehr früh Vater geworden ist, das Leben mit Kindern doch sehr anstrengend oder teuer ist sind meist die ersten die einem begegnen. Es gab sogar ein Bewerbungsgespräch, dass nach bekannt werden der Anzahl der Kinder recht schnell zum Ende gebracht wurde, auch wenn dies nicht direkt als Grund genannt wurde.

Viele unserer bekannten Paare planen direkt ein Leben mit maximal einem Kind, um diesem auch alles ermöglichen zu können, oder zum Teil sogar ganz ohne Kinder, weil das wohl einfach nicht ihr Ding ist und sie sich zu sehr einschränken müssten.

Ja ich gebe zu, dass Kinder nicht ganz günstig sind und dass auch eine gewisse Verantwortung mit ihnen einhergeht, dennoch ist es etwas tolles sie aufwachsen zu sehen und sie durch die vielen Lebensabschnitte zu begleiten.

Ich frage mich wann dieser Wandel in der Gesellschaft in dieser Form Einzug gehalten hat. Von meinen Eltern habe ich stets gehört, dass bei ihnen kinderreiche Familien nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel waren und wenn ich mir die Familienverhältnisse in älteren Generationen ansehe ist das definitiv auch wahr.

Wie steht ihr zum Thema Kinder. sehr ihr auch direkt die negativen Aspekte oder seid ihr eher Verfechter der alten Werte?

» Mulucki1989 » Beiträge: 439 » Talkpoints: 11,25 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Die Aussage stimmt in meinen Augen nicht. Für Kinder wird viel mehr getan als zu meiner Generation und noch mal mehr als in der Generation der Eltern. Ich habe drei erwachsene Kinder und kann dies direkt mit der Familie meiner Nichte vergleichen, die auch drei Kinder hat. Ich musste kündigen, als mein Ältester ein Jahr alt war. Länger gab es keine Freistellung von der Arbeit. Ich wollte das Kind mit einem nicht in eine Krippe geben, abgesehen davon hätte ich gar keinen Platz bekommen. Meine Nichte teilt sich die Erziehungszeit mit ihrem Partner hälftig und der Arbeitsplatz ist länger als ein Jahr sicher, wie lange weiß ich gar nicht. Die meisten Familien teilen sich mittlerweile die Erziehungszeit zwischen Mann und Frau auf.

In der Generation meiner Eltern war man zum Beispiel als Alleinerziehende wesentlich schlechter gestellt als heute. Es ist zwar immer noch schwer, aber es gibt für diese Leute, meistens Frauen, viel mehr Hilfen. Früher war es zwar normaler, dass man mehr Kinder hatte, aber das Ansehen richtete sich nicht nach der Anzahl der Kinder, sondern hauptsächlich nach dem sozialen Status. Ein Lehrer oder Arzt (mein Kinderarzt hatte sechs Kinder) mit vielen Kindern ist heute meiner Meinung nach genauso angesehen wir früher, während eine sozial schlechter gestellte Familie mit vielen Kindern früher genauso schief angesehen wurde wie heute.

Über Kinder wurde von vielen Leuten immer schon geschimpft, früher wie heute. Sie sind halt laut, nervig und fallen vielleicht unangenehmer in einer eng bebauten Großstadtsiedlung auf als auf einem Bauernhof. Dass eine Arbeitsstelle wegen drei Kindern abgesagt wird, würde ich hinterfragen. Das mag im Einzelfall so sein, deckt sich aber nicht mit meinen persönlichen Erfahrungen. Es ist zwar nicht alles optimal, was Kinderbetreuung anbelangt, aber im Vergleich wesentlich besser als vor 20 oder 30 Jahren.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Mein Eindruck ist auch, dass das Ansehen der Kinder eher gestiegen ist. Früher (zu meiner eigenen Kindheit) waren Kinder oft nicht viel mehr als anstrengende Mitbewohner, die Krach machten und eigentlich nichts zu sagen hatten. Heutzutage werden Kinder viel stärker als eigenständige Persönlichkeiten wertgeschätzt, finde ich.

Dass die durchschnittliche Anzahl der Kinder gesunken ist, hat meiner Ansicht nach nichts mit mangelnder Wertschätzung zu tun. Im übrigen fing es zu meiner Kindheit schon an mit niedrigen Geburtenraten (ich bin gerade zu Beginn des Pillenknicks geboren worden). Viele meiner damaligen Klassenkameraden hatten höchstens ein oder zwei Geschwister oder waren Einzelkinder.

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» lascar » Beiträge: 4404 » Talkpoints: 780,84 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Verhütung, würde ich sagen. "Früher" waren (viele) Kinder ein quasi unvermeidlicher Teil des Lebens, der auch entsprechend nicht hinterfragt wurde. Aber das heißt ja nicht, dass ihre Existenz gesellschaftlich "angesehen" war. Ganz im Gegenteil.

Meine Urgroßeltern hatten Anfang des 20. Jahrhunderts beispielsweise jeweils einen Haufen Kinder, aber dass mindestens ein oder zwei gestorben sind, hat damals auf dem Lande noch schlicht zum Leben dazu gehört. Natürlich haben die Eltern getrauert, aber sie hatten ja noch sechs oder acht, die sie von ihrer Landwirtschaft am Leben halten mussten, da blieb nicht viel Zeit, sich liebevoll um jedes Einzelne zu kümmern und es - wie heute im Idealfall - individuell zu betreuen und zu fördern.

Und davon abgesehen waren Kinder die längste Zeit schlicht billige Arbeitskräfte ohne Rechte, geschweige denn "Ansehen". Gab ja genügend, und es sind immer welche nachgewachsen, bis es die Mutter mit 35 im Kindbett dahingerafft hat.

Die Geschichten, wie der Geißenpeter in "Heidi" die Ziegen hütet, die Kinder von Bullerbü Rüben verziehen oder den Landarbeitern die Brotzeit bringen, klingen aus heutiger Sicht romantisch, aber bis vor wenigen Jahrzehnten mussten die meisten Kinder in irgendeiner Form zum Lebensunterhalt beitragen und waren ganz normal Teil der arbeitenden Bevölkerung. Auf dem Land ging's ja noch halbwegs, in der Spulenwickelei irgendwo in der Großstadt war noch weniger gut, Kind sein.

Und heute haben die Erwachsenen zumindest hierzulande die Wahl, und das bringt in meinen Augen automatisch mit sich, dass sich auch welche gegen Fortpflanzung entscheiden. Bevor man widerwillig ungewollte und ungeliebte Kinder in die Welt setzt, nur weil es alle so machen, halte ich es durchaus für einen sinnvollen Lebensentwurf. Es ist ja nicht so, als wäre die Menschheit am Aussterben und die globalen Prognosen für die nächsten 80 Jahre sind derart düster, dass ich (freiwillig kinderlos) sogar ganz froh bin, niemanden in dem Dreck zurückzulassen, den ich und die Generationen vor mir angerichtet haben.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Natürlich war es früher üblich, dass Familien mehr Kinder hatten, schließlich waren die Verhütungsmethoden längst nicht so gut wie heute. Und je nachdem wurden die Kinder ja auch als Arbeitskräfte oder Altersvorsorge gebraucht. Aber waren diese Kinder deshalb angesehener als heute?

Ich meine, heute wird so viel mehr Aufheben um den Nachwuchs gemacht als früher. Es gibt so viel mehr Angebote und Möglichkeiten, die es früher für Kinder so überhaupt nicht gab. Was wahrscheinlich viel damit zu tun hat, dass Kinder eben kein Schicksal mehr sind sondern eine bewusste Entscheidung.

Was heißt hier "Verfechter der alten Werte"? Als Frau eine Schwangerschaft pro Jahr und die Kinder so dressieren, dass sie sich möglichst früh möglichst selbständig um den Haushalt kümmern, im elterlichen Betrieb mitarbeiten und natürlich die kleineren Geschwister erziehen? Kinder, die eine eigene Meinungen haben dürfen? Recht auf gewaltfreie Erziehung? Gab es alles nicht.

Klar, meine Großeltern haben das überstanden und sind trotzdem gute Menschen geworden, aber heute würde man sich für seine Kinder wohl eher Schulbildung, Sport, Spiel mit Freunden und Klavierunterricht wünschen, oder?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich denke, dass die Entscheidung, ob man Kinder haben möchte oder nicht, sehr persönlich ist und von vielen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel finanzielle Situation, persönliche Ziele und Werte sowie die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin. Es gibt keine richtige oder falsche Entscheidung, es kommt darauf an, was für den Einzelnen am besten funktioniert.

Allerdings ist es schade, dass Kinder in unserer Gesellschaft oft als eine Einschränkung oder Belastung angesehen werden. Ich denke, dass es wichtig ist, Kinder als eine Bereicherung zu betrachten und ihre Anwesenheit als eine Chance für persönliches Wachstum und eine bessere Zukunft für die Gesellschaft zu sehen.

Es stimmt zwar, dass Kinder teuer sind und viel Verantwortung mit sich bringen, aber das gilt für alle wichtigen Entscheidungen im Leben. Es gibt immer Vor- und Nachteile, und es ist wichtig, dass man sich bewusst für eine Entscheidung entscheidet und sich darauf vorbereitet.

Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir als Gesellschaft Kinder als eine wertvolle Ressource betrachten und Familien, die sich für Kinder entscheiden, unterstützen und ermutigen, anstatt sie zu kritisieren oder auszuschließen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man Kindererziehung und Karriere kombinieren kann, und es ist wichtig, dass dies auch für beide Elternteile möglich ist.

Insgesamt denke ich, dass die Entscheidung, ob man Kinder haben möchte oder nicht, eine sehr persönliche und individuelle Entscheidung ist, die nicht von der Meinung anderer beeinflusst werden sollte. Wir sollten Kinder als eine wertvolle Ressource betrachten und Familien unterstützen, die sich dafür entscheiden, Kinder großzuziehen.

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Die Zeiten haben sich geändert. In traditionellen Gesellschaften werden Kinder als Reichtum angesehen. Sie sind eine Absicherung, um im Alter gut versorgt zu sein. Was man mit der aktuellen Situation investiert, kommt später garantiert zurück.

Mit der heutigen Individualisierung geht aber jeder seinen eigenen Weg. Gesellschaftlich anerkannt ist, wer beruflich Karriere macht und gutes Geld verdient. Kinder und auch alte Leute werden da eher als Belastung angesehen. Tatsächlich steigt das Risiko, um auf die soziale Grundsicherung angewiesen zu sein und soziale Unterstützung zu bekommen, mit der Anzahl an Kindern, die im eigenen Haushalt leben, signifikant an. Gerade Kinder und Jugendliche sind von der Armut bedroht und werden benachteiligt.

Gesellschaftlich setzt sich dann auch noch das Vorurteil durch, dass Familien, die viele Kinder haben, asozial sind und nur an sich denken. Der Kinderreichtum wird mit der Motivation in Verbindung gebracht, die sozial stattliche Unterstützung zu kassieren, um nicht arbeiten zu müssen. Es scheint als ob, die öffentliche Meinung absichtlich in dieser Weise gebildet wird, um vom eigentlichen Problem abzulenken, das auf den Bedarf verweist, der sich politisch lösen lässt.

Was wird also getan, um die vermeintlich negative Perspektive wieder in ein positives Licht zu rücken. Schließlich ist die heranwachsende Generation die Zukunft der Gesellschaft, die dann auch den wirtschaftlichen Bedarf beantworten soll. Meiner Meinung sind vor allem die Unternehmen gefragt, die mit dem richtigen Konzept wertvolle Fachkräfte anwerben können und selbst im Vorteil sind. "Work-Life-Balance" setzt sich in diesem Zusammenhang immer mehr durch.

Wer den richtigen Ausgleich zum Privatleben hat, bringt in beruflicher Hinsicht die volle Leistung auf und entwickelt kreative Ideen, die später zur Innovation werden können. Führende Konzerne haben das bereits erkannt und geben den Weg in die richtige Richtung an. Kinder sollten die berufliche Karriere nicht mehr behindern und wieder genauso wichtig sein!

» kops » Beiträge: 12 » Talkpoints: 2,48 »



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