Warum haben nur 10% Blutgruppe B?

vom 14.09.2009, 15:35 Uhr

Hallo,

Die Blutgruppen wurden 1901 von Karl Landsteiger entdeckt. Die Blutgruppennamen bezeichnen ein bestimmtes Augenmuster auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen, das das gesamte Leben lang bestehen bleibt und nach festen Regeln vererbt wird.

Ca. 44% der Menschen haben Blutgruppe A; 42% Blutgruppe 0; 4% Blutgruppe AB und 10% Blutgruppe B. Warum ist das so? Dass Blutgruppe AB in den gesamten Möglichkeiten nur 4 mal entsteht und somit die wenigsten das haben, ist mir klar. Dass die meisten A und 0 haben, wird durch alle Kreuzungsschemas auch klar, aber warum haben dann nicht genauso viele Leute Blutgruppe B wie A?

Wenn man alle Kreuzungsmöglichkeiten auflistet, entstehen 7 Mal A und 7 Mal B. (siehe hier) Warum ist dann der Unterschied so groß, weiß das jemand? Gibt es dafür eine Erklärung oder ist das einfach nur blanker Zufall? Aber das würde dann ja auch wieder den Sinn von "Wahrscheinlichkeitsberechnungen" in Frage stellen, wenn zwar A und B gleich oft möglich sind, aber die Realität ganz anders aussieht. In diesem Fall auffallend anders, wie ich finde. Die Differenz kann doch eigentlich nicht so groß sein, wenn A und B gleichwertig vererbbar sind?! Kann mir das mal bitte jemand erklären?

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Sehr interessant ist zu diesem Thema diese Seite. Hier sieht man drei Weltkarten, auf denen die Häufigkeit der Blutgruppe B (erste Karte), A (zweite) und 0 (dritte) angegeben ist. Daraus lässt sich ablesen, dass Blutgruppe B am stärksten im euroasischen Mittelraum auftritt, am schwächsten in Australien und auf dem gesamten amerikanischen Kontinent. Blutgruppe A ist im Gegensatz dazu deutlich häufiger, vor allem aber auf verschiedenen Flächen sehr gehäuft vertreten. Menschen vermehren sich für gewöhnlich mit jemandem aus ihrer geografischen Nähe, bis auf "Einzelfälle" in der Globalisierung jedenfalls. Es ist also logisch nachvollziehbar, dass Blutgruppe B nicht plötzlich nicht Südamerika gehäuft auftreten kann.

Im Gegenteil, ganz Südamerika hat fast keine Chance, ihren Anteil an Blutgruppe B zu erhöhen. Denn es sind bereits jetzt wenig Träger dort, und wenn diese Kinder zeugen, stehen die Chancen auf ein Kind mit Blutgruppe B theoretisch erstmal 5 gegen 4, also prinzipiell nicht schlecht für B, aber diese Chancen bestehen überhaupt erst bei gleicher Verteilung der Blutgruppen unter den möglichen Geschlechtspartnern. Da B eben selten und AB auch sehr selten vertreten ist, erreicht man überhaupt nicht die 5 nicht-B gegen 4 B Möglichkeiten. In Südamerika tragen 90-100% der Bewohner Blutgruppe null, von ihnen kennt man also auch den Genotyp (muss ja 00 sein da null rezessiv gegenüber A und B ist).

Bei denjenigen mit Phänotyp B kennt man den Genotyp nicht, aber er muss entweder BB oder 0B sein. Bereits davon ausgehend, dass B so gut wie gar nicht vorhanden ist, ist die Wahrscheinlichkeit auf den Genotyp 0B also um ein Vielfaches höher als auf den Genotyp BB. Wenn sich also 0B und 00 vermehren, gibt es nur noch zwei Chancen: 00 (=0) oder 0B (=B). So viel also zur Aussage "7 Bs in der Tabelle". Die nützt ohne Geografie nämlich einfach herzlich wenig.

Überlegt man sich nun noch, dass Südamerika und Afrika (auch höher Anteil an Blutgruppe 0) zusammen mit Nordamerika (ebenfalls überdurchschnittlich Blutgruppe 0) Von der Weltbevölkerung den stärksten Teil ausmachen, und ihre Bewohner jeweils an Fortpflanzung in ihrem Gebiet beschränkt sind, wird schnell klar, warum die rezessive Blutgruppe 0 in der Weltbevölkerung so häufig vertreten ist. Diese Frage fände ich als Eingangsfrage übrigens weitaus interessanter als die Diskrepanz zwischen A und B, denn immerhin ist B auch 0 überlegen, genau wie A.

Und B taucht wie gesagt im eurasischen Mittelraum überdirchschnittlich oft auf. Welche Länder liegen dort? Russland und China. Erstmal hat Russland sowieso eine geringe Bevölkerungsdichte verglichen mit dem Rest der Welt (9 Leute pro km²). China ist auch nicht direkt Bevölkerungsstark, aber zumindest mit 138 Einwohner/km² weit dichter besiedelt als Russland (Deutschland: 230 Einwohner/km², Groß-Britannien & Nordirland: 248 Einwohner/km² zum Vergleich). Also macht viel Fläche nicht gleich viele Träger. Desweiteren galt in China beispielsweise sehr lange die Ein-Kind-Politik, was gerade die Erdbevölkerung mit Blutgruppe B an gleichmäßiger Vermehrung wie sie andernorts auftaucht hinderte. Logisch also, das Blutgruppe B sich unter solchen Bedingungen immer weiter vermindert.

Gut, insgesamt mag es eine schwache Erklärung für eine Diskrepanz dieser Stärke sein, aber dass B geringer verteilt ist als A obwohl in der Theorie (und auch nur da) gleiche Chancen bestehen, geht denke ich schon daraus hervor.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ja, das ist wirklich sehr gut erklärt und sehr interessant. Vielen Dank für die Mühe. Die Recherche war ja sicherlich doch etwas aufwendiger. Ich musste mich nur heute in der Schule intensiver mit den Blutgruppen beschäftigen und habe mich plötzlich gewundert, dass B so wenig auftritt, wenn es mit A gleichwertig ist. Im Gegensatz dazu dachte ich auch, dass 0 seltener ist. Nimmt man ja immer an, meine Oma hat das früher immer erzählt :wink:

Ich frage mich dann nur an Hand der von Dir herausgesuchten Grafik, warum die Blutgruppenverteilung von vorne herein in vielen Erdteilen so unterschiedlich ist. Das erscheint mir alles sehr komplex, ich werde wohl morgen meinem Anatomielehrer mal Löcher in den Bauch fragen müssen. Hoffentlich weiß er dazu etwas "Benutzerfreundliches" zu sagen.

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Man könnte genau so gut fragen, wieso bestimmte Augen-, Haar- oder Hautfarben in bestimmten Regionen gehäuft bzw. ausschließlich vorkommen. Es ist einfach eine Sache der regionalen Evolution, manches kommt dabei eben mehr und anderes weniger vor.

Taline: China ist nicht direkt bevölkerungsstark? In welcher Welt lebst du? In meiner macht China ein Sechstel der Weltbevölkerung aus, gefolgt von Indien mit fast dem gleichen Anteil.

» AP Nova » Beiträge: 336 » Talkpoints: 19,85 » Auszeichnung für 100 Beiträge



AP Nova hat geschrieben:Taline: China ist nicht direkt bevölkerungsstark? In welcher Welt lebst du? In meiner macht China ein Sechstel der Weltbevölkerung aus, gefolgt von Indien mit fast dem gleichen Anteil.

Entschuldigung, die Formulierung war eindeutig falsch gewählt. Chinas Bevölkerungsdichte ist nicht hoch. Dank der großen Fläche Chinas steigt aber natürlich auch bei niedriger Bevölkerungsdichte die Gesamteinwohnerzahl auf ein Vielfaches mehr von anderen Ländern. Aber mal ehrlich: Aus dem Kontext "Bevölkerungsdichte Russlands und der Einheit Einwohner/km² kann man sich dieses Versehen meinerseits jawohl denken, oder? Und wenn du dir auch den Link angesehen hast den ich gepostet habe, kann man auch ungefähr sehen, dass die hohe Dichte der Blutgruppe B keineswegs in ganz China oder gar ganz Russland, sondern jeweils nur einen Teil der beiden Länder abdeckt, also keineswegs ganz China eine hohe Dichte der Blutgruppe aufweist.

AP Nova hat geschrieben:Man könnte genau so gut fragen, wieso bestimmte Augen-, Haar- oder Hautfarben in bestimmten Regionen gehäuft bzw. ausschließlich vorkommen. Es ist einfach eine Sache der regionalen Evolution, manches kommt dabei eben mehr und anderes weniger vor.

Diese Frage ist wäre deutlich einfacher zu beantworten als die Blutgruppenverteilung. Merkmale des Aussehens dienen nämlich einem völlig anderen Zweck als das Merkmal der Blutgruppe. Helle Haut und dunkle Haut sind von der Sonne abhängig. Deswegen ist es logisch, in Skandinavien gehäuft helle Haut und in Afrika mehr dunkle Haut vorzufinden. Aber was macht das Blut der Blutgruppe B anders als das der Blutgruppe A? Abgesehen von der Transfusionsverträglichkeit, die die Evolution sicherlich nicht eingeplant hat, sind die Antikörper das separierende Merkmal. Und was hat das dann mit der Herkunft bzw. der geografischen Lage zu tun? Wäre ja schön wenn man durch seine bloße Blutgruppe gegen regional stark vertretene Krankheiten wie Malaria immun wäre, aber dem ist nicht so. Es gibt zwar "Resistenzen" bzw. Mutationen die in diesen Regionen vermehrt auftreten und auch eine Veränderung des Bluts bewirken, doch diese sind Blutgruppenunabhängig. Stichwort Sichelzellenanämie.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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