Einem Blinden Farben beschreiben

vom 20.07.2009, 09:22 Uhr

Ich habe mich vorige Woche mit meiner Tochter unterhalten und sie meinte, dass sie in ihrem Stammlokal ein blindes junges Mädchen kennengelernt hat. Sie hat sich wohl auch mit ihr unterhalten und irgendwie kam auch die Sprache auf Farben. Meine Tochter meinte, dass es sehr schwer ist, sich mit einem Blinden zu unterhalten und nichts falsches zu sagen.

Das junge Mädchen ist von Geburt an blind. Kennt also auch keine Farben. Meine Tochter fragte mich dann, wie man einem Blinden, der noch nie Farben gesehen hat die Welt in Farben beschreiben soll? Ich wusste leider darauf keine Antwort. Denn wie kann man eine Farbe, die man weder fühlen, noch riechen kann beschreiben.

Wir haben uns lange darüber unterhalten und sind dann beide zu der Erkenntnis gekommen, dass man einem Blinden Menschen, der niemals Farben gesehen hat auch keine Farben beschreiben kann. Oder seht ihr das anders? Kann man Farben so beschreiben, dass sie für einen Blinden auch vorstellbar sind?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Also um die Frage mal anders zu betrachten: Wie würdest du generell jemanden Farben beschreiben, ohne die Bezeichnung (also rot, blau, usw.) in den Mund zu nehmen? Man muss feststellen, dass es nicht geht. Demzufolge wird man es auch nie einem blinden Menschen erklären können.

Mein Vater ist Altenpfleger und hatte in der Klinik, wo er arbeitet auch mal einen blinden Patienten, der ebenfalls von Geburt an blind war. Sie unterhielten sich darüber, wie der Blinde generell Gegenstände wahrnimmt, also ob er sich was vorstellt wenn er Dinge zum Beispiel abtastet. Der Patient meinte er fühlt einfach und assoziiert dann Gefühle damit, aber so wirkliche Vorstellungen von Gegenständen hat er nicht, und dann auch erst recht nicht von Farben.

Ich glaube am besten ist es blinde Menschen mit solchen Themen nicht zu belasten, außer sie wollen es. Sie werden sicher irgendwann genervt sein, vor allem wenn sie über solche Dinge immer wieder reden müssen.

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» John-Ass » Beiträge: 442 » Talkpoints: 61,97 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Eine Freundin von mir hat mit einem Blinden aus Bulgarien studiert und ich habe ihn auch einige Male getroffen und war auch mit ihm einkaufen, weil er da immer gerne direkt jemanden mitgenommen hat, um nicht dauernd Fremde um Hilfe bitten zu müssen. Obwohl es gerade beim Klamottenkaufen ja auch um Farben ging, hatte ich nie das Gefühl, ihm erklären zu müssen, wie Farben aussehen und er hat das auch nie erklärt haben wollen.

Ich denke nicht, dass man Farben beschreiben kann. Höchstens mit Worten wie "warm" oder ähnlichem, was ein Blinder kennt. Aber selbst dann, ist es doch unvorstellbar. Ein T-Shirt in einer warmen Farbe hat doch diesselbe Temperatur wie eins in kühlem Blau. Ich vermute mal, dass es einem Blinden doch auch nichts bringt, wenn er weiß, wie die Welt für einen Sehenden ist. In den meisten Fällen wird er immer blind bleiben, also ist es doch eher von geringem Interesse. Das einzige, was vielleicht interessiert, ist bei Sachen, bei denen die Farbe einen Unterschied macht. Mir fällt da spontan Paprika ein. Aber da liegt der Unterschied ja im Geschmack.

Ich habe auch nie aufgepasst, was ich sage. Blinde haben doch normalerweise viel mit Sehenden zu tun, also nehmen sie ein "wir sehen uns morgen" wahrscheinlich nicht übel. Zumindest hat mein Bekannter damals nie komisch reagiert. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich auch immer gesagt, dass ihm Blau super steht. Er hat das einfach so hingenommen und auf mein Urteil vertraut. Mag sein, dass es daran lag, dass er ein Mann war und ja oft auch die Sehenden einfach anziehen, was die Frauen sagen. :lol:

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» Studia » Beiträge: 1182 » Talkpoints: 2,44 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich finde auch, dass man am ehesten mit Gefühlen assoziieren sollte. Warum und kalt, aber auch hell und dunkel kann ich mir vorstellen, dass ein Blinder sich davon eine eigene subjektive Vorstellung machen kann. Hell ist, wenn die Sonne auf die Haut scheint und reges Leben herrscht. Dunkel ist Nacht, kalt, eher einsam und still und so weiter.

Letztendlich kann man so auch Muster oder Motive beschreiben. Es ist etwa so wie abstrakte Kunst erklären oder interpretieren zu können, schätze ich. Ich bin eben auch kein wirklicher Kunstkenner, tue mich schwer beim Interpretieren. Aber wenn ich solche Gefühle assoziiere, dann funktioniert das besser.

Man muss also auf einer sehr viel höheren Abstraktionsebene über soetwas wie Farben kommunizieren. Das ist wirklich sehr schwer mit alltäglichen Wortgebräuchen zu schaffen und die Sprache ist da eben ein limitierender Faktor. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege :-D

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» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Mit Gefühlen assoziieren sollte man es dem Blinden auf keinem Fall erklären. Denn wir assoziieren nicht Gefühle mit Farben, sondern Farben mit Gefühlen. Man muss Farben bereits kennen, um sich dazu ein Gefühl zu assoziieren ansonsten ergebe das überhaupt kein sinn. Man kann doch als Blinder nicht Gefühle mit etwas assoziieren das man nicht kennt.

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» Stimpey » Beiträge: 20 » Talkpoints: 0,12 »


@stimpey: Ich sage ja nicht, dass es der beste oder einfachste Nenner ist, aber wie würdest du einem Tauben Musik erklären? Einem Mann aus dem 15. Jahrhundert das Internet? Du musst einen gemeinsamen Nenner, eine abstrakte Sprache finden. Gefühle bieten dafür meines Erachtens nach die einzig gemeinsame Basis. Da Sprache wie wir festgestellt haben, eine Farbe nur unzureichend beschreiben kann (bzw garnicht) und auch Hören oder Tasten nichts dazu beitragen können, sind eben Gefühle meine einzige Chance. Ich sage nicht, dass mit Hilfe von Gefühlen ein Blinder weiss wie eine Farbe aussieht, aber er kann sich eine ungefähre Vorstellung von der Wirkung der Farbe auf Andere machen, da diese Assoziationen wie warm/kalt/freundlich/unfreundlich bei den Menschen grundsätzlich ähnlich sind.

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» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Nach dem ich deinen Beitrag gelesen habe, habe ich generell erst einmal überlegt wie man Farben beschreiben soll, also überhaupt egal ob blind oder sehend. Als erstes würde ich mit hell und dunkel beginnen, darin kann man Farben ja schon mal gut unterscheiden.

Als nächstes würde ich in warme und kalte Farben einteilen und dann in weiche sowie harte Farben. Die Farbe an sich kann man nicht beschreiben, eben nur ihre Eigenschaften. So würde ich die roten Farben also, rot, orange, weinrot als warmen, weiche und ruhige Farbe beschreiben.

Dann kommt die andere Seite der Farben kalt, tief, teilweise hart und für mein Verständnis unruhig und hektisch. Ansonsten wüsste ich auch nicht, wie man Farben beschreiben kann. Ich fand es schon schwer meinem Kind die Farben beizubringen und verschiedene Farbvariationen in Zusammenhang zu bringen.

Einem Blinden nun Farben zu erklären, geht bis auf die Eigenschaften die jede Farbe hat, nicht wirklich. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für den Blinden schon viel wert ist wenn man sich Mühe gibt und sich versucht anzustrengen und das nicht damit abtut, dass man das nicht beschreiben kann.

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» stance » Beiträge: 1775 » Talkpoints: -0,31 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Netter Ansatz stance, aber ich glaub so leicht ist es nicht. Ich bin nämlich ziemlich skeptisch, ob ein Blinder sich überhaupt den Unterschied zwischen hell und dunkel vorstellen kann. Denn er sieht ja nichts. Das ist nicht damit zu vergleichen, wie wenn du mit geschlossenen Augen in die Sonne guckst. Du siehst dann trotzdem das warme rot. Der Blinde sieht das aber eben nicht, sondern spürt nur Wärme, die für ihn aber keine Farbe hat!

Deswegen scheitert dein Ansatz schon da und erfordert eine höhere Abstraktionsebene. Und die ist meiner Ansicht nach bei Gefühlen zu suchen. Auch wenn sie individuell subjektiv sind, so sind sie interindividuell vergleichbar und zuordenbar.

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» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Vorweg sei gesagt, dass ich selbst blind bin, hierzu also einiges zu sagen habe.

Zuerst stolperte ich über die Aussage der Tochter Diamantes, die sagte, es sei nicht einfach, nichts Falsches gegenüber einem Blinden zu äußern. Das ist Quatsch, denn ein blinder Mensch, der sein Leben schon immer unter dem Gesichtspunkt "Licht weg" gestaltet hat, legt meist nicht mal ein Zehntel so viel Dramatik in die Situation, wie ein Daherkommender, der das nicht kennt und darum natürlich unbedingt sehr bestürzt ist.

Die Sache mit der Farbbeschreibung ist für mich sehr eindeutig: Blinde brauchen eine solche Erklärung nicht. Blinde denken in eigenen Bahnen, viel in Stimmungen und rhetorischen Zusammenhängen, allgemein viel abstrakter. Sie erschließen und vergegenwärtigen sich die Welt auf eine Weise, die rein gar nichts mit visuellen Maßstäben zu tun hat. Weshalb sollten sie denn schon Angaben benötigen, die einem Sinn nützen, den sie nicht zur Verfügung haben? Ich bin nicht geburtsblind und daher noch ein bisschen im Wissen um die wichtigsten Farben, auch wenns lange her ist. Ich würde auch sagen, dass die Möglichkeiten, das entscheidend Rote am Rot zu versprachlichen, sehr begrenzt sind. Wie gesagt ist das allerdings auch gar nicht nötig.

Sie haben das, was Sehende mit der Farbe "rot" in Verbindung bringen, ebenso in ihrem Empfindungsbaukasten enthalten, nur dient als Vehikel dafür eben nicht die Farbe, sondern meinetwegen eine Kulisse, die mit den anderen Sinnen zu tun hat. Als Sehender braucht man sich um diese Frage also eigentlich gar nicht groß den Kopf zu zerbrechen, ehrlich gesagt.

» Schnibbeldiwapp » Beiträge: 262 » Talkpoints: 35,07 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Doch das geht!! Zwar ist es uns Sehenden nicht möglich den Blinden das zu erklären, weil wir das 1. wahrscheinlich gar nicht gewusst oder mitbekommen haben, 2. die Blinden es sich besser selbst vermitteln und 3. die Blinden ein viel besseres Tastvermögen haben als die, die sehen können.

Nämlich fühlen sich die Farben unterschiedlich an, Gelb ist zum Beispiel sehr glatt, hingegen ist Grün sehr rau und grobkörnig. Natürlich gibt das Blinden nicht die Fähigkeit Farben richtig zu erkennen, eine Garantie ist dieser Weg nicht, aber wohl ein Anfang. Zudem kommt, dass die Technik in diesem Gebiet weiter forscht, um für Blinde endlich die Möglichkeit zu eröffnen sehen zu können.

» KreativX » Beiträge: 104 » Talkpoints: -0,41 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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