Muss bei einer Betriebsübernahme gekündigt werden?

vom 24.05.2009, 13:23 Uhr

Arbeitnehmer P. ist seit knapp sechs Jahren im selben Betrieb beschäftigt. Der Betriebsinhaber/ Arbeitgeber möchte den Betrieb nun schliessen. Allerdings gibt es wohl Jemand, der den Betrieb übernehmen würde. Allerdings wäre die Produktionsstätte, in der Arbeitnehmer P. arbeitet, dann weiter entfernt.

Muss der Betriebsinhaber dem Arbeitnehmer P. nun kündigen, oder laufen die Verträge einfach weiter? Wenn der Vertrag weiter läuft, kann dann einfach der Produktionsort verlegt werden?

Mit welchen Fristen muss gekündigt werden? In der Produktion arbeiten mit Sicherheit unter fünf Arbeitnehmer. Im gesamten Betrieb ( es gibt noch verschiedene Verkaufsfilialen) sind es aber insgesamt mehr Angestellte. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt es meines Wissens nach nicht. Also gelten ja die gesetzlichen Kündigsfristen. Ich bin nun auf zwei Monate zum Monatsende gestossen. Wegen einer Betriebszugehörigkeit von über zwei Jahren. Ich meine aber auch was in Erinnerung zu haben, das mit einer Vier- Wochen- Frist gekündigt werden kann. Also vom 17.X. zum 17. des Folgemonats. Was ist nun richtig?

Und wann müssen Angestellte über eine Betriebsübernahme durch einen neuen Arbeitgeber informiert werden? Hinzu kommt hier ja noch, das die Produktionsstätte verlegt werden würde. Das geht doch sicherlich rein rechtlich nicht von einem Tag auf den Anderen?

Und wer ist in der Pflicht sich zu melden? Muss der neue Arbeitgeber sich bei den Angestellten melden oder sollten die Angestellten selber aktiv werden?

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 5 Jahren und weniger als 8 Jahren beträgt die Kündigungsfrist 2 Monate zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 BGB).

Bei einem Betriebsübergang tritt der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (§613a Abs. 1 BGB). Eine Kündigung des bisherigen oder neuen Arbeitgebers wegen des Übergangs des Betriebes wäre unwirksam (§613a Abs. 4 BGB). Der bisherige Arbeitgeber muss in Textform über den Übergang informieren (§613a Abs. 5 BGB). Nach Erhalt dieser Information kann der Arbeitnehmer innerhalb von einem Monat dem Übergang des Arbeitsverhältnisses schriftlich widersprechen (§613a Abs. 6 BGB). Die Konsequenz ist dann im Normalfall eine betriebsbedingte Kündigung, da der "Altbetrieb" ja nicht mehr existiert. Aus der Monats-Widerspruchsfrist würde ich auch folgern, dass die Information mindesten einen Monat vor dem geplanten Betriebsübergang erolgen muss. (Ist aber nur meine Logik.)

Das Kündigungsschutzgesetzt greift, wenn ein Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter hat. Darunter kann auch ohne sachlichen Grund gekündigt werden. D.h. es besteht dann die Gefahr, dass der alte oder der neue Arbeitgeber dann kündigt und nicht so dumm ist, den Betriebsübergang als Grund anzugeben. Ob die Filialmitarbeiter mit zum Betrieb zählen lässt sich aus den Angaben nicht genau entnehmen. Wenn die Verkaufsfilialen unselbständig sind, dann ja. Unselbständig sind sie, wenn sie einem einheitlichen Leitungsapparat unterliegen.

Ich würde als Arbeitnehmer des Betriebs momentan nichts unternehmen außer ggf. mit einem Anwalt zu reden. Beeinflussen kann man nichts und der Ball liegt beim Arbeitgeber.

» ronald65 » Beiträge: 712 » Talkpoints: 3,45 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Die Filialen des bisherigen Betriebs werden alle von der Produktionsstätte aus beliefert. Wobei Zusatzkäufe bei von den beliefernden Zulieferfirmen zum Teil direkt an die Filialen gehen. Die Rechnungen laufen aber mit Sicherheit auf die Adresse, wo der Produktionsbetrieb ist. Deshalb gehe ich mal davon aus, das das Alles ein Betrieb ist.

Der Arbeitnehmer P. ist bereits 64 Jahre alt. Im November wird er 65 Jahre alt. Dann will er an sich auch in Rente gehen.

Der "neue" Arbeitgeber hat seine bestehende Produktionsstätte nun weiter weg. Das würde von Arbeitnehmer P. eine Fahrtstrecke von etwa 1Stunde und 20 Minuten betragen ( Auskunft eines Routenplaners). Da Arbeitsbeginn in solchen Betrieben aber durchaus morgens um 3 Uhr ist, ist die Strecke doch sehr lang. Arbeitnehmer P. ist nun der Ansicht, der "neue" Arbeitgeber müsste ihm eine Unterkunft zur Verfügung stellen. So das er quasi am Wochenende heim fahren könnte. Arbeitnehmer P. ist der Meinung, die Kosten dafür müsste der "neue" Chef tragen. Da habe ich allerdings meine Zweifel.

Du schreibst, das die Arbeitnehmer schriftlich informiert werden müssen. Was ist, wenn das nicht passiert?

Du schreibst, das Arbeitnehmer P. dann wiedersprechen kann. Das käme dann aber doch fast einer Kündigung gleich. Arbeitnehmer P. wäre nämlich dann auf Leistungen des Arbeitsamtes angewiesen. Bei eigener Kündigung wird man aber ja erst mal gesperrt.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Es ist richtig, dass der Widerspruch des Übergangs des Arbeitsverhältnisses aller Voraussicht nach zu einer betriebsbedingten Kündigung führt. Und dies kann auch eine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld zur Folge haben. Allerdings nur wenn dem Übergang grundlos widersprochen wird. Im vorliegenden Fall liegt aus meiner Sicht aber schon ein Grund vor. Täglich rund 3 Stunden Fahrzeit und vor allem auch zu so früher Stunde sind schon eine enorme Belastung. Außerdem führt das auch zu Mehrkosten. (Ich gehe dabei davon aus, dass die bisherige Arbeitsstätte wesentlich näher war.) Die Wochenendlösung führt ebenfalls zu Mehrkosten und erhöhter Belastung. Ich denke nicht, dass da das Arbeitsamt Probleme machen wird, zumal es ja auch nur noch um ein halbes Jahr geht. Aber das kann man ja im Vorfeld kosenfrei mit dem Arbeitsamt absprechen.

Den neuen Arbeitgeber wird man nicht dazu zwingen können, die Unterkunftskosten unter der Woche zu übernehmen.

Zur Frage, was passiert, wenn der Arbeitgeber nicht schriftlich über den Betriebsübergang informiert lässt sich folgendes sagen: Wenn keine Information erfolgt, kann auch die 4-Wochenfrist nicht beginnen, in der man dem Betriebsübergang widersprechen kann. Solange man dem Betriebsübergang nicht widerspricht, kann einem auch nicht betriebsbedingt gekündigt werden. D.h. ich würde diese Frist auch bis auf den letzten Tag ausnutzen und nicht schon vorher, also beispielsweise nach einer Woche, dem Betriebsübergang widersprechen.

Es stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Betriebsübergang beispielsweise zum 1. Juli erfolgt und der Arbeitgeber erst auch am 1. Juli bemerkt, dass er schriftlich darüber informieren muss und das dann auch gleich macht. Dann hat natürlich P. von da ab 4 Wochen Zeit (die er bis zuletzt nutzen sollte, um den Betriebsübergang zu widersprechen). Nach Einlegung des Widerspruchs kann betriebsbedingt gekündigt werden. Natürlich ist dabei die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Offen ist aber ob der alte Arbeitgeber den Mitarbeiter bis dahin an den neuen Arbeitsplatz versetzen bzw. auswärts arbeiten lassen kann. Da bin ich mir nicht ganz sicher bzw. wird das auch von den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag abhängen. Auf jeden Fall müsste dann der Arbeitgeber dann aber für die Mehrkosten aufkommen.

Alles in allem hat P. meiner Einschätzung nach eine komfortable Position, da in einem halben Jahr eh die Verrentung "droht". Durch die Widerspruchsfrist und die Kündigungsfrist ist das Arbeitsverhältnis noch für 3 Monate gesichert und wenn es gut läuft, auch noch länger. Wird beispielsweise erst in ein paar Tagen Anfang Juni informiert reicht die 4-Wochenfrist in den Juli hinein und dann kann erst auf den 30.9. betriebsbedingt gekündigt werden.

» ronald65 » Beiträge: 712 » Talkpoints: 3,45 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Wenn ich das recht überblicke, wird an der neuen Produktionsstätte an sechs Tagen in der Woche gearbeitet. Von Montag bis Samstag. Was für einen Wochenendheimfahrer natürlich doof ist. Denn so kann er erst Samstag, gegen Nachmittag an seinen Hauptwohnsitz fahren. Und wenn Montags dann halt auch schon um zwei oder drei Uhr Arbeitsbeginn ist, muss P. ja auch schon Sonntags gegen Abend wieder an den Arbeitsplatz zurück kehren. Wäre ein weiterer Grund der für mich dagegen spricht.

Ich habe Arbeitnehmer P. nun erstmal darüber informiert, das man ihm die Betriebsübergabe schriftlich mitteilen muss. Ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht, das er vorallem auf das Ausstellungsdatum achten soll. Da ich vermute, das der jetzige Arbeitgeber so ein Schreiben eventuell zurück datieren wird, habe ich Arbeitnehmer P. gesagt, das er das Schreiben erst annehmen soll, wenn das richtige Datum draufsteht. Und das er zusehen soll, das er was schriftliches mit aktuellem Datum in der Hand hat, aus dem hervorgeht, das er so ein Schreiben erhalten hat.

Er sagt aber mittlerweile selbst, das er im Falle des Falles in Frührente gehen wird und den Abschlag von 0,5 Prozent halt in Kauf nehmen wird. Wobei es bisher ja von Arbeitgeberseite her wohl noch nichts offizielles gibt.

Was ich mich allerdings frage, ob Arbeitnehmer P. eventuell eine Abfindung zu steht. Immerhin ist er in dem Betrieb im Sommer sechs Jahre beschäftigt.

Eine schriftlichen Arbeitsvertrag gibt es leider nicht.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Bezüglich der Abfindung stellt sich die Frage, ob das Unternehmen einen Betriebsrat hat. Denn die Abfindungsregelung bei betriebsbedingten Kündigungen wird mit dem Betriebsrat ausgehandelt. Gibt es diesen nicht, sieht es mit einer Abfindung schlecht aus.

» ronald65 » Beiträge: 712 » Talkpoints: 3,45 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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