Sind depressive Menschen selbst Schuld an ihrer Situation?
Es gibt laut Medienberichten in Deutschland mehrere Millionen depressive Menschen. Mir ist aufgefallen, dass depressive Menschen gerne mal die Schuld für ihre Situation anderen in die Schuhe schieben möchten und damit keine Verantwortung tragen möchten.
Ich glaube nämlich, dass viele depressive Menschen selbst Schuld an ihrer Situation tragen, weil Sie zum Beispiel kein Sport treiben, sich nicht gesund ernähren und nicht arbeiten möchten. Es ist in meinen Augen dann völlig klar, dass man depressiv wird. Wie sieht ihr das? Teilt ihr meine Meinung oder seid ihr da anderer Auffassung?
Hattest du mal einen depressiven Menschen in deinem Umfeld? Die können nicht richtig arbeiten, weil sie es nicht mehr schaffen, beim Sport dasselbe. Manche Menschen haben einfach auch eine Veranlagung dazu und wenn sie dann in eine Krise geraten, dann kann es so weit sein und so weiter. Es gibt tausende Gründe warum man depressiv werden kann. Es ist aber keinesfalls jemanden die Schuld zu geben.
Ich habe auch keinen Depressiven erlebt, der nun gesagt hätte, dass da andere Menschen dran Schuld haben. Die mag es geben, aber solche Menschen gibt es doch auch so, da muss man nicht depressiv sein. Du machst es dir da wirklich ziemlich einfach, weil das sehr komplex sein kann, was in einem Menschen mit Depressionen vorgeht und das allgemeine Vorurteil, Depressive wären nur zu faul um ihr Leben auf die Kette zu bekommen kann ich nicht bestätigen.
Und weißt du auch warum? Mein Onkel war depressiv, ich habe es viele Jahre mitbekommen. Er hat jeden Tag gekämpft, Therapien gemacht, Tabletten geschluckt, sich bewegt, wenn es ging und Sport gemacht, wenn es ging. Er hatte einen Sohn, eine Frau und für die beiden hat er gekämpft, dass mein Cousin so normal wie möglich aufwachsen kann. Das ging nicht immer, weil man ja doch einiges mitbekommt, aber er hat alles getan. Er hat auch gearbeitet, nicht viele Stunden, aber er hat anderen Menschen geholfen mit dieser Arbeit, behinderten Menschen. Willst du wirklich sagen, dass dieser Mann, der sein Leben lang jeden Tag einen Kampf gekämpft hat, selber Schuld ist?
Wenn du wissen willst, wie das Ganze ausging, mein Onkel hat sich vor einen Zug geworfen. Ein Arzt meinte er würde die Tabletten, die er bekommen hat, nicht mehr bekommen, keinen langsamen Entzug, einen ganz kalten. Er kam darauf nicht klar, war wieder in der Klinik, die konnten ihm nicht mehr helfen, gaben ihm andere Tabletten, die nicht gut funktioniert haben und weißt du was? Er konnte irgendwann nicht mehr kämpfen, war fertig und müde vom Leben.
Er hat es durchgezogen bis sein Sohn seine Ausbildung hatte, seine Frau auch gesetzlich länger schon seine Ehefrau war und eine feste Stelle hatte. Er war nicht Schuld, denn er wollte das nicht sein, er wollte kein Mitleid. Er ist zu fast jeder Familienfeier gekommen, hat versucht andere Menschen zum Lachen zu bringen und hatte diese Erkrankung seit seiner Pubertät. Damals hat er übrigens regelmäßig Fußball in einem Verein gespielt, dass mit dem Sport hilft gegen Depressionen ist also auch nur bei leichteren Fällen so.
Gerade auch durch Druck von außen Mobbing und auch soziale Isolation kann leicht eine Depression entstehen, dennoch kann man das nicht einfach so darstellen als wäre das nichts. Als wären Menschen, die es dann nicht schaffen gescheiterte Existenzen. Ich habe extrem großen Respekt vor meinen Onkel. Er hat alles getan um andere Menschen glücklich zu machen, obwohl für ihn jeder Tag so schwer war.
Ich habe damals einen FSJ in einer Psychiatrie gemacht und bin leider zu einer anderen Auffassung gekommen. So hart es klingen mag, ich glaube manche Menschen haben sich selbst aufgegeben, nicht weil sie nicht können, sondern weil sie nicht wollen.
Ich finde es komisch, dass die Tabletten von deinem Onkel abgesetzt wurden, obwohl diese ihm geholfen haben. Ich habe den Verdacht, dass es sich um ein Benzodiazepin gehandelt hat, diese machen abhängig und müssen immer höher dosiert werden, weil sie sonst nicht mehr wirken, allerdings sind Benzodiazepine nicht gegen Depressionen gedacht, sondern gegen Angstzustände und generell gegen innere Unruhe.
Die Tabletten mussten daher abgesetzt werden, da nicht immer höher dosiert werden kann. Du sprichst von einem "Entzug", bei Antidepressiva gibt es keinen Entzug, also handelt es sich wohl tatsächlich um ein Benzodiazepin.
Eine echte Depression ist eine sehr schwere, oft tödliche Krankheit. Da von Schuld zu reden überschreitet eine Grenze und ist gefährlich. Ist ein Krebskranker Schuld an seiner Krankheit? Ist man mit Multipler Sklerose oder ALS schuld an seiner Krankheit? Ist man als Schizophrener Schuld an seiner Krankheit? Dein Post ist dumm und gefährlich.
Eine andere Meinung als "Dumm" zu bezeichnen, ist nicht gerade klug. Ich bleibe daher völlig bei meiner Meinung. Ich möchte allerdings nochmals klarstellen, dass natürlich depressive Menschen geholfen werden müssen, allerdings muss man auch selbst etwas dafür tun, um aus diesen "Loch" wieder rauszukommen.
Ein depressiver Mensch KANN NICHT selbst etwas dafür tun, aus dem Loch herauszukommen, genauso wenig wie ein Querschnittsgelähmter laufen kann, selbst wenn er wollte. Ein freiwilliges soziales Jahr in der Psychiatrie macht einen noch nicht zu einem Mediziner.
Das ist leider auch völliger Quatsch. Klar bin ich kein Mediziner, allerdings habe ich etwas mehr Erfahrungen, als der "normale" Bürger. Man muss nur etwas recherchieren, um auf die selben Ergebnisse zu kommen. So schreibt die "Ärztezeitung", dass Sport genau so gut, wie ein Antidepressivum hilft. Die Zeitung beruft sich auf eine wissenschaftliche Studie. Sport rege außerdem neue Nervenzellen an.
Hier kommt ihr zur Studie. Die Studie bestätigt auch meine These, dass Depressive Menschen häufig kaum Sport treiben. Ich kannte um ehrlich zu sein die Studie gar nicht, nun kenne ich Sie und halte erst recht an meiner Meinung fest.
Aus meiner Sicht, würde ich die Frage "ob depressive Menschen selbst schuld an ihrer Situation sind" mit ja und nein beantworten. Ich habe nicht nur einen Fall in der Familie und eigentlich sollte man dann dafür mehr Verständnis haben. Dass sie aber den Grund dafür bei anderen Menschen suchen, kann ich nicht wirklich behaupten. Es kommt bei Ihnen eher so vor, als würden sie den Grund nicht wirklich wissen oder verdrängen ihn. Ich habe bei beiden aber ein Vermutung, die dann auch recht Sinnvoll klingt. Zum einen ist es meine Tante, bei ihr ist der Grund wohl in der Jugend zu finden, worauf ich aber nicht näher eingehen will.
Bei meinen Onkel, zu dem ich auch einen sehr guten Draht habe, liegt der Grund wahrscheinlich in dem Verlust seines Vaters. Die Depressionen kamen nicht unmittelbar danach, sondern erst viele Jahre später. Ausgerbrochen ist das ganze vor gut 6 Jahren, wobei der Tod seines Vaters aber bereits schon fast 20 Jahre her ist. Angefangen hat das ganze mit einem Burnout und anschließend wurden dann die Depressionen bei ihm diagnostiziert. Ausgelöst wurde das wahrscheinlich dadurch, dass über einen längeren Zeitraum recht viel zusammen kam.
Unglückliche Beziehung, ständig Überstunden und Druck auf der Arbeit und der Stress mit seinen Kindern oder besser gesagt mit der Mutter seiner Kinder. Das sind alles Dinge die über viele Jahre so gingen, bis dass dann der Supergau kam. Von der Seite her kann ich nur sagen, dass es alles Einflüsse waren, die von Außen kamen und dann kann man da auch nicht von eigener Schuld sprechen.
Auf der anderen Seite sehe ich dann aber auch, wie er damit umgeht. Natürlich macht er was dagegen, Therapie, Tagesklinik und in kürze steht auch noch ein Kur an. Aber dann sehe ich wiederum, wie er sich hängen lässt, sich zu nichts motivieren lässt und gefühlt einfach nur in den Tag hineinlebt.
Ich habe auch schon schwere Zeiten durch und weiß dann auch, dass es sehr schwer ist sich dann aufzuraffen. Aber ich weiß dann auch immer, dass wieder besser Zeiten kommen und grade der Sport hat mir immer Motivation gegeben. Und das ist dann der Punkt an dem ich sagen würde, das könnte dann doch irgendwo ein wenig Selbstverschulden sein, weil man sich eben hängen lässt und sich nicht versucht aufzuraffen, obwohl man doch weiß, dass es einem gut tun würde.
Aber es ist eben auch sehr schlecht nachzuvollziehen, wenn man nie selbst Depressionen erlebt hat. Für mich ist es in schlechten Situationen so, dass ich mir sage "Du musst was tun, oder was ändern, sonst wird es nicht besser". Menschen mit Depressionen wissen dann meist nicht mehr wofür sie etwas noch tun sollen, so war es zumindest bei meinem Onkel. Von daher würde ich sagen "Ja" und "Nein", wobei das "Ja" aber subjektiv zu bewerten ist.
Amborosia001 hat geschrieben:Das ist leider auch völliger Quatsch.
Eine andere Meinung als "völligen Quatsch" zu bezeichnen, ist auch kein allzu guter Kommunikationsstil.
Was das Wollen bei Depressionen betrifft: ich selbst habe jahrelang unter Depressionen gelitten, und ich kann nur sagen, dass das, was andere vermeintlich als "nicht wollen" bezeichnen in Wirklichkeit Symptome der Erkrankung sind. Es sieht von außen so aus, als ob die Betroffenen nicht wollen würden, aber in Wahrheit können sie nicht. Ich finde den Vergleich mit einer Lähmung gar nicht so schlecht: da sieht es von außen vielleicht auch so aus, als ob der Betroffene einfach nicht herumlaufen will, aber es geht nicht. Klar ist ein Mensch mit Depression nicht körperlich gelähmt, aber man könnte es als mentale Lähmung bezeichnen.
Wer kennt es nicht. Da hat man mal wieder einige Monate keinen Sport getrieben und wochenlang zu viele Gummibären genascht, schon findet man sich plötzlich mit dem Kopf im Ofen wieder oder möchte von der Brücke springen. Ich kann gar nicht sagen, wie fassungslos ich bin, zu lesen, dass eine Krankheit, die jedes Jahr Tausende von Todesfällen durch Suizid hervorbringt, eigentlich mit ein bisschen Walking und gesunder Ernährung schon geheilt werden kann.
Und ja, Blümchen hat absolut recht, dass man sich mit solchen "Meinungen", die eigentlich völlig verkennende Unterstellungen sind, schuldig macht. Solche Leute und derart falsche Anmerkungen, dass man sich nur mehr zusammenreißen und an seiner Einstellung und dem Lebensstil arbeiten muss, machen sich mitschuldig, wenn kranke Menschen vollends in die Verzweiflung gestürzt werden und noch mehr an den Rand der Gesellschaft getrieben werden, als sie sich sowieso schon fühlen.
Es ging doch auch gar nicht um den Aspekt, ob Sport helfen bzw. ein unterstützender Baustein sein kann, sondern um die initiale These der Eigenverantwortung bzw. sogar Schuld. Natürlich müssen die Patienten mitarbeiten und können keine reine Heilung von außen erwarten, aber es gibt Punkte, wo das gar nicht mehr geht und nur noch Medikamente helfen können. Wenn sie überhaupt je helfen.
Der fatalste Irrtum: Bestimmte Verhaltensweisen und Denkmuster, die durch die Krankheit verursacht (!) sind, als eigentlich kausale Ursache zugrunde zu legen. Mal ganz flach gesagt wäre das ungefähr so, als würde man einem weinenden Kind, das sich gerade die Knie aufgeschlagen hat, den Vorwurf machen, dass nur das Heulen Schuld am Schmerz ist. So etwas würde ja hoffentlich auch niemand sagen. Wobei, wer weiß. Anscheinend gibt es nichts an Seltsamkeiten, die es nicht gibt.
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