Ohne Doktortitel eine Praxis leiten erlaubt?

vom 15.07.2019, 19:08 Uhr

Es gibt aktuell einen für mich besorgniserregenden Fall, der auch medial größeres Interesse weckt. Es geht z.B. um diesen Arzt, wo mittlerweile zwei Frauen nach einer Po-Vergrößerung oder Po-Operation verstorben sind.

Dieser Arzt brüstet sich online mit dem Titel Dr. sowie dem Titel Med. was er offenbar auch laut Arztkammer und diesem Artikel nicht darf, weil er beide Titel offenbar nicht besitzt. Entsprechend bestraft wurde er, aber es befindet sich ein Berufungsverfahren noch anhängig.

Die Ärztekammern wissen also, dass dieser Arzt keine Titel besitzt und damit zumindest erst einmal in meinen Augen kein aus studierter Doktor der entsprechenden Medizin ist. Oder entsprechende Nachweise diesbezüglich aufweisen kann, weil sonst hätte er ja die Titel nicht auch vor Gericht nachweisen können und keine Strafe erhalten.

Nun kenne ich die Bedingungen für die Praxis-Eröffnung nicht, aber ist es doch tatsächlich möglich, ohne einen Doktortitel in einem der entsprechenden Gebiete eine Arztpraxis mit Schönheitschirurgie zu öffnen? Prüft da niemand, ob die entsprechenden Doktoren darin, auch wirklich Doktortitel haben und vom Fach sind?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Kätzchen, das mag in deinen Augen kein studierter Arzt sein, nur hat das nichts mit der Realität zu tun. Wer als Arzt arbeitet, muss das Medizinstudium absolviert und das Staatsexamen bestanden haben. Dazu kommt die Approbation, also die Zulassung den Beruf auszuüben. Promovieren muss ein Arzt nicht und ohne Promotion kein Dr. med. Der Verzicht darauf macht den Arzt nicht schlechter.

Allerdings darf man sich natürlich nicht Dr. med. nennen, wenn man keiner ist. So, jetzt geht es munter weiter. Wer keine Kassenzulassung möchte und nur Privatpatienten behandeln möchte, braucht keinen Facharzt. Schönheitschirurg ist beispielsweise kein geschützter Begriff. Da kann jeder Arzt loslegen.

Ein Facharzt hat dagegen eine mehrjährige Weiterbildung hinter sich und muss sich fortbilden. Ein Facharzt für plastische Chirurgie hat also nachweislich Ahnung vom Fach. Einen Doktortitel muss der aber auch nicht haben. Und der Facharzt mit jahrelanger Ausbildung ist auch mehr wert, als eine im Studium schnell zusammengestoppelte Doktorarbeit. Den Patienten interessiert nämlich wenig, ob der Arzt forschen kann.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Offenbar bin ich all die Jahre fälschlicherweise davon ausgegangen, dass nach bestandenem Medizin-Studium und Staatsexamen der Doktor-Titel für Ärzte sicher ist. Dem ist, soweit ich Dich also verstehe, nicht so. Das bedeutet, dass dieser angesprochene Arzt sehr wohl Arzt sein kann, aber eben keine besondere Promotion besitzt wie eben Dr. Med. Dent. Und weiß der Geier.

Er selbst kann also Arzt sein und entsprechend seinen Beruf natürlich nachgehen. Keine Frage, da bin ich bei Dir. Wo Med. oder Dr.med etc. steht muss nicht der bessere Arzt drin sein. Doch ging ich, wie angemerkt echt davon aus, dass studierte und fertig studierte sowie bestandene Ärzte automatisch den Doktor-Titel haben. Frag mich jetzt bloß nicht, wieso ich in genau diesem Medizin-Studium so naiv das gedacht habe, bei den anderen weiß ich ja die Realität auch.

Und wird es geprüft, wer eine Arztpraxis öffnet? Also ob jemand mit einem wirklich absolvierten Staatsexamen oder ein Betrüger? Weißt Du darüber etwas?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Auch wenn in Medizin und anderen Naturwissenschaften oft promoviert wird - also im Vergleich zu anderen Studienfächern - gehört eine Promotion natürlich nicht zum Studium. Gerade über die Promotion in Medizin hört man oft, dass dafür ja eigentlich gar keine richtige Forschung nötig sei und, dass man die Doktorarbeit mit einer Masterarbeit vergleichen könnte. Verallgemeinern kann man das wahrscheinlich nicht.

Ich frage mich, wie du darauf kommst, dass eine Promotion Voraussetzung sein soll für eine Selbstständigkeit mit eigener Praxis. Was denkst du denn, was man da lernt? Das, was man tatsächlich braucht für eine eigene Praxis, aber nicht für einen Job aus angestellter Arzt - Buchführung, Betriebswirtschaft und so weiter - lernt man in der medizinischen Forschung jedenfalls nicht.

Außerdem hat die Promotion überhaupt nichts mit der Facharztausbildung zu tun. Du könntest zum Beispiel eine Doktorarbeit über Herzkrankheiten schreiben und danach eine Ausbildung in der plastischen Chirurgie machen. Warum sollte dann die Doktorarbeit über Herzkrankheiten die Voraussetzung für die schönheitschirurgische Praxis sein?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



90 Prozent der Mediziner promovieren. Das Studium ist wesentlich anspruchsvoller und die Promotion etwas einfacher. Außerdem wird sie erwartet. Man konnte auch sehen, dass Promotionen käuflich sind. Gerade beim Fall Guttemberg entstand der Eindruck, dass hier ein Ghostwriter tätig war. Ich bestehe nicht auf einer Promotion.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Juri, das war einmal. Heutzutage promovieren nur noch 60 Prozent der Mediziner, aber 90 Prozent schreiben die Doktorarbeit im Studium. Und der Trend ist rückläufig. Jedes Jahr werden es weniger, weil der Titel nichts bringt und der Facharzt wichtiger wird.

Dass die Promotion etwas leichter ist, ist auch untertrieben. Vor gut zehn Jahren hat jemand auf drei (!) Seiten promoviert und die mit der naturheilkundlichen Behandlung von Impotenz in Persien im Mittelalter gefüllt. :lol: Das qualifiziert natürlich für eine Praxis.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


cooper75 hat geschrieben:Dass die Promotion etwas leichter ist, ist auch untertrieben. Vor gut zehn Jahren hat jemand auf drei (!) Seiten promoviert und die mit der naturheilkundlichen Behandlung von Impotenz in Persien im Mittelalter gefüllt. :lol: Das qualifiziert natürlich für eine Praxis.

Das ist aber die Ausnahme. Normalerweise umfassen Promotionen in der Medizin schon mindestens 50-60 Seiten. Natürlich ist das deutlich weniger als in vielen anderen Fächern, aber eben auch nichts, was man mal nebenbei hinklatschen kann, erst recht nicht wenn man es neben einem laufenden Studium oder der regulären Tätigkeit macht. Auch gibt es viele Universitäten die stufen in der Bewertung der Promotionen hinsichtlich der Benotung schon ab zwischen hohem experimentellen Aufwand und mal schnell eine uralte Statistik ausgewertet.

Vor allem aber dürfte rein vom fachlichen Aspekt her, der Doktortitel eben in vielen anderen Fächern wesentlich wichtiger sein als in der Medizin. Wer nicht gerade in die direkt in die Forschung geht oder an einer großen Universitätsklinik arbeitet, wird doch in seinem Alltag eher wenig mit Forschung konfrontiert und arbeitet eben einfach. Dass trotzdem noch mehr als die Hälfte der Mediziner promovieren, passt da nicht so wirklich dazu und zeigt eigentlich, dass es einen hohen Anteil an promovierten Mediziner geben muss, die ihren Titel eigentlich gar nicht bräuchten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in anderen Fachrichtungen ähnlich ist und sich da viele diese Mühe machen, wenn sie wissen, dass ihnen der Titel wenig bringen wird.

Und zumindest in Deutschland bekommt man den Doktortitel nur durch eine Promotion, welcher man zwar im Studium beginnen kann, aber erst nach Erhalt der Approbation abschließen kann. Die Approbation dabei ist die eigentliche Berufserlaubnis und wird nach erfolgreichem Abschluss des Studiums auf Antrag durch die Landesverwaltungsämter erteilt. Damit kann man dann als Arzt arbeiten und auch Facharztausbildungen beginnen. Die Promotion dagegen kann man machen, muss es aber nicht. Die Promotion soll eigentlich nachweisen, dass man wissenschaftlich arbeiten kann, hat also mit der eigentlich Profession des Arztes und dem Nachweis seiner fachlichen Qualifikationen gar nichts zu tun. Aber irgendwie hat es sich eben eingebrannt bei vielen Menschen, dass Ärzte eben Dr. med. sind. Wobei das keine zwei Titel sind, sondern nur einer. Der Dr. drückt den Titel der Doktorwürde aus und das med. bezeichnet das Fach in dem man promoviert hat, ist also je nach Fachrichtung austauschbar.

Ansonsten ist es relativ klar geregelt, wie man eine Praxis aufmacht. Für die Behandlung von Patienten der gesetzlichen Krankenkassen braucht man eine Kassenzulassung, wenn man diese zu Lasten der Krankenkasse auch abrechnen will. Diese Zulassung muss man bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragen und die überprüft auch, ob man die entsprechenden Qualifikationen für den Praxissitz auch hat. Das heißt einen ordentlichen Kassensitz für plastische Chirurgie kann man nur als entsprechender Facharzt bekommen. Der Doktortitel spielt hierfür gar keine Rolle.

Wer Patienten zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung abrechnen will, also Berufsgenossenschaften, der braucht entsprechende Qualifikationen der Landesverbände und Prüfungen. Das wird also ebenso klar geregelt und überwacht.

Nun kommt aber der Graubereich hinzu. Man kann auch einfach Privatpatienten behandeln und Leistungen außerhalb der beiden oben genannten Bereich anbieten. Hierfür braucht man eigentlich gar nichts. Man macht dann einfach eine Privatpraxis auf und kann quasi direkt loslegen. Dafür müssen aber die Patienten auch alles selber bezahlen. Hier besteht also eben erst einmal nur ein Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient und diese beiden müssen miteinander ausmachen, ob das so alles in Ordnung ist oder nicht. Hier wird also der Patient selbst in die Pflicht genommen sich nach den Qualifikationen zu erkundigen.

Und ganz ehrlich muss man hier schon mal hinterfragen, wie intensiv sich da die Patienten erkundigt haben. Der Arzt, der hier Schönheitsoperationen oder zumindest Injektionen durchgeführt hat, war kein plastischer Chirurg. Er hat einen Facharzt für Innere Medizin, also von der Facharztausbildung her erst einmal keine Ahnung von Operationen. Da kann man sich schon fragen, ob der Kollege da das ganze nicht einfach nur wegen dem Geld macht und nicht weil er das so gut kann oder gut findet. Warum hat er denn sonst eine gänzlich andere Facharztausbildung gemacht? Zumal es in Düsseldorf wohl mehr als genug richtige plastische Chirurgen mit entsprechender Facharztausbildung geben dürfte.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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