Macht verwöhnende Erziehung Kinder einsam und asozial?

vom 25.04.2021, 23:48 Uhr

In einem Kurzabriss über ein Erziehungsbuch las ich die Meinung des Autors, dass übermäßige oder überhaupt irgendwelche Verwöhnung Kinder lebensuntüchtig, asozial und einsam machen würde. So Schwarz-weiß und hart sehe ich das aber nicht, auch wenn es ja immer auf die Ausmaße der Verwöhnung und die Bereiche ankommt.

Es gibt Kinder, die wurden sehr verwöhnt und sind im späteren Leben hochsoziale Mitglieder der Gesellschaft geworden, genauso wie es solche Kinder gibt, denen immer nur Disziplin und Strenge entgegenschlug und die dadurch später ständig Grenzen überschreiten mussten oder passiv-aggressiv wurden.

Meiner Meinung nach kann man keine lineare Kurve zwischen dem Erziehungsstil von Strenge, Disziplin und Verwöhnung zum späteren Leben ziehen. Es sind die Extremvarianten, die später Probleme machen. Könnt ihr der Theorie folgen? Inwiefern ist sie zutreffend, inwiefern nicht? Oder ist das nur eine populistische These, um ein Buch besser verkaufen zu können?

» Verbena » Beiträge: 4789 » Talkpoints: 3,77 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Bei meinem ersten Sohn habe ich schon in der Schwangerschaft Erziehungsratgeber verschlungen, bis ich dann feststellte, dass sie sich oft widersprachen. Bei den nächsten Kindern war dann jeweils wieder was anderes aktuell. Mal sollte man Kindern Grenzen setzen, mal ihnen möglichst viele Freiheiten lassen, mal ihnen alles erklären und mal ihnen möglichst klare Anweisungen geben, weil Erklärungen sie je nach Alter überfordern.

Ich bin mittlerweile der Meinung, dass man jedes Kind individuell behandeln muss. Manche brauchen ein bisschen mehr Verwöhnung, andere klarere Grenzen. Man darf nur keine extremen Dinge machen, wie etwa ein Kind verprügeln oder es völlig übertrieben immer in den Mittelpunkt stellen und für Selbstverständlichkeiten dauernd loben oder es als Partnerersatz benutzen und es damit emotional zu überfordern.

Als Eltern macht man immer Fehler. Man ist ja auch nur ein Mensch, aber mit den üblichen Fehlern kommt ein Kind gut zurecht. Eine sehr erfahrene ältere Kindergärtnerin, für mich die beste Erzieherin aller Zeiten, meinte einmal zu mir, dass die Eltern sich nicht zu sehr verbiegen sollten, die Kinder müssten mit den Eltern zurechtkommen, die sie nun einmal haben.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Wenn das alles so einfach wäre, würde man allen Eltern zur Geburt ein Buch schenken, was sie dann lesen und alles im Leben mit dem Kind richtig machen. Ich finde es schön, wenn das Kind am Ende nicht nur als junger Erwachsener funktioniert, sondern auch mit einem Lächeln an die eigene Kindheit denkt und da gehört es auch dazu, dass die Eltern mal nachgeben und man einfach mal eine gemeinsame Zeit genießt.

Es gibt bei uns zum Beispiel nicht jeden Tag Süßes, aber ab und zu, weil die Kinder das eben auch mögen oder ich kaufe auch mal gerne etwas zwischendurch, weil ich es mir leisten kann und meine Kinder durchaus auch mal verwöhnen möchte. Dennoch lebe ich meinen Kindern auch vor, dass man jedem Menschen hilft und es wichtig ist jeden Menschen so zu nehmen wie er ist. Wir sind sehr sozial eingestellt und das leben wir auch im Alltag vor und ich denke dass das wichtig ist.

Natürlich sollte man es aber auch nie übertreiben. Wenn beim 18. Geburtstag der Porsche vor der Tür steht und die Eltern immer alles bezahlen, man also nie auch nur irgendetwas machen muss und sie vielleicht durch die eigene harte Arbeit auch weniger Zeit haben, dann ist das auch nicht so gut.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kann mir unter "verwöhnender Erziehung" gar nicht so viel vorstellen und bei einem derart schwammigen Begriff ist es natürlich schwierig, wissenschaftlich exakte Ergebnisse abzuleiten. Was heißt schon "verwöhnen"? Gibt es dafür eine Definition?

Was beispielsweise materielle Güter angeht, habe ich eher den Eindruck, dass die Kinder, die nicht bis zum Hals mit Kram überhäuft werden, als "unterprivilegiert" gelten und manche Eltern schief angeschaut, wenn sie gerade bei kleinen Kindern nicht den ganzen Wunschzettel zu Nikolaus, Weihnachten, Neujahr, Ostern, Geburtstag, Geburtstag des Geschwisterkindes, Einschulung, und Kommunion der Cousine anschleppen, sondern auch mal rationieren.

Oder gilt es als "verwöhnende Erziehung", wenn von Reiten über Ballett und Klavier bis hin zu tollen Ausflügen und Reisen die lieben Kleinen von Anfang an alle möglichen Bildungs- und Erfahrungsschancen bekommen, die unsereins in den 80ern auf dem Lande gar nicht kannte? Oder ist es doch eher der Goldstandard moderner Erziehung, damit der Nachwuchs später mal einen anständigen Job bekommt und ein top angepasstes, produktives Mitglied der Gesellschaft wird? Da habe ich eher den Eindruck, dass die gesellschaftliche Vorstellung von "Erfolg" alle Bedenken, dass die Kinder dann "einsam und asozial" werden könnten, irrelevant erscheinen lässt.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Jetzt wäre es natürlich umso schöner zu wissen, was man unter verwöhnten Kindern versteht? Denn ich kann schon von mir sagen und meiner Vergangenheit, dass sehr viele verwöhnte Kinder, die ein gutes Elternhaus mit Geld genossen haben, sehr arrogant waren. Das waren auch letzten Endes jene Kinder, die dann gerne allein in den Pausen waren und sich über wenige Freunde erfreuen durften. Die konnten sich ja teilweise nicht mal untereinander ausstehen.

Auch heute beobachte ich jedoch auch sehr viele Erwachsene, die mit dem goldenen Löffel geboren wurden, vielleicht auch etwas intelligenter und beruflicher erfolgreicher sind als andere, aber menschlich gesehen sehr einsam sind. Das liegt sicherlich an ihrem Verhalten beziehungsweise dem Verhalten von vielen.

Manche verstehen einfach nicht, wo die anderen herkommen, sind wirklich herablassend und wundern sich dann, wieso sich auch wenige zwischenmenschliche Beziehungen haben. Auffällig ist das bei einer Erwachsenen in meinem Umfeld, deren Eltern reicher sind und sie auch etwas intelligenter ist. Nicht überdurchschnittlich, aber schon hoch intelligent. Sie ist jetzt Assistenzärztin in einer HNO-Privatklinik.

Jedenfalls hatte sie bisher nur Freunde, die auch aus gutem Hause kamen und sie meinte letztes Mal zu mir, dass sie einen großen Unterschied zu mir feststellt. Denn von denen sagt ihr nie einer, was wirklich wahr ist, sondern nur, was sie eventuell hören möchte. Auch bezüglich Jungs usw. Ehrliche Meinungen sind da keine Regel, jedenfalls nicht so, wie sie es von mir kennt, aber ich werde dann gerne als asozial abgestellt. Auch so richtig zwischenmenschliche Freundschaften, dass jeder da ist, wenn er es sagt usw. kennt die gar nicht.

Mittlerweile glaubt sie auch, dass „reich“ geboren und entsprechend erzogen eines vergessen hat, und zwar sie auf die Realität mit echten Menschen vorzubereiten. Denn sie hat verstanden, dass genau diese Anzahl an gut betuchten Menschen nicht immer die ehrlichsten sind und sich alles bei denen nur um „Prahlerei“ handelt. Sie lebt sich langsam sehr gut in unserem Bekanntenkreis ein und hat offenbar richtig Spaß.

Ich glaube also schon, dass viele gut betuchten und arrogant erzogenen Kinder vor allem zwischenmenschlich oftmals sehr wenig aus dem echten Leben gebacken kriegen. Denn sie haben Leute, die alles machen, weil sie dafür bezahlen können. Sie haben Leute, die ihnen nach dem Mund reden und mehr.

Ich beziehe mich, wie unschwer zu erkennen ist, jedoch nur auf die wirklich extremen Fälle. Es gibt auch deutliche Ausnahmen, wo man doch schauen muss, was man unter verwöhnt versteht.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^