Das Tagebuch der Anne Frank in der Schule behandeln?

vom 16.02.2019, 22:00 Uhr

Ich bin in Deutschland zur Schule gegangen, wobei wir im Unterricht aber nie das Tagebuch der Anne Frank irgendwie thematisiert haben. Es wurde nicht mal ihr Name erwähnt soweit ich mich erinnere. Da ich aber generell sehr wissensdurstig bin, habe ich diese Wissenslücken anderweitig schließen können als Schülerin. Wie das an anderen Schulen oder bei anderen Lehrern war, kann ich nicht beurteilen.

Ich habe gelesen, dass in Kroatien eine Petition gestartet worden ist, sodass das Tagebuch der Anne Frank auf dem Lehrplan von kroatischen Schulen stehen soll. Findet ihr, dass das Tagebuch unbedingt schulisch thematisiert werden solle, im Inland als auch im Ausland? Oder findet ihr, dass sich andere Lektüre für den Unterricht deutlich besser eignet? Inwiefern wurde Anne Frank zu eurer Schulzeit thematisiert?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich habe im Ausland die Schule besucht und dort wurde das Tagebuch der Anne Frank ausführlich behandelt. Wir haben sogar den Film angeschaut. Zusätzlich wurden im Geschichtsunterricht noch die Politik des Nationalsozialismus, die grausamen Experimente der Ärzte zu der Zeit und andere Themen den Nationalsozialismus betreffend, behandelt.

Wir sind sogar mit der Klasse zu einigen KZ gefahren und sind noch tiefer in die Materie eingestiegen. Wir wurden also sehr ausführlich informiert und konnten uns ein Bild der Grausamkeiten dieser Zeit bilden. Ich wäre dafür, dass man das Thema auch in den deutschen Unterrichtsräumen behandelt. Wenn die Thematik sehr ausführlich in ausländischen Schulen behandelt wird, sollte man das meiner Meinung nach auch in Deutschland.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12546 » Talkpoints: 0,94 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Wibbeldribbel hat geschrieben:
Wir sind sogar mit der Klasse zu einigen KZ gefahren und sind noch tiefer in die Materie eingestiegen. Wir wurden also sehr ausführlich informiert und konnten uns ein Bild der Grausamkeiten dieser Zeit bilden. Ich wäre dafür, dass man das Thema auch in den deutschen Unterrichtsräumen behandelt. Wenn die Thematik sehr ausführlich in ausländischen Schulen behandelt wird, sollte man das meiner Meinung nach auch in Deutschland.

Wie es mittlerweile aussieht, weiß ich nicht, aber meine Generation wurde ebenfalls geschlossen zur KZ-Besichtigung geschickt und hat mehr oder weniger detailliert die gesamten Grausamkeiten des Dritten Reichs im Unterricht durchgenommen, teilweise fast schon zu Lasten der Grausamkeiten und Kriege anderer Länder. Dafür habe ich angesichts der deutschen Vergangenheit auch Verständnis, aber ich würde mit keiner Silbe behaupten, dass zumindest in den 1990ern das Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg nicht ausführlich genug behandelt wurde.

Anne Frank ist ja hier nur ein Beispiel unter vielen, welches offensichtlich gerade in den USA bekannt ist, wohl auch weil sich Hollywood sehr früh ausgerechnet mit diesem Schicksal beschäftigt hat. Auch will ich nicht bestreiten, dass die Geschichte der Familie Frank besonders betroffen macht, Anne ein für ihr Alter ungewöhnliches literarisches Talent gezeigt hat und gerade Jugendliche sich eher mit einem Einzelschicksal identifizieren können, wenn es sich um eine gleichaltrige Person handelt.

Aber ich würde nicht behaupten, dass das Tagebuch von Anne Frank zwingend notwendig ist, um die Gräuel des Dritten Reiches, die Verfolgung von Juden, Homosexuellen und anderen "Unerwünschten" und das generelle Elend von Diktatur, Krieg und Vertreibung zumindest im Ansatz nachvollziehen zu können. Nur weil jemand exakt dieses Buch nicht gelesen hat, heißt das noch nicht, dass man in dieser Hinsicht schlecht informiert ist.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Oh, in meiner Schulzeit wurden Antisemitismus und Nationalsozialismus eingebettet in passende andere Literatur bis zum Erbrechen durchexerziert. Das Tagebuch der Anne Frank, was auch heute in meinem Bundesland in der siebten oder achten Klasse gelesen werden kann, war da nur der Anfang.

Die lange Tradition der Judenverfolgung in Deutschland wurde mit der Judenbuche aufgearbeitet. Die Mechanismen der Gleichschaltung erklärte Die Welle. Die Sprachkultur im Dritten Reich untersuchten wir mit Ligua Tertii Imperii und mit der verlorenen Ehre der Katharina Blum und den letzten Kindern von Schewenborn wurden gleich noch BILD und der Kalte Krieg mit atomarem Wettrüsten verwurstet.

Generell ist das Tagebuch der Anne Frank gut geeignet. Aber man muss es sicherlich nicht gelesen haben, um genug Informationen über die Gräuel des Zweiten Weltkriegs zu erhalten. Außerdem finde ich, dass die Wahl der Literatur zur Klasse passen sollte. Je nach Klassenverband funktionieren einfach manche Texte besser als andere, um ein bestimmtes Thema zu bearbeiten.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Bis zum Abitur bin ich so oft mit dem Thema Nationalsozialismus und Drittes Reich gefüttert worden, dass ich es spätestens zum Abitur nicht mehr hören konnte. Das fing am Ende der Grundschulzeit an, in der fünften Klasse haben wir schon besagtes Tagebuch der Anne Frank gelesen, ein Jahr später die Literatur von Gudrun Pausewang, was ich aus heutiger Sicht für Kinder dieses Alters fast schon traumatisierend finde.

Allein in Geschichte und den Vorgänger-Fächern habe ich das Thema sicherlich vier bis fünfmal gehabt, Religion in der zwölften Klasse behandelte ein Semester lang nur die Kirche und Religion zu Zeiten des Nationalsozialismus und Peter Weiss' Ermittlung war eines meiner Bücher und potentiellen Kandidaten für die Prüfung im Deutsch-Leistungskurs.

Immerhin hat das Tagebuch dazu geführt, dass ich mir in Amsterdam auch das Haus von Anne Franks Versteck angeguckt habe, also ist das Interesse zur damaligen Zeit auch privat durchgesickert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass all diese Sachen aus dem heutigen Schulkanon gestrichen worden sind. Und selbst wenn in einer Schule das Tagebuch nicht gelesen werden sollte, dann bleibt noch genügend anderes Material zur Vermittlung übrig, was Schülern einen mehr als nur groben Eindruck vom Nationalsozialismus bietet.

» Verbena » Beiträge: 4793 » Talkpoints: 0,57 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Das Thema Nationalsozialismus kam bei uns im Unterricht auch dran. Wir sollten dann Videos über das Leben der Menschen in den Konzentrationslagern ansehen. Da hätte ich mir doch eher gewünscht, dass wir das Tagebuch der Anne Frank durchgenommen hätten. Anne Frank kam auch zur Sprache und wurde kurz behandelt, aber das Buch war nicht teil des Lehrplans.

Ich fand es dennoch interessant und habe es später dann privat gelesen. Ich denke, dass es jede Schule oder der Lehrer anders handhabt. Ich habe aber auch von Schülern anderer Klassen nie gehört, dass sie das Buch im Unterricht gelesen haben.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich habe das Tagebuch der Anne Frank in meiner Freizeit gelesen und halte es für den Unterricht ungeeignet. Es ist sehr einseitig und schildert über weite Teile ja nur ihre Zeit mit der Familie im Versteck. Größere Zusammenhänge und die eigentlichen Auslöser des Zweiten Weltkriegs bleiben gänzlich unerwähnt. Da gibt es sicher bessere Bücher. In der Schule haben wir die Nazizeit auch ohne dieses Tagebuch intensiv behandelt. Wir sind in der Oberstufe im Rahmen einer Klassenfahrt sogar nach Ausschwitz gefahren.

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Warum sollte das Tagebuch der Anne Frank ungeeignet sein? Das liest man schließlich nicht in Geschichte, sondern bearbeitet es im Fach Deutsch und die Aufgabenstellungen haben nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun. Der Nationalsozialismus ist ja so ein fächerübergreifendes, immer und immer wieder präsentes Dauerthema.

Ich erinnere mich an Aufgaben aus dem netten Buch Mathematik im Dienste der nationalpolitischen Erziehung, die im Matheunterricht verdeutlicht haben, wie Schüler durch Aufgabenstellungen beeinflusst worden sind. Oder an Rassenkunde als Thema in Bio, um den Unsinn zu verdeutlichen und Diskussionen im Kunstunterricht, ob irgendwelche Werke damals ausgestellt worden wären und warum oder warum nicht. Oder in Pädagogik die Folgen der Ratgeber von Johanna Baader und welche Methoden immer noch genutzt werden.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Man kann die Schüler auch sinnlos überfrachten. Inzwischen stellt sich doch heraus, dass die Deutschkenntnise oftmals nicht ausreichen. Vielleicht sollte man eher da ansetzen. Wichtig ist doch, dass die Schüler hinterher im Berufsleben zurechtkommen. Meiner Ansicht nach können die Schüler dieses Buch auch in ihrer Freizeit lesen.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Juri, meinst du wirklich, die Schüler lernen besser Deutsch, wenn sie anstelle des Tagebuchs Effie Briest, den Prozess oder Homo Faber lesen? :lol: Außerdem soll die Schule nicht nur Menschen ausspucken, die im Berufsleben zurechtkommen. Die Schüler sollten auch soziale Verantwortung, Urteilsvermögen, Selbstbestimmung und noch vieles mehr erlernen.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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