Auf Beipackzettel nur noch häufigste Nebenwirkungen angeben?

vom 30.01.2023, 23:12 Uhr

Ein Forschungsteam bestehend aus Studenten, Doktoranten und Professor Thorsten Lehr an der Uni von Saar im Saarland arbeitet gerade daran die Beipackzettel von Medikamenten übersichtlicher und leichter verständlich zu gestalten, denn diese sind in der Regel viel zu klein gedruckt, enthalten Unmengen an Informationen und zu viele Fremdwörter.

Eine Ansatz den Beipackzettel zu komprimieren ist es nun, im Beipackzettel selbst nur noch die sehr häufigen und häufigen Nebenwirkungen anzugeben. Die seltenen Nebenwirkungen würden kaum vorkommen und die meisten Menschen mehr verunsichern, als die Informationen wirklich von Bedeutung haben würden.

Tatsächlich kenne ich einige Menschen, die beim Lesen des Zettels schon "Panik" bekommen, wenn sie die Nebenwirkungen studieren. Da würde es ja tatsächlich Sinn machen, wenn man zumindest jene rausnimmt, die so gut wie gar nie vorkommen - nach dem Motto, was ich nicht weiß, macht mich auch nicht heiß. Ich finde nämlich, gerade die seltenen Nebenwirkungen sind ja oft dann solche, die besonders schlimme Nebenwirkungen beschreiben, wie Embolien etc.

Fändet ihr es gut, wenn man in Beipackzetteln nur noch Nebenwirkungen aufführt, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auftreten können? Neben sehr häufig, häufig und sehr selten gäbe es auch die Kategorie gelegentlich, dürfte die auch weggelassen werden? Fändet ihr einen Hinweis dann wichtig, wo und wie man sich über gelegentlichen und seltenen Nebenwirkungen informieren kann? Verunsichern euch die Angaben bei den Nebenwirkungen tatsächlich hin und wieder?

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,00 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ähm, gelegentlich auftretende Nebenwirkungen können bis zu einem von einhundert Patienten betreffen. Das finde ich nun nicht so außergewöhnlich selten, dass man es nicht erwähnen sollte. Seltene Nebenwirkungen können immer noch einen von 1.000 Patienten betreffen. Daher wäre es ziemlich entmündigend für den Nutzer, nichts darüber zu erfahren.

Und man sollte die Mengen, die so verschrieben werden, nicht unterschätzen. Bevor es den Skandal um die Verunreinigung gab, verschrieben Ärzte 39 von 1.000 Kassenpatienten blutdrucksenkende Medikamente mit dem Wirkstoff Valsartan. Bei knapp 74 Millionen Versicherten erhielten also rund 2.866.000 Menschen jeden Tag das Präparat. Selbst sehr seltene Nebenwirkungen, die bei weniger als einem von 10.000 zu erwarten sind, sind da häufig.

Ein anderes hübsches Beispiel: Die Pille zur Verhütung als Kombipräparat erhöht das Thromboserisiko und die Folgen sind für viele junge Frauen verheerend. Nun bekommen mit einer Pille der zweiten Generation fünf bis sieben von 10.000 Anwenderinnen eine Thrombose, bei einer moderneren Pille sind es neun bis zwölf. Das ist selten und gelegentlich. Es wäre nun aber ziemlich kontraproduktiv, wenn in der Praxis aufgeklärt und zur Pille der zweiten Generation geraten wird, und in der Packungsbeilage nichts steht. Noch ungünstiger wäre es, wenn nicht aufgeklärt wird und nichts drinsteht.

Wer da zu Überreaktionen neigt, liest halt die Einnahmehinweise, die Gegenanzeigen und die Wechselwirkungen. In die unerwünschten Nebenwirkungen kann man ja gucken, wenn man ungewöhnliche Symptome hat, wenn man sonst hysterisch wird. Ansonsten sollten die Informationen bitte leicht zugänglich vorhanden sein.

» cooper75 » Beiträge: 13338 » Talkpoints: 500,79 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich finde mehr Informationen grundsätzlich besser als weniger, solange sie so aufbereitet sind, dass man geistig folgen kann und natürlich trotzdem korrekt. Darin liegt die wahre Kunst, nicht im Zusammenkürzen. Dass auch "seltene" Nebenwirkungen in absoluten Zahlen viele Menschen betreffen können, wenn es sich um ein häufig verschriebenes Medikament handelt, habe ich schon auch kapiert, aber das erhöht die statistische Wahrscheinlichkeit für den Einzelnen ja nicht.

Aber dennoch ist es ja nicht ausgeschlossen, eine Neben- oder Wechselwirkung von ganz unten auf der Liste abzubekommen, und da finde ich es durchaus hilfreich zu wissen, woher auf einmal die Verwirrtheitszustände kommen, auch wenn die "häufigste" Nebenwirkung banaler Schluckauf ist.

Bis Corona dachte ich zudem auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung keine lustigen Experimente mit Medikamenten anstellt, sondern sie nach Vorschrift und Beipackzettel verwendet. Aber seitdem mir klar ist, wie viele Menschen überhaupt keine Ahnung haben, was sie tun, halte ich es für um so sinnvoller, Beipackzettel möglichst umfassend und idiotensicher zu gestalten.

Beispielsweise war ich auch genervt vom quadratmetergroßen Beipackzettel meines Verhütungspflasters, aber mittlerweile verstehe ich vollkommen, wieso darauf Dinge stehen wie: bitte nicht vierteln, nur eins auf einmal, und nicht erst kurz vor dem Sex aufpappen! Wenn dafür eine eins-zu-einer-Million-Nebenwirkung weggekürzt werden muss, sollte mir das auch recht sein

» Gerbera » Beiträge: 11295 » Talkpoints: 43,04 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde es wichtig, dass alle bekannten Nebenwirkungen aufgezählt werden, auch wenn sie sehr selten sind. Man kann das so gestalten, dass die häufigen Nebenwirkungen größer geschrieben werden und von den sehr seltenen klarer abgegrenzt werden.

Nur weil jemand was nicht versteht, muss man sich ja nicht anpassen und das Niveau nach unten schrauben. Viele Leute verstehen auch die Angaben zu Inhaltsstoffen in den Lebensmitteln nicht, trotzdem muss man sie angeben, besonders wenn es zu Allergien kommen kann, wie bei den berühmten "kann Spuren von ..." enthalten. Nur weil das bei fast allen Leuten keine Rolle spielt, muss man es trotzdem drauf schreiben.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es rechtlich schwierig ist, wenn man Nebenwirkungen kennt, die sehr selten auftreten, auf diese aber nicht hinweist. Bei häufigen Medikamenten wie Aspirin, was meine Schwester aus mir unerfindlichen Gründen sehr häufig nimmt, ist die Anzahl der Menschen, die von Nebenwirkungen betroffen ist, doch wahrscheinlich groß.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 31.01.2023, 11:38, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Mal angenommen man bekommt eine seltene Nebenwirkung - habe ich selber schon mal erlebt - dann schaut man eigentlich erst mal auf den Beipackzettel wenn man ein neues Medikament eingenommen hat. Logisch.

Blöderweise steht die seltene Nebenwirkung da aber nicht mehr drauf. Also sitzt man dann in der Hautambulanz und fragt sich, ob der fiese Ausschlag vielleicht Krätze oder irgendwas in der Art sein könnte. Statt einfach seinen Hausarzt anzurufen und zu fragen, ob man das Medikament besser absetzen soll.

Eine vernünftige Idee wäre den Beipackzettel einfach aufzuteilen, wie man das bei Elektrogeräten teilweise auch hat. Zuerst kommen die Kurzinformationen, die für den normalen Gebrauch völlig ausreichen, und danach gibt es das ganze noch mal ausführlicher. Und wenn man die Kurzinformationen noch in einer größeren Schriftgröße druckt wäre die Aufteilung direkt klar und vor allem für ältere Leute wäre das Ganze besser lesbar.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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