Rechtliche Verantwortung für Menschenaufläufe

vom 24.07.2011, 17:16 Uhr

Es gab bereits einige Fälle, wo es bei Partys oder Flash-Mobs zu größeren Menschenaufläufen kam und in den Nachrichten darüber hört man dann regelmäßig, dass derjenige der eingeladen, Kosten der Reinigung, des Polizeieinsatzes usw. zu tragen hat. Ich denke da zum Beispiel an die "Party" auf Sylt 2009, bei dem Veranstalter danach 20.230 Euro in Rechnung gestellt wurden, aber auch manche ähnliche Fälle. Leider hört man danach nie wieder etwas davon und in den reißerischen Artikeln der Zeitungen wird oftmals eher Meinungsmache betrieben, als das man wirkliche Informationen enthält. So frage ich mich, ob und welche Gesetzesgrundlage es für solche Rechnungsstellungen gibt, wenn es sie denn geben sollte.

Ich kenne mich ein bisschen mit Veranstaltungsrecht und Versammlungstättenverordnungen aus. Da erkenne ich jedoch nichts, was greifen könnte, wenn man öffentlich einlädt und plötzlich mehr Menschen kommen, als erwartet. Schwierig wird es natürlich, wenn sich diese Leute dann auch nicht benehmen können und es zu Ordnungswidrigkeiten und Straftaten kommt. Aber dafür müsste doch jeder selbst verantwortlich sein?

Natürlich kann man davon ausgehen, dass etwas aus dem Ruder gerät, wenn man im großen Stil dazu aufruft eine Insel zu stürmen oder ähnliches. Wobei ich mich frage, wo die Unterschiede sind? Die Zeitungen und Zeitschriften sind voll mit Terminen zu Kino, Kunst, Kultur, Party, Sommerfesten, Lesungen und sonstigen Dingen. Wenn der örtliche Taubenzüchter- oder Kleingartenverein alle Interessierten zu Kaffee und Kuchen einlädt, dann sind das je nach Zeitung auch einige Zehntausende, die sich theoretisch angesprochen fühlen könnten. Aber kein Kino, Verein, Buchladen, usw. hätte die entsprechenden Möglichkeiten einen riesigen Menschenandrang zu bewältigen. Müssten diese trotzdem dafür aufkommen, wenn einmal nicht nur die erwarteten 10 oder 50 Leute kämen, sondern Tausende? Immerhin wird oft doch eine entsprechende Anzahl eingeladen, wenn es Beiträge im Lokalfernsehen oder in Zeitungen oder Magazinen gibt. Bei der Sylter Party rechnete man immerhin auch nur mit 100 Gästen und es wurden 5000, was noch eher wenig waren, da im Vorfeld 13000 Interesse gezeigt haben.

Bei der Sylter Party, aber vermutlich auch bei vielen anderen, gab es danach einer Forderung der Tourismusgemeinde, bzw. auch Verkehrsbetriebe wollten jemanden zu Rechenschaft ziehen, weil ihre Fahrzeuge stark verschmutzt wurden. Dabei erfolgte dies doch durch einzelne und es gab niemals einen Aufruf dazu. Und auch bei vielen anderen Veranstaltungen reisen viele Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, ohne das dem Veranstalter dafür etwas in Rechnung gestellt wird. Auch gibt es doch niemals einen Vertrag zwischen eines Tourismusgemeinde und jemanden, der mit ein paar Freunden feiern möchte. Ich fände es durchaus interessant zu erfahren, was in dem Sylter Fall aus dem Rechtsstreit wurde, aber es geht mir nicht speziell um diesen Fall, sondern eher um allgemeine Grundlagen.

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» Trisa » Beiträge: 3169 » Talkpoints: 61,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Trisa hat geschrieben:So frage ich mich, ob und welche es für solche Rechnungsstellungen gibt, wenn es sie denn geben sollte.

Zunächst ist vielleicht anzumerken, dass die Spaßveranstalter von Flashmobs oder sonstigen (noch) weniger Sinnvollen Ansammlungen von Menschen in der Regel schon mal gegen das Versammlungsrecht verstoßen, weil sie die Veranstaltung eben nicht rechtzeitig anmelden! Denn hier gibt es noch den Prozess, dass diese Anmeldung geprüft wird und dann - je nach Anlass - auch von Seiten der Stadt/Gemeinde eben Sicherungsmaßnahmen vorgesehen werden (Polizeiaufgebot, Straßensperren usw. usf.). Außerdem besteht immer die Möglichkeit, dass eine solche Anmeldung zu einer Versammlung abgelehnt wird oder aber der Versammlungsplatz moniert wird. Ruft man also ohne Absprache mit den Behörden zu einer Veranstaltung (oder Demonstration) auf, so macht man sich eigentlich in nur ganz wenigen Fällen nicht strafbar und damit auch voll haftbar, wenn die Veranstaltung außer Kontrolle gerät. Wenn es um sehr kurzfristige Anlässe geht, darf der Genehmigungsprozess nachgeschoben werden. So war z.B. als die deutsche Luftwaffe Belgrad bombardiert hat. Dies geschah überraschend und daher waren Proteste dagegen auch spontan möglich - was nicht heißt, dass die Verantwortlichen nicht nachträglich alles anmelden müssten!

Trisa hat geschrieben:wenn man öffentlich einlädt und plötzlich mehr Menschen kommen, als erwartet.

Genau um hier bei der Abschätzung nicht allein zu sein, müssen die Veranstalter auch angenommene Besucherzahlen angeben. Kommen wesentlich mehr Menschen, kann die Veranstaltung eben auch abgebrochen werden, weil z.B. die Sicherheit durch den Veranstalter nicht mehr gewährleistet werden!

Trisa hat geschrieben:Aber dafür müsste doch jeder selbst verantwortlich sein?

Grundsätzlich ja! Aber der Veranstalter hat die Pflicht hier alles in seiner Macht mögliche zu tun, um eben Ausschweifungen möglichst zu verhindern. Dazu gehört es eben auch, die Behörden zu informieren und bei sehr großen Veranstaltungen auch für Ordnungskräfte zu sorgen sowie Sanitäter vor Ort zu haben.

Trisa hat geschrieben:wenn man im großen Stil dazu aufruft eine Insel zu stürmen oder ähnliches. Wobei ich mich frage, wo die Unterschiede sind?

Wenn eine Veranstaltung vom Aufruf her schon den Charakter hat, dass sie aus dem Ruder läuft oder es auf ein Kräftemessen mit der Ordnungsmacht hinauslaufen wird, wird die Sache schlicht untersagt! Kommen die Leute dennoch, machen sie sich strafbar. Dann kommt es zur klassischen Situation, in welcher die Polizei gerne Kessel bildet und dann unter Gewaltanwendung die Veranstaltung auflöst.

Trisa hat geschrieben:da im Vorfeld 13000 Interesse gezeigt haben.

Spätestens in solchen Fällen ist immer der Veranstalter dran! Er kann sich dann eigentlich nicht mehr herausreden und steht voll in der Verantwortung, weil absehbar war, dass seine Veranstaltung eben mehr Leute anlockt, als er bewältigen hätte können.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Das Grundgesetz sagt in Artikel 8

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Dass es zu Einschränkungen durch das Versammlungsrecht kommen kann, ist mir klar. Aber dies ist hauptsächlich auf Demonstration ausgerichtet und war bereits vor den Flash-Mobs da. Außerdem gilt doch nicht jedes Treffen von mehreren Leuten unter freiem Himmel als Versammlung oder? Da laut Gesetz nur Hochzeitsgesellschaften und Trauerzüge ausgeschlossen sind, würde das bedeuten, dass man zum Beispiel auch jedes Treffen einer Internet-Community anmelden müsste? Oder Betriebs- oder Schulausflüge?

Laut Versammlungsrecht müssen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen gar nicht angemeldet werden, bzw. nur in wenigen Ausnahmefällen. Wenn sich nun zu einer solchen Veranstaltung weit mehr Leute einfinden als zugelassen sind, müsste diese abgesagt werden?

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» Trisa » Beiträge: 3169 » Talkpoints: 61,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Trisa hat geschrieben:Außerdem gilt doch nicht jedes Treffen von mehreren Leuten unter freiem Himmel als Versammlung oder?

Wenn dazu aufgerufen wurde schon. Wie sonst würdest du das denn nennen? Es kann sogar (von Bundesland zu Bundesland verschieden) bereits bei einer geplanten Versammlung von zwei Personen davon ausgegangen werden, dass dies Anzeigepflichtig ist und der Genehmigung bedarf.

Trisa hat geschrieben:dass man zum Beispiel auch jedes Treffen einer Internet-Community anmelden müsste?

Wenn sich diese Internetcommunity auf dem Rathausplatz in der Stadt versammelt, dann schon. Was ist da auch anders, als wenn sich Atomkraftgegner zu einer Demonstration verabreden?

Trisa hat geschrieben:Wenn sich nun zu einer solchen Veranstaltung weit mehr Leute einfinden als zugelassen sind, müsste diese abgesagt werden?

Wenn ich zu einer Veranstaltung in einem geschlossenen Raum lade und mehr Leute kommen, als in den Raum passen, dann bin ich für die Sicherheit verantwortlich! Daher, wie ja auch in Diskos oder Sporthallen bzw. Festzelten üblich, werden die "überschüssigen" Besucher abgewiesen! Wenn das auf Grund des Ansturms nicht geht, muss das Ganze natürlich abgeblasen werden. Und dann kann von einer Planungspanne gesprochen werden.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Für eine Demonstration gelten doch schon andere Regelungen, so zum Beispiel auch das Vermummungsverbot. Auch gibt es öfters Straßensperren und die geplante Route muss angegeben werden. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass irgendeine Gemeinde damit fertig werden würde, wenn plötzlich jedes Grüppchen sein Treffen anmelden würde.

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» Trisa » Beiträge: 3169 » Talkpoints: 61,19 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Es gilt im Polizeirecht der Grundsatz, dass Störer zur Beseitigung einer Gefahr herbeigezogen werden können. Eine Gefahr besteht unter anderem immer dann, wenn Rechtsgüter von anderen gefährdet sind. Muss die Polizei aufgrund solcher Gefahren einschreiten kann sie dem Störer die Kosten auferlegen. Ein Störer ist unter anderem derjenige, der durch sein Verhalten die Gefahr verursacht hat. Hat beispielsweise bei einer facebook-Party jemand die ganze Community eingeladen, dann könnte man ihn als Verhaltensstörer ansehen und ihm die Kosten für den Polizeieinsatz auferlegen. Gerade aus den Ereignissen der ersten großen Facebookparty in Hamburg (zu der Thessa eingeladen hat) muss der Einladende damit rechnen, dass zu der Party mehr kommen als geplant. Nutzt er trotzdem die Möglichkeit der allgemein zugänglichen Einladung bei facebook muss er sich auch als Störer behandeln lassen, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen.

» willung » Beiträge: 7 » Talkpoints: 5,07 »


Ich würde sagen, dass der die Verantwortung trägt, der auch zu einem Event explizit einlädt. Wenn ich zum Beispiel bei Facebook eine öffentliche Veranstaltung starte, bei der ich meine ganze Stadt einlade, würde ich für die Kosten aufkommen müssen. Wenn es aber keinen Veranstalter gibt, muss der Steuerzahler dann auch zahlen. Vor einigen Monaten gab es so einen Fall, in der ein Mädchen zu ihrem Geburtstag eingeladen hat, dabei aber vergessen hat ihre Veranstaltung auf privat zu setzten. Das Ergebnis war, dass tausende zu ihrer Party kamen und eine menge Kosten verursacht haben. Da sie aber versehentlich eingeladen hat, musste sie die Kosten nicht tragen.

Ich bin zwar kein Experte, aber ich würde sagen, wer explizit einlädt muss auch zahlen.

» Verdion1337 » Beiträge: 763 » Talkpoints: 7,05 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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