Nach Krankenhausaufenthalt Tablettenentzug nötig

vom 04.06.2009, 17:04 Uhr

Es geht um meinen Schwager, der ist Alkoholiker (jetzt wieder trocken) und musste vor 4 Wochen nach einem Rückfall in die Klinik zur Entgiftung. Für die, die sich nichts darunter vorstellen könne: Eine Entgiftung ist ein stationärer Aufenthalt, bei dem unter Aufsicht der Alkoholiker wieder trocken wird. Das muss im Krankenhaus geschehen, da sonst die Gefahr besteht, dass man als Süchtiger (auch bei Dorgen- und Tablettensucht) Krampfanfälle bekommt an denen man Sterben kann. Deswegen darf man keinen „kalten“ Entzug zu Haus machen.

Da meine Schwägerin kein Auto hat um ihren Mann ins Krankenhaus zu fahren, habe ich sie immer dort hin gefahren. Nun ja üblicherweise dauert so ein Entzug 14 Tage, bei gutem Zustand auch kürzer. Dabei werden Starke Beruhigungsmedikamente gegeben, die den Entzug erträglicher machen sollen. Nun ist das auch nicht der erste Entzug, denn ich mit den beiden mitmache und kenne den Ablauf schon ganz gut.

Er hat immer ca. 4 Tage relativ viele Beruhigungsmittel bekommen und nach ca. 1 Woche waren sie dann schon auf 0 gedrosselt. Dann blieb er noch die zweite Woche zur Beobachtung da und konnte nach Hause. Diesmal war aber alles anders. Es war ein anderes Krankenhaus und dort arbeitete ein Arzt, der nicht besonders gut deutsch konnte. Als ich sie als am zweiten Tag zum Besuch hin gefahren habe, war ich über den Zustand ihres Mannes schon etwas erschrocken. Wer schon mal einen Abhängigen auf kalten Entzug gesehen hat, weiß was ich meine. Nun da hab ich mir noch nicht weiter dabei gedacht. Dann die folgenden Tage, als wir da waren, war es wieder herum wie benommen. Nun ja. Dann am 5 Tag, erzählte er uns, dass er hier über 35 Tabletten am Tag bekommt. Da ich weiß, dass das sehr starke Medikamente sind, die auch abhängig machen, war ich schon etwas erschrocken. Als er aber nach einer Woche immer noch so viele Medikamente bekommen hat und uns erzählte, dass er hier wie auf Drogen herum läuft, bat er mich mit dem Arzt zu sprechen. Er sagt, dass er ihn nicht versteht, wenn er ihm mal zwischen Tür und Angel zu greifen bekommt. Für ein normales Gespräch hat er keine Zeit.

Und da er 7 Tage später schon entlassen werden sollte (und theoretisch schon ohne Medikamente sein sollte), müssen sie endlich langsam abgesetzt werden. Gesagt getan. Wir drei gingen zum Arzt und ich sprach ihn auf polnisch an, ob er einen Moment Zeit hätte. Er fragte worum es geht. Und ich deutete an, dass wir mit ihm mal wegen der Medikamenten Dosierung sprechen möchten. Da kam er kurz raus uns sprach meinen Schwanger wieder auf deutsch an, worum es geht. Er versuchte ihm zu erklären, dass er ja schon in sieben Tagen entlassen werden soll und die Medikamente immer noch nicht gedrosselt sind.

Da winkte der Arzt ab, sagte, dass sie das schon machen werden und ließ uns einfach stehen. Ich war so entrüstet, dass er ihm wirklich nicht zuhört, dass ich nichts sagen konnte. Wir vereinbarten dann mit ihm, dass er am Abend bei der nächsten Medikamentenausgabe nochmal den Arzt anfordern soll. Das tat er dann auch. Nur blöderweise war das kurz vor Feierabend und der Arzt war dementsprechend gelaunt, dass er nochmal antanzen musste (er musste 5 Stationen betreuen). Er versuchte ihm wieder zu erklären, dass er über die Art der Behandlung und wie es nun mit den Medikamenten weitergeht aufgeklärt werden will und da meinte der Arzt nur, dass er das so weiter nehmen soll. Er weigerte sich und bestand darauf, dass ein Gespräch stattfindet und das gedrosselt werden soll und darauf meinte der Arzt nur, dass er so die Behandlung nicht weitermacht und er morgen entlassen wird. Am gleichen Abend rief mich meine Schwägerin an, dass wir ihn morgen abholen sollen.

Wir fuhren am nächsten Tag hin da stellte sich her raus, dass der Arzt ihn nicht ernst genommen hat, weil er davon ausgegangen ist, dass die Medikamente von gedrosselt seinen. Aber statt weniger bekam er immer mehr. Aber kein Wort der Entschuldigung. Wir sind dann nach der Entlassung gleich zum Arzt und der war geschockt über die anzahl der Medikamente und den Verlauf der Behandlung.

Lange rede kurzer Sinn, nun muss er mindestens 4 Wochen lang weiter diese Medikamente nehmen, da man diese hohe Dosis nicht mehr so schnell absetzten kann, weil dann Lebensgefahr besteht.

Nun weiß aber jeder Arzt, dass bei Abhängigen immer die Gefahr besteht, dass sie von einer Sucht in die nächste Fallen. Wie kann man also so leichtsinnig irgendwelche Medikamente aufschreiben, ohne lieber drei Mal nachzusehen, ob man wirklich die richtige Dosis hat? Und wie kann es sein, dass ein Arzt nie Zeit für ein Gespräch hat, indem man das hätte klären können. Und wie kann ein Arzt 4 Stationen unter sich haben, für die er als Assistenzarzt zuständig ist. Das kann er ja gar nicht bewältigen.

Meine Schwägerin macht sich natürlich nun nicht umsonst Sorgen, weil er so lange diese Tabletten nun nehmen muss. Der Hausarzt wollte ihn auch am liebsten in eine Klinik zur Entgiftung von den Tabletten schicken, aber da das die einzige Klinik hier in der Nähe ist, die das macht, muss er das nun ambulant machen, weil die gleiche Klinik ja etwas sinnlos wäre.

» Naffi » Beiträge: 948 » Talkpoints: -1,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich war ja nun schon mehrfach stationär Patientin in der Psychiatrie. An sich immer auf der Station, auf der halt schwerpunktmässig auch Entzug gemacht wird. Also hatte ich recht viel Kontakt zu Alkoholikern.

Hier läuft der Entzug an sich eine Woche. Zusätzlich zu den Stanardtherapien in dieser Klinik, gibt es noch ein spezielles Entzugsprogramm. Das läuft über fünf Werktage und die Patienten werden an sich auch erst entlassen, wenn sie das Programm durch haben. Da geht es dann um so Sachen wie, Wo finden ich Hilfe?, Was ist Auslöser?, Welche Suchtgruppen gibt es ambulant? und so weiter.

Der körperliche und medikamentöse Entzug läuft folgendermassen ab. Den Patienten wird am Anfang stündlich der Blutdruck gemessen. Ausserdem wird bei Aufnahme auch der Alkoholspiegel kontrolliert. Liegt der Alkoholspiegel unter einem bestimmten Wert, dann werden auch Medikamente gegeben. An sich wohl auch was, was ruhig stellt. ( Den Namen will ich hier bewusst nicht nennen) Das Medikament kann auch durchaus abhängig machen.

Diese Blutdruckmessungen werden erst stündlich, dann zwei stündlich, dann vier stündlich, dann dreimal am Tag, dann einmal am Tag und zum Schluss nur noch einmal wöchentlich gemacht. Die Patienten werden zum Blutdruckmessen auch in der Nacht geweckt. Wobei das Pflegepersonal dann auch durchaus entscheiden darf und kann, ob die Messungen nun wirklich stündlich oder zweistündlich gemacht werden müssen. Die sehen ja auch, ob der Patient ruhig oder unruhig schläft.

Ausser Blutdruckmessen werden noch andere Funktionen überprüft. Die Patienten müssen die Hände ausstrecken, von Zehn bis Null rückwärts zählen, sagen welcher Tag heute ist, werde gefragt ob sie nervös sind und so weiter. Dafür gibt es wohl ein Punktesystem an hand dessen das Pflegepersonal dann ausrechnet, ob und wieviel des Medikaments der einzelne Patient braucht.

Bevor es diese Entzugsgruppe gab, war es so, das die Patienten entlassen wurden, wenn sie 24 Stunden das Medikament nicht mehr bekommen haben. Wurde zum Beispiel Montags morgens das Medikament das letzte Mal gegeben, war am Dienstag Entlassung. Wurde das Medikament Montags abends das letzte Mal gegeben, war Mittwoch morgens Entlassung. Allerdings auch nur, wenn halt sonst keine Erkrankung vorlag.

Von dem Medikament gibt es an sich eine Höchstdosis die am Tag nicht überschritten werden sollte. Das ist aber wohl auch von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Ich habe es bei einem befreundeten Mann aber auch schon miterlebt, das er stündlich 4 Stück des Medikamentes bekommen hat. Ich weiss, das wir es einmal gezählt haben und da bei einer Unmenge angekommen sind. Und der wurde halt auch schon entlassen, nachdem er halt 24 Stunden nichts bekommen hat und hat unter dem Entzug dann so gelitten, der er eine Woche später wieder dort war. Und es gestaltete sich als äusserst schwierig denen klar zu machen, das dieses Mal nicht der Alkohol das eigentliche Problem ist, sondern der Medikamententzug. Wobei mittlerweile mit der Gabe des Medikamentes anders umgegangen wird. Und bei dem Bekannten auch noch mehr als reiner Alkoholismus vorliegt.

Dieses mir bekannte Medikament darf (zumindest in Hessen) nicht ambulant verschrieben werden. Ein weiterer Grund warum man wohl auch generell weniger gibt.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Ich würde mir da auch sorgen machen, das weiß ja nun jeder das man von Tabletten genau so süchtig werden kann wie von Alkohol. Heutzutage muss man ja schon bei Nasenspray aufpassen. Also ich würde da eventuell noch einen anderen Arzt zu befragen, auch wenn der weiter weg wären. Mit solchen Problemen muss man aufpassen das sie nicht noch schlimmer werden.

Man kann ja keinen Menschen von einer Sucht in die nächste Sucht schicken. So wie hier von Alkohol in die nächste Sucht, die Tabletten, was soll denn dann noch kommen. Als Übergang zur Hilfe schon aber nicht das daraus dann eine Sucht entsteht, das ist vom Arzt auch sehr verantwortungslos.

» kirsche678 » Beiträge: 519 » Talkpoints: -2,50 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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