Kalter Krieg als nennenswerte Angstauslöser in Bevölkerung?

vom 12.03.2021, 23:43 Uhr

Viele von uns sind so alt, dass sie sich zumindest aus ihrer Kindheit noch vage an den Zustand des Kalten Krieges erinnern können, aber noch nicht alt genug, um es vorher je anders kennengelernt zu haben. Für mich selbst blieb dieser Zustand lange nur ein abstrakter Begriff, der eine Normalität darstellte, die ich nie infrage stellte.

Dementsprechend überrascht war ich, als eine Freundin über ein älteres Familienmitglied mal meinte, dieses sei vom "Krieg", in dem er ihrer Ansicht nach teilnahm, traumatisiert. Es ging hier wohlgemerkt nicht um eine aktive Teilnahme in einem Krieg wie dem zweiten Weltkrieg oder dem Golfkrieg, sondern um Rerservistendienste im Kalten Krieg der Siebziger und Achtziger Jahre. Für sie war das eine aktive Teilnahme an einem Kriegsgeschehen und damit ein Auslöser großer Ängste.

Inwiefern hat der Kalte Krieg unter der Bevölkerung signifikante Ängste ausgelöst? Fehlt einem der historische oder emotionale Abstand, um das beurteilen zu können oder ist es schwierig, weil der Krieg eben "kalt" war und für viele immer nur eine vage, abstrakte Bedrohung im Hintergrund des normalen Alltags geblieben war?

» Verbena » Beiträge: 4793 » Talkpoints: 0,57 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Nun, wer in den 80ern groß wurde, wuchs in der Tat noch in einer anderen Welt auf. Jahrzehntelang gab es halt nur 2 Großmächte auf der Welt, den Osten mit dem Warschauer Pakt und die Nato. Konflikte wie der Koreakrieg, der Vietnamkrieg oder der Krieg der Russen in Afghanistan in den 70ern betrachtet man heute gemeinhin als Stellvertreterkriege, da sie im Prinzip allesamt Kriege zwischen Ost und West waren. Es war eine bipolare Welt, heute ist sie multipolar.

Was damals latent alle Menschen beschäftigte, war die permanente Angst vor einem Atomkrieg, ich bin Jahrgang 1976 und kenne das noch sehr gut. Insbesondere für Kinder bisweilen ein sehr bedrückender Gedanke, dass man jederzeit ausgelöscht werden konnte. Aber auch für Erwachsene, aber die konnten es leichter verdrängen. Es war nicht lebensbestimmend, aber das Bewusstsein war immer irgendwo im Hinterkopf. Zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich und mit einer Kindheit in dieser Zeit ab einem Alter, in dem man über sowas nachzudenken begann, untrennbar verbunden.

Wie wir heute wissen, gab es in der Tat Momente wo es kurz davor stand; wie etwa Anfang der 80er russisches Militär feststellte, dass ein Angriff stattfand und die Obersten sofort den Ernstfall ausriefen und den Rückschlag befahlen. Ein Offizier weiter unten bekam Zweifel und konnte gerade noch so feststellen, dass es ein Fehlalarm war. Ohne den säßen wir hier heute nicht. Und das war nicht der einzige Vorfall dieser Art.

Aber aufgrund des Wehrdienstes zu dieser Zeit von einer Traumatisierung zu reden, halte ich für extrem übertrieben bis lächerlich. Was sollen denn die heute wirklich traumatisierten Afghanistan-Rückkehrer sagen mit ihrem PTBS, nachdem sie im Gefecht töten mussten, in Sprengfallen gerieten oder auch Kameraden sterben sahen.

» Paulie » Beiträge: 554 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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