Bei unerwünschter Diagnose einfach zum nächsten Arzt?

vom 10.01.2020, 13:48 Uhr

Selbstverständlich wünscht sich jeder, dass man gesund ist und keine Beeinträchtigungen hat. Manchmal merke ich aber, dass es Leute gibt, die sich extra eine spezielle Diagnose "wünschen", um damit "Vorteile" zu haben.

Ein Beispiel: Kind war krank, kann schon in die Schule gehen, soll aber laut Eltern noch nicht Turnen. Arzt ist jedoch anderer Meinung, hat keine Befreiung gegeben. Daraufhin sind die Eltern zu einem anderen Arzt gegangen, der ihnen dann eine Befreiung ausgestellt hat.

Ein anderes Beispiel, das in der Klasse meines Sohnes derzeit "aktuell" ist: Die Deutschlehrerin ist sehr streng und fordert sehr viel, vor allem im Bereich der Rechtschreibung, wo sich auch sehr viele Kinder sehr plagen. Die Eltern von einem Kind haben dann gemeint, dass das Kind Legasthenie hat. Die Lehrerin meinte, dass wenn sie eine offizielle Diagnose hat, dann kann sie darauf auch Rücksicht nehmen.

Diese Information ging natürlich durch die Elternrunde und inzwischen gibt es glaube ich schon 10 Kinder in der einen Klasse, die sich extra testen ließen. Oh welch Wunder, die meisten Kinder haben keine passende Diagnose bekommen. Erstaunlicher Weise geben sich einige Eltern damit jedoch nicht zufrieden. Ich kenne zwei Familien, wo die Eltern dann einfach zur nächsten Psychologin gegangen sind, eine Familie war sogar bei drei verschiedenen Psychologen, bis sie endlich ihre gewünschte "Diagnose" hatten.

Ich finde das ehrlich gesagt sehr traurig, vor allem für jene Kinder, die wirklich Probleme in diesem Bereich haben. Aus genau solchen Gründen muss man dann aber auch Lehrer verstehen, die dann irgendwann einmal keine Rücksicht mehr nehmen, zum großen Leid jener, die wirklich Probleme haben. Kennt ihr auch solche Fälle? Wo und in welchem Bereich war das?

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» tournesol » Beiträge: 7749 » Talkpoints: 66,19 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ja, so einen Fall kenne ich auch. Das Kind ist von seiner alleinerziehenden Mutter von vorne bis hinten verwöhnt worden, hat nie Grenzen aufgezeigt bekommen und im Kindergarten hat das auch noch einigermaßen funktioniert weil es ja nicht so viele Regeln gibt und auch keine Anwesenheitspflicht.

Aber dann kann das Goldkind in die Schule und hatte da jede Menge Probleme und Mutti hat es nicht auf die Reihe bekommen ganz einfache Sachen wie Hausaufgaben erledigen durchzusetzen. Also war das Kind dann plötzlich "hochbegabt" und wurde zu diversen Ärzten geschleppt und diversen Tests unterzogen. Und als die Intelligenz dann halt doch nur als durchschnittlich diagnostiziert wurde hatte das Kind plötzlich ADHS und das Theater ging von vorne los.

Diese Wunschdiagnose hat sie dann tatsächlich auch irgendwann bekommen. Ich habe inzwischen kaum noch Kontakt und bin auch ganz froh darüber. Ich möchte mir nicht anschauen müssen wie ein Kind mit Medikamenten vollgestopft wird, die nachweislich zu einer Abhängigkeit führen, nur weil die Mutter mit der Erziehung überfordert ist. Und ich weiß auch nicht, was ich in dem Fall überhaupt für das Kind tun könnte weil die Mutter ja nichts illegales macht.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Leider sind solche Fälle nicht allzu selten, und auch ich bekomme gerade von Eltern, die mit Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder überfordert sind oder diese nicht wahrhaben wollen, leider ab und an solche Odysseen von Arzt über Psychologe bis hin zur Spezialambulanz mit - alles in der Hoffnung, dass die Störung des Sozialverhaltens kein Ausdruck mangelnder Erziehungsfähigkeit und die Leistungsschwäche in der Schule vielleicht doch ein Autismus ist. Nicht selten werden unerwünschte Diagnosen dann sogar verheimlicht und Vorbefunde verschwiegen, was teilweise zu ernsthaften Verzerrungen in der Diagnostik führt. Bestes Beispiel sind Intelligenztests, die man mit dem gleichen Tool nicht einfach mehrfach kurz hintereinander durchführen kann.

Ich weiß auch gar nicht, was ich schlimmer finde: die Menschen, die hartnäckig hinter ihrer Wunschdiagnose herrennen, oder die Ärzte, die irgendwann völlig entnervt nachgeben und die entsprechende Erkrankung letztendlich aufschreiben. Das erstere Verhalten ist für mich einfach auf absolutem Kleinkindniveau à la „Wenn Mama nein sagt, dann frage ich Papa oder Oma oder Opa“, das letztere ein Verstoß gegen die Berufsethik.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8470 » Talkpoints: 987,98 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



MaximumEntropy hat geschrieben:das letztere ein Verstoß gegen die Berufsethik.

Das mag so sein. Aber ich kann diese Kollegen durchaus verstehen. Mag nicht ganz das gleiche sein, da ich auf anderem Fachgebiet tätig bin, aber ich erlebe auch etliche Fälle selber, wo ich mit unter eher nicht gerechtfertigte Röntgenbilder bei Kindern anfertige oder zum Beispiel bei Rückenschmerzen, weil ich einfach weiß, ich kriege die Eltern oder Patienten sonst nicht aus meiner Sprechstunde. Da steht man dann quasi vor der Entscheidung gleich unnötiges Röntgenbild machen und sagen, dass es nichts ist oder erst einmal eine halbe Stunde Aufklärung zu betreiben um dann doch das unnötige Röntgenbild zu machen und dann zu sagen, dass es nichts Schlimmes ist. Das Ergebnis ist das gleiche, nur kostet mich der eine Weg deutlich mehr Zeit und Nerven und frustriert mich nur noch mehr.

Und so geht es eben auch vielen anderen Kollegen. Es gibt einfach einen gewissen Anteil an Patienten, der weiß schon bevor die Tür aufgeht was er will und die bekommt man nicht mehr aus dem Raum bevor sie es nicht bekommen haben. Anfangs ist man da meist noch sehr motiviert, aber irgendwann resigniert man dann einfach. Zumal es ja auch nicht so ist, wie einem Anwalt zum Beispiel, wo ganz einfach nach Stunden abgerechnet wird und man dann auch noch etwas davon hätte, wenn man sich viel Zeit nimmt und auch mal nicht nachgibt.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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