Lohn von Chefärzten gerechtfertigt?

vom 07.02.2011, 23:15 Uhr

Vor kurzen hat mein Politik-Leistungskurs eine Focus-Grafik erhalten, auf dem 100 ausgewählte Berufe aufgelistet waren. Daneben wurde das jährliche Durchschnittseinkommen (Brutto) in Euro angegeben.

Mit Abstand lag der Beruf des Chefarztes mit ungefähr 257.000 Euro Jahresbruttogehalt auf Platz eins. Ich finde es generell in Ordnung, dass Personen, die eine große Verantwortung übernehmen, gut bezahlt werden. Jedoch finde ich es schon sehr enorm, dass ein Chefarzt über 20.000 Euro im Monat verdient. hat dieser relativ gesehen wirklich so viel mehr Verantwortung, als ein Facharzt, der circa 87.000 im Jahr verdient.

Was meint ihr dazu? Findet ihr es angemessen, dass solch hohe Summen an Ärzte bezahlt werden. Ich freue mich über eure Anregungen. :)

» Fredda » Beiträge: 39 » Talkpoints: 21,95 »



Ich als angehender Mediziner würde jetzt vielleicht etwas parteiisch rüberkommen, aber hohe Entlohnungen für Ärzte finde ich mehr als angemessen.

Das von dir erwähnte Beispiel ist jetzt krass, das stimmt. Aber ich fange mal folgendermaßen an: Es gibt Chefärzte, die kümmern sich wirklich um alles und verdienen diese Bezeichnung als "Chef" auch. Dementsprechend hätte ich bei ihren Entlohnungen nichts anzuwenden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Chefärzte, die nahezu alles auf ihre Ober- bzw. Stationsärzte abwälzen und selbst relativ wenig tun. Da überlege ich mir dann schon, inwiefern solch hohe Beträge gerechtfertigt sind.

Ein anderer Punkte ist auch, dass Chefärzte meistens ausschließlich Privatpatienten behandeln und deswegen auch generell mehr verdienen als "normale" Fachärzte, wobei es auch hier Ausnahmen gibt. Inwiefern tariflich geregelte Honorare auch für Chefärzte gelten, weiss ich leider nicht, aber ich vermute mal, dass auch bei denen geregelte Summen ausgezahlt werden.

Insgesamt finde ich, dass Ärzte aktuell wenig verdienen, denn das, was sie teils machen müssen, verlangt echt viel Selbstvertrauen, Verantwortungsbewusstsein und vor allem stets hohe Konzentrationen. Wie das Einkommen der Ärzte momentan im Schnitt aussieht, weiss ich zwar nicht, aber mehr als 70.000 € Brutto im Jahr ist es bestimmt nicht.....und da ist liegt Schere zwischen Fach- und Chefarzt doch verdammt weit auseinander.

Benutzeravatar

» getku » Beiträge: 883 » Talkpoints: 11,06 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich sehe das so: Chefarzt wird niemand von heute auf morgen. Ein Chefarzt muss einiges an Berufserfahrung und Leistung vorweisen können. Wenn das ein Arzt kann, dann ist er meistens schon im gesetzten Alter, sprich die Rente ist gar nicht mehr so fern. Ich finde es nur fair, wenn man sich an die Spitze gekämpft hat, dann auch mehr zu verdienen als die anderen. Es ist für mich nicht allein die Verantwortung, die diesen Mehrverdienst ausmacht. Jeder andere hat doch auch die Möglichkeit sich mit den Jahren hochzuarbeiten, oder? Es liegt in der Hand eines jeden einzelnen. Jeder der mit seinem Gehalt unzufrieden ist, sollte überlegen was er tun kann, um es zu ändern.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich würde die Höhe des Verdienstes nur an zweiter Stelle von der Verantwortung abhängig machen. Denn mir kann keiner erzählen, dass z. B. ein Lokführer mit 400 Passagieren an Bord soviel weniger Verantwortung tragen würde. Natürlich hinkt der Vergleich, aber prinzipiell denke ich, der Verdienst ist so hoch, wie es der Markt hergibt. Dass wir es hier nicht mit einem freien Markt zu tun haben, sondern in einem Budgetierungssystem stecken, ist klar.

Die genannte Zahl finde ich jetzt nicht exorbitant hoch, ich fände sie jedoch zu hoch, wenn dafür andere im System leiden (ich denke hier auch an die vielen Krankenschwester und Pfleger, ohne die ein Arzt eben nicht auskommt) oder Leistungen gekürzt würden.

Zuwider ist mir die Protestiererei der Ärzteschaft, die nun auch insgesamt gesehen nicht am Hungertuch nagt. Man denke nur an die Erhöhungen der Honorare der Ärzteschaft in den letzten Jahren und im Vergleich an die der Arbeitnehmer. Oben schätzt getku das Einkommen der Ärzte auf 70000 €. So eine Zahl sagt natürlich gar nichts über den einzelnen. In der Welt - auch ein Organ der Ärzteschaft - ist 2009 (da gab es nochmal 8% Erhöhung für die Ärzte) die Rede von einem durchschnittlichen Reinertrag des niedergelassenen Mediziniers von 142000 € in 2007 (12% mehr als 2002). Die Spanne reicht vom Radiologen mit 264000€ bis zum Allgemeinmediziner mit 116000 €. Und nicht vergessen, das war 2007, danach kamen noch erhebliche Erhöhungen. Von den genannten Zahlen müssen noch Steuern, Altersvorsorge, Krankenversicherung und Kosten für die Praxisübernahme bezahlt werden. Alle anderen Kosten sind enthalen (Personal, Praxis, Zinsen, Miete, usw.).

JeanSmith merkt an, dass jeder die Möglichkeit habe sich hochzuarbeiten und es läge in der Hand des einzelnen, etwas zu ändern. Das haben dir vielleicht deinen Eltern eingebläut, aber es geht an der Realität fürchterlich vorbei. Gerade in Deutschland gilt viel eher, was Charles Bukowski mal geschrieben hat, dass die meisten Menschen als Genies geboren, aber als Idioten beerdigt werden. Wir haben ein Bildungssystem, dass in vielen Punkten weit hinten liegt (Bildungsausgaben, Zahl der Hochschulabschlüsse, Grundschulausgaben, Grundschüler je Leher usw.), meist unter dem OECD Schnitt. in keinem anderen vergleichbaren Industriestaat ist Schulerfolg so abhängig vom Familieneinkommen und der Vorbildung der Eltern wie in Deutschland. Lediglich in Belgien, Ungarn und Portugal sieht es für Kinder sozial schwacher Familien noch übler aus. Kinder von Gutverdienern haben eine mehr als siebenfach größere Chance ein Studium aufzunehmen, als Kinder aus sozial schwachen Elternhaus. Die von JeanSmith propagierte Chancengleichheit, die gibt es leider nicht. Das sind nur Sprüche aus der Mottenkiste der neoliberalen Sprechblasenklopfer: Jeder ist seines Glückes Schmied - bei uns gilt das für weite Teile der Bevölkerung schon lange nicht mehr.

» Meerbuscher » Beiträge: 398 » Talkpoints: -14,49 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Tut mir leid, aber an mir selbst, beweist sich eben, dass es machbar ist! Ich gehöre erstens zu den Migranten in diesem Land, zweitens bin ich die erste mit Abitur in meiner Familie, drittens studiere ich mittlerweile dual, also parallel zur Ausbildung. Ich weiß sehr wohl wie schwer es ist für jemanden aus einer einkommensschwachen Familie, aus einer Arbeiterfamilie. Ich habe mir auch nicht gerade den leichtesten Job der Welt gesucht (die eben erwähnten Krankenpfleger), aber mir liegt sehr viel daran und ich glaube darin auch gut zu sein! Worauf es auch letztlich doch ankommt!

Meine Freunde haben übrigens mehrheitlich einen Background wie ich und sie studieren auch alle.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich sehe das wie Jean Smith. Wer wirklich arbeiten oder studieren will, der hat hier in Deutschland auch die Möglichkeit dazu. In anderen Ländern sieht das oft wesentlich schlechter aus.

Diejenigen, die halt nicht die superreichen Eltern haben, haben hier aber die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Bloß weil die Eltern arbeitslos sind und von Hartz IV leben, kann man trotzdem das Abitur machen und studieren. Ich kenne da einige Beispiele aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis.

Zum Thema Bezahlung von Chefärzten. Ich vermag nicht zu beurteilen, was für ein Gehalt einem Chefarzt zusteht, weiß aber, dass dieser eine große Verantwortung trägt. Es gibt da viele Komponenten, die mit da reinspielen. Dass nun ein Chefarzt ein wesentlich höheres Einkommen hat als ein ganz "normaler" Arzt, kann ich nicht so ganz nachvollziehen, dass Ärzte allgemein viel verdienen, jedoch schon.

Erst mal muss man bedenken, dass ein Medizinstudium sehr lange dauert und viele sich dort schon das erste Mal verschulden. Hinterher muss dann erst mal Bafoeg oder der Studienkredit zurückgezahlt werden, sodass zunächst nicht viel vom Gehalt übrig bleibt. Die Verantwortung die ein Arzt trägt, ist, wie schon gesagt, sehr hoch. Dann sollte man vielleicht auch noch berücksichtigen, dass ein Arzt in der Regel keine 40 Stunden Woche hat, sondern weitaus mehr arbeitet. Dazu natürlich auch im Schichtdienst und an den Wochenenden. Dass viele Ärzte nicht verheiratet oder geschieden sind, ist da nicht verwunderlich.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


getku hat geschrieben:Inwiefern tariflich geregelte Honorare auch für Chefärzte gelten, weiss ich leider nicht, aber ich vermute mal, dass auch bei denen geregelte Summen ausgezahlt werden.


Als angehender Mediziner noch nicht in die geltenden Tarifverträge geschaut? Dann wäre dir nämlich aufgefallen, dass diese immer beim leitenden Oberarzt enden und das Chefarztgehalt nicht tariflich gebunden ist. Es ist also im Prinzip Verhandlungssache und kann daher auch sehr stark varrieren. Natürlich haben viele Kliniken interne Größenordnungen, die es für den Chefarzt gibt, aber Chefärzte sind teilweise auch am Umsatz der Klinik oder zumindest ihrem eigenen Umsatz beteiligt, wodurch sie sich durch gezieltes Aussuchen der Patienten (kurz gesagt, man behandelt lieber Privatpatienten) ihr Gehalt natürlich aufbessern können. Und dann kommen auch Fachrichtungsspezifische Dinge dazu, Gutachten oder BG-Fälle und solche Sachen können das Gehalt auch nochmal kräftig aufpolieren.

Wie das Einkommen der Ärzte momentan im Schnitt aussieht, weiss ich zwar nicht, aber mehr als 70.000 € Brutto im Jahr ist es bestimmt nicht.....und da ist liegt Schere zwischen Fach- und Chefarzt doch verdammt weit auseinander.


Als Facharzt kannst mit mindestens 5.000 Euro brutto im Monat rechnen zuzüglich Zuschlägen und Dienstvergütungen, in der Regel also schon mehr als 70.000 Euro, als Oberarzt deutlich mehr. Allerdings steht dem eben auch oftmals mindestens eine 80 Stundenwoche gegenüber, wenn man die Dienste, die aktiv oder als Rufbereitschaft gemacht werden müssen einrechnet.

Ob das alles gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt, ich denke durchaus, aber da hat halt jeder andere Vorstellungen. Und Verantwortung, naja er leitet halt die Klinik, steht also in letzter Instanz für das gerade, was dort verbrochen wird. Natürlich handeln Fachärzte auch eigenverantwortlich, aber sie sind eben nur für ihr eigenes Handeln verantwortlich, der Chef dagegen für alle Mitarbeiter der Klinik. Und dann kommt es eben immer darauf an, wie sehr sie sich dieser Aufgabe bewusst sind. Es gibt da ja wirklich Chefärzte, die wirklich sehr viel machen und für die Klinik und die Mitarbeiter tun und dann gibt es eben auch die, die mehr auf ihr Konto schauen und für sich arbeiten lassen. Aber das gibt es überall.

Was mich aber wundert, ist dass die Chefärzte da mit großen Abstand auf dem ersten Platz gewese sein sollen. Klar ist es nicht wenig, was da angegegeben wurde, aber es gibt doch in der freien Wirtschaft sicher besser bezahlte Jobs. Als Manager bei einer Bank oder großen Unternehmen sollte sich doch auch im Schnitt mehr verdienen lassen oder etwas nicht?

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^