Wenn Kinder vor den Eltern sterben

vom 07.04.2010, 23:04 Uhr

Für mich ist es eine absolute Horrorvorstellung, daß es passieren könnte, das eines meiner Kinder vor mir stirbt, durch was auch immer und ich glaube ich würde so etwas gar nicht verkraften können und an den Sinn des Lebens zweifeln. Selbst wenn ein Kind an einer schweren Krankheit stirbt, muß es grausam für die Eltern sein und natürlich noch schlimmer, wenn es unverhofft durch einen Unfall oder so passiert. Es gibt wohl nichts schlimmeres im Leben von Eltern, als das eigene Kind zu Grabe tragen zu müssen.

Ich habe vor 16 Jahren meine erste große Liebe verloren, durch einen tragischen Unfall und der Vater ist damals fast vor Trauer und Schmerz vor die Hunde gegangen. Er hat das ganze nie wirklich verkraftet und ist einige Jahre später auch gestorben. Ich denke, das es auch mit der Grund war, das er die ganze Sache nie wirklich verarbeiten konnte, das er so früh gestorben ist, denn wirklich krank war er nicht. Die Mutter hingegen hat immer für mich sehr erschreckend gut reagiert und hat das ganze auch irgendwie gut verarbeitet. Das war für mich immer unverständlich, denn ich habe mich erlebt, wie ich als Partnerin reagiert und mich gefühlt habe und wie der Vater war, als es passierte. Die Mutter war hingegen ganz anders und das habe ich bis heute nie verstanden und werde es auch wohl nie verstehen können. Aber jeder Mensch ist halt anders und man kann bekanntlich ja auch nicht in einen Menschen hineinschauen.

Es ist mit Sicherheit auch schwer, wenn noch weitere Kinder vorhanden sind, denn keiner weiß genau, wie man mit so etwas umgehen soll und es ist einfach alles eine grausame und für mich unvorstellbare Situation, in der ich hoffentlich niemals geraten werde. Für mich wäre es ein echter Untergang und ich glaube, ich würde da ohne professionelle Hilfe niemals rauskommen können. Aber das ist dann ja auch verständlich und ich finde, man sollte sich dieser Hilfe auch annehmen und evtl. sogar mit dem ganzen Rest der Familie, damit man das ganze irgendwie verarbeiten kann und irgendwie weiter durchs Leben geht, auch wenn es bei so einem Vorfall sicher ganz anders wird.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Solche Fälle habe ich leider öfter erlebt und auch in meiner Familie gab es leider dieses Schicksal. Mein Bruder hatte vor vielen Jahren einen sehr schweren Verkehrsunfall und es war klar, würde er überleben, so würde er nur im Rollstuhl sitzen. Die Wirbelsäule war irreparabel geschädigt gewesen, so dass man da nichts mehr hätte tun können. Man wusste auch nicht, ob er bei klarem Verstand gewesen wäre, da man ihn direkt an der Unfallstelle noch in ein künstliches Koma gelegt hat und er auch die folgenden Tage bis zum Eintritt des Todes nicht einmal wach geworden war. Es war für uns alle ein Schock, aber gerade für unsere Eltern und unseren Opa war es unglaublich und unfassbar. Unsere Eltern konnten damit gar nicht umgehen und da mein jüngerer Bruder nun auch einmal das Lieblingskind gewesen ist, war es wohl noch schlimmer, als wenn nun mein anderer Bruder oder ich verstorben wären.

Meine Mutter kam damit gar nicht zurecht, sie war auch schon vorher eher labil gewesen und durch den Tod meines Bruders hat sich auch noch einmal alles verstärkt. Es ging ziemlich heftig weiter, aber es dauerte keine zwei Monate, bis sie dann leider meinem Bruder folgte. Sie war zu dem Zeitpunkt im Krankenhaus und hatte eine Diagnose erhalten, die ihr ganz und gar nicht gefallen hat. Und ich denke, all das zusammen war einfach zu viel, als dass sie dann komplett ihren Lebensmut verloren hat.

Mein Vater hingegen lebt noch und er hat auch versucht, sich davon zu erholen, aber er hat seitdem immer weniger an sich herangelassen und sich eben abgekapselt, trotz Kur und Therapien, die ihm im ersten Augenblick gut taten, hat sich nicht wirklich etwas verändert. Er lebt zwar noch und funktioniert, aber ich denke, es würde ihm besser gehen, wenn er wieder eine neue Partnerin hätte. Da wünsche ich ihm von Herzen, dass er diesbezüglich auch endlich einmal Glück und Erfolg hat. Auch, wenn wir uns sonst nicht so gut verstehen.

Daher kann ich es gut nachvollziehen, was Eltern durchleben müssen und auch, was Großeltern erleben, wenn sie Kinder und Enkelkinder zu Grabe bringen müssen. Manche entwickeln eine unglaubliche Stärke und selbst mein Opa, der das alles miterlebt hat, hat gelitten und ihm ging es gar nicht so gut. Er hat zwar noch einige Jahre gelebt, ehe er dann Anfang 2011 verstorben ist, aber die Frage des "Wie" ist dann die zweite Sache. Ich denke, er tat mir von allen am meisten mit leid.

Hier gab es vor wenigen Monaten ja auch einen sehr schweren Verkehrsunfall, bei dem drei von vier jungen Menschen verstorben sind und allein das, was die Eltern, Geschwister durchmachen müssen, das ist unglaublich. Manche schaffen es schon, anders damit zurecht zu kommen und sich dennoch ihr Leben aufzubauen, andere zerbrechen daran und wissen nicht mehr, wie sie damit umgehen. Aber jeder hat seinen eigenen Weg, so etwas zu verarbeiten und ich denke, man sollte die Menschen auch die Trauer so verarbeiten zu lassen, wie es für sie am besten ist. Ich finde es jedenfalls ganz furchtbar, wenn nun jemand meint, man müsse dann stets in schwarz gekleidet herumlaufen oder so. Ich jedenfalls habe mich damals darüber sehr aufgeregt, weil ich vieles in mir und mit mir selbst ausgemacht habe, mit meiner Familie darüber reden, das ging kaum. Man hat ihnen ja auch angesehen, dass es ihnen schlecht ging und der Halt war in der Familie nicht vorhanden.

Nun, ich kenne Familien, die nach dem Verlust eines Kindes durch einen Unfall oder auch durch Selbstmord wieder bei Null angefangen haben und sich beispielsweise ein neues Haus gebaut haben. Es gibt Familien, die daran zerbrochen sind und auseinandergegangen sind und es gibt Familien, die sich wiederum damit arrangiert haben oder sich vielleicht auch professionelle Hilfe gesucht haben. Ganz darüber kommt man nie hinweg, und ich denke, das steht auch nicht weiter zur Debatte. Aber man kann es mit der Zeit lernen, damit umzugehen und auch die Trauer zuzulassen, wenn man eben nicht alles in sich hineinfrisst.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


*steph* hat geschrieben:Nun, ich kenne Familien, die nach dem Verlust eines Kindes durch einen Unfall oder auch durch Selbstmord wieder bei Null angefangen haben und sich beispielsweise ein neues Haus gebaut haben. Es gibt Familien, die daran zerbrochen sind und auseinandergegangen sind und es gibt Familien, die sich wiederum damit arrangiert haben oder sich vielleicht auch professionelle Hilfe gesucht haben. Ganz darüber kommt man nie hinweg, und ich denke, das steht auch nicht weiter zur Debatte. Aber man kann es mit der Zeit lernen, damit umzugehen und auch die Trauer zuzulassen, wenn man eben nicht alles in sich hineinfrisst.

Ich denke auch, das jede Familie da seinen eigenen Weg finden muß und manche haben halt die Stärke und auch den Zusammenhalt, das sie das ganze irgendwie so verarbeiten können, das es für sie irgendwie weitergehen kann. Auch wenn es innerlich sicher nie vergessen wird und das verlangt ja auch niemand, aber so wie die Familien, die dann nochmal bei Null anfangen, verdrängen meiner Meinung nach etwas und stellen sich nicht zu 100% dem ganzen. Es ist aber wohl für sie leichter, in einem neuen Haus, ohne die Erinnerungen an das verstorbene Kind, weiter zu leben, denn in dem alten Haus sind ja nicht nur die Gegenstände, die einem erinnern lassen, sondern einfach alles.

Ich glaube ich würde eher zu der Kategorie gehen, die daran zerbrechen würde oder halt irgendwie nur noch so vor mich her leben bzw. funktionieren würde, aber mit Sicherheit hätte ich eine Menge Lebenslust und Freude verloren und das würde sich auch bemerkbar machen, da ich eigenlich ein sehr lustiger Mensch bin. Ich möchte auch gar nicht so tief drüber nachdenken, wie ich mich verhalten würde, denn ich möchte lieber niemals in so eine Situation geraten.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Wenn man immer wieder konfrontiert wird, wird es auch nicht besser. Ich weiß nicht, ob es unbedingt Verdrängung ist, wenn man als Eltern wieder neu beginnt. Ich kann es absolut nachvollziehen, dass man als Mutter oder Vater nicht ständig daran erinnert werden möchte. Als Elternteil hat man irgendwann auch wieder den Willen oder vielleicht das Bedürfnis, nach vorn zu schauen. Die Eltern, von denen ich schrieb, blieben im gleichen Ort wohnen und haben in der unmitttelbaren Umgebung das Haus gebaut.

Von einer Familie habe ich gehört, sie sind ganz umgezogen, aber die kannte ich nicht näher. Ich denke, es kommt auch darauf an, wie viel Zeit man sich selbst gibt und eine Übersturzhandlung könnte auch Verdrängung schließen, aber dazu kennt man die Leute einfach zu wenig. Und man weiß eben auch nicht, was sie unternommen haben, um mit dem Tod des Kindes zurecht zu kommen, daher kann ich mir kein Urteil erlauben und will es auch nicht.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



*steph* hat geschrieben:Und man weiß eben auch nicht, was sie unternommen haben, um mit dem Tod des Kindes zurecht zu kommen, daher kann ich mir kein Urteil erlauben und will es auch nicht.


Das stimmt, solange man nicht selber mal in so eine Lage war, kann man es nicht beurteilen, wie Eltern damit umgehen, das sie ihr eigenes Kind zu Grabe tragen mussten und wie sie das Leben hinterher weiterleben für sich. Ich möchte mir da auch kein Urteil drüber machen, denn ich selber war zum Glück noch nie in so einer Situation und möchte auch niemals in so eine geraten. Jeder wird seinen eigenen Weg und eine eigene Art und Weise finden, mit so etwas schrecklichem umzugehen und man kann einfach nur hoffen, das es für die Betroffenen irgendwie eine Lösung gibt und sie nicht ganz daran zerbrechen.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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