Bücher im Regal als Statussymbol ansehen?

vom 11.09.2018, 05:57 Uhr

cooper75 hat geschrieben:Also so spannend finde ich die Midlife Crisis eines deutschen Gelehrten nun nicht und dass mit Gretchen noch ein zeitgenössischer Kriminalfall eingebaut worden ist, ist nun auch nicht so innovativ.

Dann hast du den Faust überhaupt nicht verstanden. Aber das macht ja nichts. Es werden viel grundlegendere Probleme angesprochen. Ich kann mich leider nicht so genial ausdrücken wie Goethe. "Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor" oder so ähnlich weist auf etwas hin, was mich eigentlich schon seit meiner Kindheit beschäftigt und nichts mit Midlife-Crisis zu tun hat.

Es geht um das Thema das Leben genießen, ohne sich groß Gedanken zu machen, oder sich viele Gedanken zu machen, viel studieren, theoretisch viel zu wissen und viel zu lesen, ohne zu "leben" und eben hinterher auch keine Ahnung zu haben, was das alles soll. In Narziss und Goldmund zum Beispiel auch ein großes Thema, in zwei Extremen dargestellt.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Cloudy24 hat geschrieben:
blümchen hat geschrieben:Was habt ihr nur alle gegen Goethe und Schiller?

Die Art und Weise, wie viele Lehrer immer noch Literatur unterrichten kann den Spaß an so ziemlich jedem Buch sehr effektiv verderben.

Es kann sein, dass häufig der Schulunterricht der Auslöser ist, warum vielen Menschen diese Literatur oft so verleidet ist. In der Hinsicht hatte ich damals Glück gehabt: ich bin damals eigentlich recht positiv angetan gewesen vom Lesen der Klassiker und fand es durchaus interessant. Das hatte vielleicht auch damit zu tun gehabt, dass ich mich schon als Schüler für klassische Musik begeistert habe und es da zahlreiche Querverbindungen gibt. Viele Themen und Handlungsstränge wurden ja sowohl in der klassischen Literatur als auch in der Musik verwendet und verarbeitet.

Benutzeravatar

» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ob Himmel, Blümchen! Warum so verbissen? Erstens ist es meine Sache, wie ich persönlich einen Text empfinde oder nicht. Du bist ja nun nicht Goethe und kannst wohl kaum wissen, was der Mann damals genau sagen wollte. Zweitens darf man auf über "große deutsche Literatur" Witze machen. Drittens lehnst du damit jeden modernen und kreativen Ansatz ab, der an Hochschulen durchaus nicht zu deiner Empörung führt.

Man kann übrigens Literatur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Wenn wir über Homo Faber reden, akzeptierst du wahrscheinlich auch nur den immer wieder durchgekauten Gegensatz zwischen Natur und Technik. Ich musste das Ding aber schon als simple gescheiterte Beziehung interpretieren. Ist das jetzt auch so ein großer Frevel? :whistle:

Und man sollte bei Faust nun auch nicht verkennen, dass Goethe schon damals genutzt hat, was heute BILD und bunte Blättchen verkauft. Denn genau damit gibt des alles an. Da war nichts mit dem tiefen Sinn des Lebens und Genuss. Inspiration gab ein aufsehenerregender Prozess gegen eine Kindsmörderin. Ansonsten ist es ganz viel zeitgemäßer Sturm und Drang.

Außerdem ist es ziemlich unerfreulich, dass sich seit damals zu wenig getan hat, oder. Faust ist genussorientiert unterwegs wie ein Teenager bei Primark, belästigt eine junge Frau auf der Straße und stürzt die ins Unglück. Egoismus, keine Moral und andere sind egal ... Genau das wird doch heute auch beklagt.

Die Midlife Crisis mit Drogenkonsum ist mittlerweile ein Ansatz, den Schüler kennenlernen dürfen. Warum auch nicht? In der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung und mit MeToo ist das pädagogisch deutlich wertvoller als das langweilige "Leben sollen".

Und das ist halt noch so etwas, dass an Goethe und Schiller und noch so anderen nervt: Da gibt es eine Interpretation, die seit verbreitet ist, und die muss es dann sein. Sonst hat man nämlich den Text nicht verstanden. Andere Ansätze bleiben dann an der Universität und Lehrer, die den Stoff sinnvoll an die Schüler bringen wollen, müssen mit Eltern diskutieren, die es nicht schaffen, einen Text von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten.

Wenn du den Faust so liebst, dann bearbeite ihn doch gleich mehrfach hintereinander. Die erste Runde geht es um den klassischen Ansatz, in der zweiten blickst du auf die Lebensmittekrise des Mannes (Trump als Faust kommt da gut :lol: ) und in Runde drei guckst du mal, wie es um die Frauenrechte steht. Da kann man dann auch gleich die unangenehme Erotik aufarbeiten, wie in der Kammer der armen Frau zu masturbieren. Ja, es lohnt sich in den alten Schinken zwischen den Zeilen zu lesen. Und bevor du mir vorwirfst, dass ich eine schmutzige Phantasie habe: Das war Thema damals in der Oberstufe, ebenso wie die Gelegenheiten, in denen Effie, das Biest fremdgegangen ist.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^