Fremde Menschen in Öffentlichkeit trösten?

vom 01.05.2017, 08:49 Uhr

Ich bin neulich mit der Bahn unterwegs gewesen, wobei ich mitbekommen habe, wie ein Mann geweint hat. Er schien sehr aufgelöst zu sein, hat ständig laut "Bastard" geschrien und andere unverständliche Sachen gesagt. Er wirkte sehr verletzt und schon fast hilflos und verzweifelt. Ich bin etwa 15 Minuten mit der Bahn gefahren, wobei das die ganze Zeit so ging mit ihm. Während dieser ganzen Zeit haben sich zwar vereinzelt Menschen zu ihm umgedreht, weil die wissen wollten, was da los ist. Aber so wirklich reagiert oder ihn getröstet hat keiner.

Ich hatte ehrlich gesagt auch nicht das Bedürfnis, diesen mir fremden Mann zu trösten. Ich denke da nur praktisch, denn ich hätte auch nicht gewollt, dass mich jemand fremdes tröstet. Gerade in der Großstadt hätte ich eher Misstrauen und den Verdacht, dass jemand nur nah genug kommen will, um irgendwelche Wertsachen zu klauen. Wie seht ihr das? Sollte man in so einer Situation einen wildfremden Menschen trösten? Ist es falsch, wenn man da nichts unternimmt? Würdet ihr in so einer Situation getröstet werden wollen oder würdet ihr lieber eure Ruhe haben wollen? Was ist euch lieber und warum?

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich denke, dass ich es von der Situation abhängig machen würde. Wenn ich jemanden sehe, der wirklich verzweifelt zu sein scheint und nur weint, würde ich sicherlich auch fragen, ob ich helfen kann. In deinem Fall hat der Mann ja auch anscheinend Beschimpfungen ausgestoßen, da wäre ich dann auch eher vorsichtig gewesen und hätte doch Bedenken gehabt, dass seine Trauer vielleicht auch schnell in Aggressionen und Wut umschlagen könnte.

Es ist ansonsten sicherlich nichts dabei, wenn man jemandem der weint seine Hilfe anbietet oder vielleicht zumindest durch eine nette Geste ein Taschentuch. Die Person kann dann ja immer noch entscheiden, ob sie sich trösten lassen möchte oder nicht. In einem Fall, den Prinzessin hier schon mal geschrieben hatte, hat es der Person anscheinend geholfen sich dann mal einem Fremden gegenüber alles von der Seele reden zu können.

Benutzeravatar

» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich hatte so eine ähnliche Situation auch schon in der Bahn und ich habe die Person dann getröstet. Manchmal ist es ja ganz gut, wenn man einfach mal mit einem Außenstehenden reden kann und gerne oder mit Absicht fängt niemand in der Bahn zu weinen an und bekommt sich nicht mehr ein, das ist einem selber ja auch unangenehm. Deswegen würde ich eigentlich immer, wenn ich Zeit habe mal nachfragen was da los ist und ob man helfen kann.

Wobei ich das wirklich auch von der Zeit abhängig machen würde. Wenn ich schon zuhöre, dann möchte ich auch richtig zuhören können und nicht daran denken, dass ich gleich los muss. So kann man dem Ganzen auch gerecht werden.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich wurde schon einmal am Flughafen getröstet. Eine lange Reise machte mir zu schaffen und ich musste mehrere Stunden auf den Anschlussflug warten und ich fühlte mich kränklich und gar nicht wohl. Außerdem hatte ich wahnsinnig Hunger, wobei ich nicht essen konnte. Irgendwie überwältigten mich meine Gefühle und die natürliche Reaktion war mich hinzusetzen und zu weinen. Ein freundliches Paar kam vorbei um mich zu trösten, das tat mir gut.

Ich kann mir vorstellen eine fremde Person in der Öffentlichkeit zu trösten. Warum auch nicht? Ich habe vorher schon Personen getröstet, die mir nicht nahe standen, zum Beispiel Klassenkameraden. Ich weiß aber nicht, ob ich eine fluchende oder aggressive Person in der Öffentlichkeit trösten würde, vielleicht würde sie mir Angst machen, vor allem wenn sie wirre Beleidigungen durch den Zug brüllt.

Benutzeravatar

» soulofsorrow » Beiträge: 9223 » Talkpoints: 23,42 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Einen fremden, herumschreienden Mann "trösten"? Ja, bin ich denn lebensmüde? Wenn sich jemand in der Öffentlichkeit so wenig unter Kontrolle hat, werden meine stümperhaften "Tröstungsversuche" wohl kaum etwas bewirken. Und wenn nicht nur Weinen, sondern auch andere Emotionen im Spiel sind, lande ich am Ende im Krankenhaus oder darf mit einem Veilchen im Gesicht den Ordnungshütern die berechtigte Frage beantworten: "Wieso sind Sie treuherzig auf einen offensichtlich nicht zurechnungsfähigen Mann zugedackelt, anstatt die Polizei zu rufen? Sind Sie denn lebensmüde?" Ich bin zwar vom Dorfe, aber einen gewissen Überlebensinstinkt habe ich mir doch bewahrt.

Maximal, und nur wenn ich meinen breitschultrigen, in Konflikt-Deeskalation geschulten Lebensgefährten im Hintergrund hätte und selbst einen sehr guten, gnädigen Tag, würde ich mich bei einer aufgelösten Frau oder einem Mädchen diskret erkundigen, ob alles in Ordnung sei. Da hätte ich ihm Nahkampf wenigstens noch den Hauch einer Chance. Aber auch nicht, wenn die Person "herumschreit" und unverständlich brabbelt. Ich möchte zwar nicht, dass meine Mitmenschen mehr leiden als unbedingt nötig. Aber es kommt schon sehr auf die Situation und die Umstände an, und schließlich bin ich auch nur ein "fremder Mensch". Ich kann bei Entzugserscheinungen, Liebeskummer oder einem Brummschädel nur sehr bedingt weiterhelfen.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich weiß auch nicht so recht, wie ich in der Situation reagiert hätte. Es ist ja schon merkwürdig, wenn man in einer Großstadt einen weinenden Mann sieht. Natürlich dürfen Männer auch weinen, gar nicht die Frage. Aber wenn der Mann in einer vollen Bahn sitzt und dort öffentlich weint und er zusätzlich Beschimpfungen herum schreit, dann wäre ich im ersten Moment zurückhaltend und sogar ein bisschen schockiert. Immer hin sieht man weinende Männer in der Öffentlichkeit sehr selten und vor allem in der Großstadt nicht.

Zu dem würde ich mir die Frage stellen, weshalb der Mann in der Öffentlichkeit weint und schimpft, sodass es alle Menschen in der Bahn mitbekommen. Ich würde mir auch die Frage stellen, ob da wirklich alles in Ordnung ist und würde mir dann auch sein Erscheinungsbild anschauen. Es gibt ja eben nun mal gewisse Leute, die sich nicht beherrschen können oder Herr ihrer Sinne sind, wenn sie viel Alkohol trinken oder sogar Drogen nehmen. Solche Männer würde ich nicht ansprechen, auch nicht, wenn sie sich so verhalten würden, wie du es da schilderst.

Ich würde mich sicherlich auch nur umdrehen, um zu schauen, wer oder was da so laut ist in der Bahn. Wenn ich aber mitbekommen würde, dass eine Person in der Öffentlichkeit weint, weil sie beispielsweise hilflos ist oder mir es so vor kommt, als wenn die Person Hilfe benötigt. Dann würde ich wirklich nicht zögern und zumindest fragen, ob meine Hilfe dann benötigt wird. Aber ich glaube nicht, dass ich eine fremde Person wirklich trösten würde. Ich möchte zumindest nicht von fremden Personen getröstet werden, weshalb ich wohl dann auch so denke.

» kai0409 » Beiträge: 3345 » Talkpoints: 72,64 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Vielleicht, oder sogar ziemlich sicher, gehöre ich anscheinend zu der eher vorsichtigen bis misstrauischen Art von Mensch. Ich persönlich wäre in der Situation, wo ein erwachsener Mensch offensichtlich einen massiven psychischen Zusammenbruch erleidet und wüste Beschimpfungen ausstoßend den ganzen Waggon zusammenschreit, möglicherweise sogar in ein anderes Abteil gegangen. Jemand, der sich in einem solchen Ausnahmezustand befindet, dass er die üblichen gesellschaftlichen Gepflogenheiten komplett aushebelt, weil er nicht mehr Herr seiner Sinne ist, ist nicht dazu angedacht, von einem Fremden nett angesprochen zu werden.

Allerdings hätte ich diesen Menschen auch nicht angesprochen, wenn es sich um eine Frau gehandelt hätte. Keiner weiß, ob die Person sich nicht in einem psychotischen Schub oder ähnlichem befindet und auf Ansprache nicht noch mehr ausrasten wird. Und Psychotiker, die sich durch eine falsche Kontaktaufnahme in die Ecke gedrängt sehen, können sehr ungemütlich werden. Wenn jemand so auffällig agiert, würde ich eher die Polizei kontaktieren, falls ich das Gefühl hätte, jemand bräuchte externe Hilfe.

Aber auch eine nur still vor sich hin weinende Person würde ich ziemlich sicher nicht ansprechen. Umgekehrt würde ich das wahrscheinlich auch nicht wollen, wenn ich heulend auf der Bank sitze und wäre eher befremdet, dass ich so sehr die Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe, dass mich ein Fremder sogar anspricht, was mit mir los ist. Maximal könnte ich mir vorstellen zu zögern, wenn ich einen sehr jungen Menschen wie einen Teenager in einem großen Flughafen oder einem Bahnhof sehe, wie es hier geschildert wurde. Dabei würde es sich aber wahrscheinlich auf eine vorsichtige Nachfrage, ob irgendwie Hilfe gebraucht wird, beschränken.

» Verbena » Beiträge: 4780 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich tue mich mit dem Trösten von fremden Menschen schon etwas schwer. Denn auf der einen Seite mische ich mich ja vielleicht in etwas ein, was meine Nase sowieso nichts angeht und auf der anderen Seite sind es eben fremde Menschen. Wieso sollten diese sich einem fremden Menschen öffnen und sich von einem fremden Menschen trösten lassen? Mir würde das jedenfalls gar nicht gefallen und ich weine auch nicht öffentlich, um solchen neugierigen Fragen zu entgehen.

Bei Kindern, die öffentlich irgendwie und irgendwo sitzen und weinen, da reagiere ich schon anders. Da gehe ich schon hin und frage, ob alles in Ordnung ist und ob der oder die Kleine Hilfe benötigen. Da habe ich aber auch einfach das Gefühl, dass es irgendwie meine Pflicht ist, hinzugehen, weil ich natürlich befürchten muss, dass sich dort jemand verlaufen hat, geschlagen wurde oder anderweitig Probleme hat.

Letztens war ein junges Mädchen in meiner Straße, die wirklich auch bitterlich geweint hat. Eigentlich war mir das total egal, weil es mich halt nichts angeht. Doch sie hat derart geschluchzt und öffentlich, dass ich mir schon dachte, dass es ihr einfach nicht gut geht und vielleicht ist ja etwas, wo ich helfen konnte. Am Ende hat ihr Freund „Schluss“ gemacht, sodass ich da auch nicht sonderlich außer mit netten Worten helfen konnte.

Ich möchte mich also sehr ungern da einmischen, aber kann mir auch vorstellen, dass manche nicht einfach so öffentlich weinen. Denn kaum einer will von Fremden angequasselt werden. Bei Kindern und älteren Menschen bin ich da durchaus schneller und gehe hin, aber bei jungen Menschen weniger. Eigentlich total doof, aber eigentlich will ich mit sowas eben auch nicht zu tun haben, weil ich selbst auch nicht getröstet werden möchte.

Ich versuche also auch weiterhin derartige Vorkommnisse zu vermeiden, weil sie mich nichts angehen. Doch wenn man das Gefühl hat, dass dort wirklich etwas heftiges ist, wie bei Kindern oder älteren Menschen, dann versuche schon mal kurz beruhigend einzuwirken.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^