Digitalisierung in Schulen - ist sie ein Muss oder unnötig?

vom 23.11.2020, 00:28 Uhr

Angesichts der aktuellen Corona-Situation wurde auch viel über die Digitalisierung an Schulen debattiert, bzw. über die angeblich fehlende Digitalisierung geredet. Denn viele Schulen haben beispielsweise kein richtiges Tool, um Aufgaben an Schüler zu senden oder um eine Art virtuellen Klassenraum umzusetzen. Auch digitale Tafeln für den Unterricht vor Ort haben nur wenige Schulen.

Das klingt alles so kritisch, aber ich finde, da wird manchmal nur nach Digitalisierung gerufen, ohne dass diese Digitalisierung tatsächlich einen Vorteil darstellt. Ob man in der Schule beispielsweise Inhalte via Beamer darstellt oder eine Folie auf den Polylux legt - was macht das für einen Unterschied? Ist der Beamer nur deswegen besser, weil er halt moderner ist und ist das dann automatisch gut?

Und würde es nicht reichen, beispielsweise Aufgaben an die Schüler per Mail zu versenden, muss es denn unbedingt eine interne Lernplattform mit allem Schnickschnack sein? Was bringt es zudem einem Schüler, wenn Inhalte im Klassenraum an die digitale Tafel geschrieben werden? Ob der Lerninhalt an der digitalen Tafel oder mit Kreide an der klassischen Tafel geschrieben wurde, wäre mir egal. Man kann ja auch ein Foto von der normalen Tafel machen und das Tafelbild speichern oder versenden, wenn man das digitalisieren will, da braucht es keine digitale Tafel.

Mir kommt es also oft so vor, als wird da gerne nach irgendwelchen digitalen Anwendungen gerufen, die man aber eigentlich gar nicht braucht, weil es auch ohne geht. Findet ihr Digitalisierung in der Schule wichtig und was versprecht ihr euch davon? Ist Digitalisierung immer besser als alte Methoden?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Es geht einfach um die Tatsache, dass vieles über das Internet machbar ist und dieses ja auch genutzt wird, aber man das für Unterricht einfach irgendwie verpasst hat. Es gibt keine Lerninhalte für Schüler, die man von zu Hause abrufen kann um noch mal etwas besser lernen zu können und so weiter. Es hätte sich doch auch sehr angeboten die Schüler zu Hause lassen zu können eine gewisse Zeit und dann diesen Schülern dadurch keinen Nachteil entstehen zu lassen, sondern das selbe Programm zu Hause zu haben, die Lerninhalte, Stunden, die gegeben werden.

Das ist aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich und auch nicht möglich gewesen. So haben gewisse Schüler kein Internet, keinen Computer oder keinen Drucker und keine Möglichkeiten dies mal eben kaufen zu können. Es ist aber scheinbar auch wenig vorhanden, was von den Lehrern kommt. Ich könnte mir da digitale Stunden schon gut vorstellen, für sämtliche Erwachsenenbildungen gibt es das ja auch und wenn es nicht anders geht, dann finde ich es schon schade, dass das nicht möglich ist oder nur unter sehr großem Aufwand von beiden Seiten.

Man hat da irgendwie etwas verpasst, finde ich. Alles wird digitaler, alles wird immer mehr online ausgeführt und Schule hängt so hinterher, das ist schon wirklich schade. Wenn man dann noch mit dem Kind zu Hause sitzt und Dinge machen muss, von denen man keine Ahnung hat mit dem Kind und keine Hilfe bekommt, dann frustriert das eben auch und dann wird der Ruf nach Hilfe größer.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich persönlich sehe die Digitalisierung zwiespältig. Zum einen bietet sie natürlich viele neue Möglichkeiten, die man den Schülern auch nicht vorenthalten sollte. Andererseits scheinen durch zu exzessive Digitalisierung auch Fähigkeiten verloren zu gehen, die früher selbstverständlich waren.

Ein Beispiel, das sich zwar auf eine andere Kultur bezieht, aber irgendwie trotzdem ein wenig symptomatisch zu sein scheint: seitdem in China die Digitalisierung so rasant vorangetrieben wird, scheinen zunehmend die jungen Leute ihre eigene Schrift regelrecht zu vergessen. Denn die chinesischen Schriftzeichen prägt man sich am besten ein, indem man sie regelmäßig mit der Hand schreibt (denn man entwickelt ein motorisches Gedächtnis). Seitdem immer weniger mit der Hand geschrieben wird, können sich die jungen Leute immer schlechter daran erinnern, wie die Zeichen eigentlich aussehen. Sie können sie zwar passiv im geschriebenen Text erkennen, aber nicht mehr aktiv selbst schreiben.

Auch in Finnland war doch im Gespräch, das Erlernen der Handschrift in der Schule abzuschaffen. Das hätte vermutlich einen ähnlichen Effekt: man kann zwar noch auf einer Tastatur einen Text tippen, aber man verlernt die Fähigkeit, mit einem Stift selbst Texte zu schreiben.

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» lascar » Beiträge: 4412 » Talkpoints: 782,06 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Zitronengras hat geschrieben:Ob man in der Schule beispielsweise Inhalte via Beamer darstellt oder eine Folie auf den Polylux legt - was macht das für einen Unterschied?

Einen riesigen Unterschied. Mal ganz davon abgesehen, dass die Lesbarkeit über den Beamer und Powerpoint einfach viel besser ist, insbesondere wenn der Lehrer eine mäßig gute Handschrift hat, fällt es viel einfach ein paar Powerpointfolien zu aktualisieren als die Polyluxfolien jedes mal neu zu entwerfen, wenn sich ein Detail geändert hat. Lehrer können somit viel einfacher ihren Unterricht regelmäßig auf den aktuellen Stand bringen, statt nur alle paar Jahre mal für eine Klassenstufe etwas neues zu entwerfen. Und ja in vielen Fächern ändert sich eben der Lehrplan und der Unterrichtsstoff alle paar Jahre.

Zudem lässt sich digital viel mehr machen. Ansprechende Animationen, mal ein kleines Video vom Laptop über den Beamer an die große Wand geschmissen. Früher hat man da in den letzten Reihen doch kaum etwas mitbekommen, wenn der Lehrer vorne was auf dem uralten Röhrenfernseher gezeigt hat.

Und gerade wenn es um das Homeschooling geht, finde ich jetzt E-Mails verschicken eigentlich eine ziemlich schlechte Lösung. Denn das heißt am Ende des Tages, dass die Eltern den Unterricht machen müssen, die Eltern alleine die Kinder motivieren müssen und als unausgebildete Pädagogen und womöglich schon Jahrzehnte aus der Schule heraus inhaltliche Fragen beantworten sollen.

Bei allen, wo ich das erlebt habe und auch bei uns selber, habe ich diese Lösung als extrem unbefriedigend für alle empfunden. Da wo es weitestgehend direkte Kommunikation mit dem Lehrer gab, eben entweder über spezielle Portale oder gleich als digitalen Unterricht wo alle vor einem Rechner gesessen haben, ging das deutlich einfacher und besser.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Sachsen hatte ja schon im Frühjahr die Plattform Lernsax für die Schulen online gebracht. Die Oberschule, welche meine Tochter damals besuchte, hat Lernsax gleich genutzt. Die Lehrer stellten für die entsprechende Klasse die Aufgaben online und die Schüler konnten sie direkt online bearbeiten oder offline. Bei Fragen kann man den Fachlehrer direkt anschreiben. Da die Lehrer teilweise auch an bestimmten Tagen in der Schule waren, konnte man bei Bedarf auch ein Telefongespräch vereinbaren, um etwas erklärt zu bekommen.

Die jetzige Schule meiner Tochter, wesentlich größer und eigentlich auch moderner, hat jetzt erst Lernsax für die Schüler eingerichtet. Der Fachlehrer für Informatik hat da letzte Woche auch erzählt, wie es im Frühjahr lief. Die Aufgaben waren auf der Webseite der Schule als Downloads vorhanden. Wer Fragen hatte, hat sich per Mail in der Schule gemeldet. Der Informatiklehrer war täglich damit beschäftigt etwa 300 Mails hin und her zu leiten.

Man sieht also schon den Unterschied, was eine Lernplattform allein für die Lehrer, die sich ja auch um ihren Fachunterricht bzw. um die Aufgaben dafür kümmern müssen, eine Zeitersparnis ist. Ebenso, wie schon erklärt wurde, sind Dokumente, die man über den Beamer zeigt, wesentlich besser anzupassen. Eine Folie für den Overheadprojektor muss man in den meisten Fällen komplett neu machen, was wieder Material kostet.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Wenn man Schule als Vorbereitung auf Studium oder Ausbildung sieht ist Digitalisierung natürlich extrem wichtig, weil man damit nach der Schule doch auch überall und immer mehr konfrontiert wird.

Beispiel Lernplattformen. Fast jede Uni hat heute etwas vergleichbares. Wenn ich schon in der Schule gelernt habe mit digitalen Lerninhalten umzugehen fällt mit der Übergang ins Studium leichter.

Ich verstehe deine Kritik aber schon, weil ich auch den Eindruck habe, dass da gerade viel Aktionismus stattfindet. Sprich, der Beamer wird gekauft und dann überlegt man sich, was man damit anfangen kann. Dabei sollte man sich doch zuerst überlegen, was man eigentlich machen will und dann schauen, welche Gerätschaften man dafür benötigt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, wo der Overhead-Projektor der Inbegriff der Technik war, dann denke ich, dass die Schulen heute schon weiter sind. Doch gleichzeitig muss man sagen, dass dies nur aus einem älteren Blickwinkel so gesehen werden kann, denn wir hängen im Vergleich zu anderen Ländern derart hinterher, was sich in Zeiten von Corona massiv zu rechen scheint.

Es ist ja eigentlich auch kein Geheimnis, dass in den Schulen vermehrt keine Technik richtig zum Einsatz kommen kann, weil sie erst gar nicht vorhanden ist. Die Endgeräte fehlen oder sind teilweise veraltet. Dann besitzt auch nicht jedes Kind die Gelegenheit, sich an den technischen Endgeräten zu beteiligen, sodass auch daheim es an einigen Enden fehlt.

Home-Schooling ist aktuell ja das Thema der Zeit. Während es Universitäten sehr wohl mühelos hinkriegen, kriegen es andere Schulen nicht im geringsten hin. Das Grundschüler hier vielleicht außen vor zu lassen sind, ist Okay. Doch Schulen ab der 5. Klasse sowie Abendgymnasien, dafür muss man sich geradezu schämen.

Denn hier befinden sich Schüler, die durchaus allein von zu Hause aus lernen könnten und würden, wenn die Endgeräte da sind. Ich habe ja einige Bekannte, die aktuell auf Abendgymnasien und einem Ruhrkolleg gehen, aber die technische Ausstattung ist selbst dort mangelhaft. Und das teilweise unter Schülern, die auch 40 sowie 50 Jahre sind, die einfach für sich das Abi nachholen wollen, sich mal wieder mehr mit der neuen Bildung beschäftigen etc.

Das finde ich per se erst einmal traurig. Eine Bekannte berichtete mir, dass in ihrer Schule 14 Computer stehen, die von all jenen genutzt werden können, die keine Endgeräte für das Digitallernen daheim besitzen. Mehr als 30 Erwachsene würden es aber schon benötigen!

Wie ist es dann wohl mit Schülern, wenn die Schulen nicht die Endgeräte haben, um sie auszuleihen usw.? Dann aber gleichzeitig auch nicht die Technik haben, um sie überhaupt anwenden zu können? Schon etwas schwierig.

Digitalisierung ist ein Muss. Es dient auch im Notfall, vereinfacht vielerlei die Kommunikation und fördert auch bei vielen neue Berufschancen. Hinten anstehen hat mit Corona gezeigt, dass Lücken entstehen und diese kann man jetzt auch nicht mehr füllen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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