Ist die Hauptschule noch etwas Wert?

vom 09.08.2020, 23:12 Uhr

Immer weniger Menschen gehen zur Hauptschule. Die Hauptschule ist gerade bei den Eltern unbeliebt und auch bei den Schülern ist der Hauptschulabschluss nicht sonderlich beliebt. Immer mehr Betriebe verlangen für eine Berufsausbildung mindestens den Realschulabschluss und dies sorgt bei den Hauptschülern für massive Probleme.

Mehr als 50 Prozent der Schüler machen mittlerweile ihr Abitur. Ich stelle mir nun da die Frage, ist der Hauptschulabschluss noch überhaupt etwas Wert? Was sagt ihr dazu? Meiner Meinung nach ist der Hauptschulabschluss kaum noch etwas Wert, da immer mehr Schüler ihr Abitur machen und der Hauptschulabschluss deutlich an Wert verloren hat.

» Amborosia001 » Beiträge: 81 » Talkpoints: 46,14 »



Du tust gerade so als ob jeder in der Lage wäre auch wirklich Abitur zu schaffen oder auch die Realschule. Nicht jeder Mensch kann das aber leisten und es ist ebenso wichtig, dass man auch Menschen eine Plattform bietet, die vielleicht nicht so lernstark sind oder die nicht ganz so clever sind. Intelligenz und Leistungsfähigkeit hat ja nicht nur etwas mit einem Willen zu tun, sondern auch mit dem, was man wirklich aufbringen kann und das ist nun mal nicht immer gegeben.

Hauptschule hat daher für mich schon einen Wert für die Menschen, die sonst in unserem System hinten herunter fallen würden, aber du hast natürlich recht, erreichen kann man damit nicht so viel. Allerdings hat man einen Abschluss und muss dann das Beste daraus machen. Man hat damit ja auch die Grundlage noch andere Abschlüsse nachholen, wenn man das schaffen kann.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ja, der Hauptschulabschluss ist noch etwas wert. Es gibt durchaus noch viele Berufe, für die ein Hauptschulabschluss reicht. Außerdem ist der Hauptschulabschluss eine Stufe im Leben, von der aus man weitergehen kann, wenn man denn unbedingt möchte. Unser Bildungssystem ist ja sehr durchlässig.

Aber auch als Handwerkerazubi mit Hauptschulabschluss hat man durchaus Karrierechancen. Man kann Geselle werden, bei viel Ehrgeiz auch Meister und dann einen eigenen Betrieb aufmachen. Handwerker werden immer gebraucht. Das Dachdecken oder die Fliesenarbeiten können nicht digitalisiert oder durch Roboter ersetzt werden, zumindest in den nächsten Jahren noch nicht.

Viel zu viele Leute wollen unbedingt Abitur machen und studieren und landen dann nach einem Germanistik- oder Politologiestudium in niemals endenden Praktika oder als Taxifahrer im Taxi.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich glaube, dass für viele Menschen schon die Hauptschule eine große Herausforderung darstellen kann. Nicht unbedingt, weil sie sich selbst entscheiden, diesen Bildungsweg einzuschlagen, sondern weil die Umstände einfach einiges abverlangen. Ich habe eine Freundin, die ursprünglich einen Hauptschulabschluss hatte und sich im Erwachsenenalter Schritt für Schritt zu einem Masterabschluss hingearbeitet hat. Das hätte sie allerdings in jungen Jahren niemals schaffen können, da ihr das soziale Umfeld dafür fehlte und damit einhergehend hatte sie auch enorm schlechte Noten und hätte sich selbst niemals mehr als das zugetraut. Für sie war der Hauptschulabschluss dennoch ein wahnsinnig wichtiger Meilenstein und eine Eintrittskarte für so gut wie alles weitere in ihrem Leben.

Darüber hinaus bin auch ebenfalls der Auffassung, dass der Abschluss dennoch eine Grundlage für einen guten Beruf sein kann. Man muss sich überlegen, dass man bei einem Hauptschulabschluss gerade einmal 15 Jahre alt ist. Mit 15 Jahren ist es sehr schwer zu beurteilen, wohin man überhaupt möchte. Hat man den Abschluss aber gar nicht, wird es einem deutlich schwerer gemacht und man hat so gut wie gar keine Chance auf eine Ausbildung. Immerhin kann man mit Hauptschulabschluss sogar in den Verkauf etc., wenn man zum Teil einen längeren Ausbildungsweg in Kauf nimmt. Und hier verdient man nicht immer unbedingt schlecht und man ist mit dem Hauptschulabschluss so auch nicht nur auf den Handwerksberuf festgenagelt.

Was die Chancen mit einem bestimmten Abschluss betrifft, kenne ich auch viele Leute bei denen es genau umgekehrt gelaufen ist. Ein Freund von mir hat Abitur gemacht, dann auch studiert, schon während dieser Zeit aber gemerkt, dass das absolut nichts für ihn ist. Nun arbeitet er selbstständig in seiner eigenen Tischlerei, was so gar nichts mit seinem ursprünglichen Verwaltungsstudium zu tun hat. Letztlich hätte er genau das gleiche auch mit einem Hauptschulabschluss machen können. Das zeigt, dass man sich viele Chancen eigentlich auch selbst schafft oder es auch manchmal diverse Umwege im Leben braucht, um zum richtigen Weg zu kommen. Das ist mit gerade einmal 15 Jahren wie gesagt schwer feststellbar. Vielleicht kommt auch deshalb die häufige Meinung, dass man sich zunächst mit einem höheren Abschluss "absichern" sollte.

» bambi7 » Beiträge: 1248 » Talkpoints: 16,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Für einige meiner Jugendlichen ist die Hauptschule gerade das geringste Problem, weil sie einfach zu Hause nicht in den geordneten Verhältnissen leben, die sie für den nötigen Rückhalt benötigen würden. Wenn dazu noch kommt, dass Mama teilweise völlig ungebildet ein Kind nach dem nächsten geworfen hat, der Papa nicht lesen/schreiben kann, weil er nur sehr unregelmäßig zur Schule ging und von Arbeit weil Vater Staat ja zahlt nie die Rede ist, dann fallen da schon viele unterstützende Säulen weg, wo wir mit Jugendhilfen & Co eingreifen müssen.

Ich sage das jetzt auch mal in aller ekelhaften Deutschlichkeit, denn ich habe normalerweise nur mit Drogensüchtigen, Prostituierten und Obdachlosen als Streetworkerin zusammengearbeitet. Durch Corona wurde mein Schwerpunkt natürlich auch mit Anfrage, ob ich das auch wirklich möchte, etwas angepasst, weil dort richtig Not am Mann war. Corona war eine Ausnahmesituation, aber ich muss viele alte Fälle derzeit neu aufrollen, weil einfach gefühlt 20-50 Familien auf eine Mitarbeiter/-in kommen.

Dabei stelle ich fest, dass den Kindern von Beginn an vermittelt wird, Hauptschule ist unnötig, Sonderschule heißt, man sei behindert und Abitur ist nur was für Schnösel. Wozu denn einen Abschluss, wenn man auf den Bau arbeiten kann, Schrotthändler & Co. Ich habe die letzten Wochen Berufswünsche gehört, da fiel ich teilweise vom Glauben ab. Vor allem dann, wenn Vater keine Ausbildung und nicht einmal den HA geschafft hat, aber dem Kind dann weiß machen will, dass Schrottfahrer ein super Verdienst sei, aber er selbst 30 Jahre arbeitslos ist und gerade mal 48 Jahre ist.

Nicht zuletzt sind auch mangelnde Deutschkenntnisse ein echtes Problem daheim geworden, sodass bei 30-60 Prozent Ausländeranteil in der Schule es schwerfällt, wenn die Eltern daheim einfach kein Wort Deutsch sprechen oder es gar nicht sprechen wollen. Viele dieser Menschen kommen aus Ländern, wo die Grundbedürfnisse an Bildung u.a auch dem weiblichen Geschlecht nicht zugetragen werden, aber auch wenn das Bildungsniveau nicht einmal im Ansatz dem westlichen Standard entspricht.

Das ist alles nicht böse gemeint, auch wenn es gerade eher aus der vielen Wut meiner Arbeit heraus, so klingt. Der Hauptschulabschluss ist aber für viele Kinder/Jugendliche aus vielen Gründen super schwierig zu erreichen. Andere sind vielleicht auch nur zu faul und andere bekommen eingebläut, dass er nichts wert ist.

Lüge ich mir nun in die Tasche, wenn ich sage, dass der Hauptschulabschluss noch einen echten Mehrwert bietet. Natürlich! Auch wenn dort steht, Mindestabschluss = Hauptschulabschluss, wird man deswegen noch lange nicht den besseren Job erhalten. Was sind das denn teilweise für Jobs? Maler & Lackierer, Gärtner, Maurer & Co. Alles auch oft Jobs, die kaum einer machen möchte, die nicht viel an Verdienst bieten und die früher oder später auf die Knochen gehen.

Die meisten meiner Jugendlichen reden davon, viel Geld zu verdienen, um nicht Hungern zu müssen, damit alle Geschwister und später Kinder genug auf dem Tisch haben. Damit sie nicht so enden wie ihre Eltern/Verwandten, aber nicht mit einem HA, es sei denn, man fängt mit dem an, sich langsam hoch zu arbeiten. Doch langsam und Geduld sind zwei weitere schwierige Faktoren.

Generell ist meine Meinung jedoch klar, bitte macht wenigstens irgendeinen Abschluss. Einer ist besser als keiner. Man kann damit später den Real nach machen, aber auch dann folgen und das Abitur nachmachen. Die Hauptsache ist, ihr habt da erst einmal gemacht, was man von Euch auch aus staatlicher Sicht verlangt, zur Schule zu gehen und irgendwie einen Abschluss erlangen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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