Würdet ihr euch schämen, wenn ihr zum Jobcenter müsst?

vom 14.08.2020, 18:52 Uhr

Im Jahre 2019 gab es 3.894.081 Arbeitslosengeld 2 Empfänger. Viele von denen mussten ihr Geld allerdings lediglich aufstocken. Ich habe vor kurzem einen Artikel im Spiegel gelesen, diese beriefen sich auf eine Studie und meinten, dass viele Menschen sich schämen Arbeitslosengeld 2 zu beantragen.

Ich kann verstehen, dass viele Menschen sich sich schämen Arbeitslosengeld 2 zu beantragen. Man hat nämlich beim Jobcenter bezüglich Einkommen und Vermögen keine Privatsphäre, es muss alles offengelegt werden.

Ich kann verstehen, dass sich dann viele Menschen sich nicht wohl fühlen und lieber auf die Arbeitslosengeld 2 Leistungen vom Jobcenter verzichten.

» Amborosia001 » Beiträge: 81 » Talkpoints: 46,14 »



Nein, ich würde mich nicht schämen bzw. habe ich mich nie geschämt. Ich habe ein minderjähriges Kind zu versorgen und schon allein deswegen habe ich bisher jede mögliche finanzielle Hilfe auch in Anspruch genommen wenn es nicht anders ging. Ich sehe auch gar keinen Grund darin mich schämen zu müssen.

Ich bin leider schon mehrmals für wenige Monate in diese Lage gekommen. Natürlich bin ich nicht stolz darauf und ich habe auch versucht diese Abhängigkeit vom Jobcenter so schnell wie möglich wieder loszuwerden, aber mir blieb finanziell gesehen überhaupt nichts anderes übrig in diesen Situationen. Da muss man meiner Meinung nach seinen stolz einfach mal zur Seite kehren - zumindest wenn man nicht nur für sich sondern auch für das Wohl von Kindern verantwortlich ist. Dafür gibt es in Deutschland ja ein solches Sozialsystem.

Schämen würde ich mich eigentlich nur, wenn ich mich auf den Sozialleistungen ausruhen würde und seelenruhig davon leben. Bei Menschen mit gesundheitlichen Gründen ist das ja noch nachvollziehbar, aber ich kenne auch genug Leute hier in meinem Wohnumfeld die sich darauf grundlos ausruhen.

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,00 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich war einmal im Leben beim Jobcenter, weil ich nach einer längeren Familienpause eine Fortbildung machen wollte, um wieder auf den neuesten Stand zu kommen. Ich habe auch sofort eine Fortbildung bekommen und sogar Geld dafür. Ich wusste gar nicht, dass ich nach der Familienpause ein Recht auf Arbeitslosengeld 1 hatte. Ist aber schon länger her. Vielleicht ist das mittlerweile anders.

Ist das Jobcenter nicht eigentlich eine Arbeitsvermittlung? Man geht dorthin, wenn man arbeitslos wird und Arbeitslosengeld beantragt, wenn man nicht sofort eine neue Arbeit findet. Oder verstehe ich da etwas falsch? Deswegen muss man sich doch nicht schämen. Für Arbeitslosengeld 1 hat man doch einbezahlt.

Eine andere Aufgabe des Jobcenters ist es, Hartz 4 zu bewilligen. Wenn ich keine Geldreserven hätte und alleinerziehend mit kleinen Kindern wäre, gäbe es keinen Grund, mich zu schämen. Alleinerziehenden mit Kindern würde ich eh mehr geben als Alleinstehenden. Auch Leute, die krank sind und nicht mehr arbeiten können, oder Leute, die zu wenig Rente haben, müssen sich deswegen nicht schämen. Leider gibt es alte Menschen, die ihr Recht nicht in Anspruch nehmen und Pfandflaschen sammeln, um zurecht zu kommen.

Nicht verstehen kann ich gesunde, alleinstehende, junge Menschen, die arbeiten könnten, wenn sie wollten, aber lieber von Hartz 4 leben. Das finde ich wirklich erbärmlich.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



blümchen hat geschrieben:Ist das Jobcenter nicht eigentlich eine Arbeitsvermittlung? Man geht dorthin, wenn man arbeitslos wird und Arbeitslosengeld beantragt, wenn man nicht sofort eine neue Arbeit findet. Oder verstehe ich da etwas falsch? Deswegen muss man sich doch nicht schämen. Für Arbeitslosengeld 1 hat man doch einbezahlt.

Da liegst du tatsächlich ein wenig falsch. Arbeitslosengeld I wird bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt während man Hartz IV beim Jobcenter beantragt. Wenn hier also die Frage nach dem Jobcenter ist, dann sollte man davon ausgehen, dass hier die Frage nach der Beantragung von Hartz IV-Leistungen gemeint ist.

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,00 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Man kann doch sicherlich ganz schnell mal in die Lage kommen dort hingehen zu müssen und wieso sollte das einem peinlich sein? Mir wäre es das nicht. Ich habe 2 Kinder und die wollen etwas zu sich nehmen und Kleidung tragen, Hobbys ausleben und so weiter. Mir wäre es egal, wenn ich sehr viel weniger Geld hätte, aber bei Kindern muss dann eben auch sofort eine Hilfe her. Daher würde ich das als Notsituation ansehen und mir Hilfe holen. Schämen muss man sich da nicht, da man ja bestrebt ist dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen, ist das anders kann man sich auch schämen.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


blümchen hat geschrieben:Ist das Jobcenter nicht eigentlich eine Arbeitsvermittlung? Man geht dorthin, wenn man arbeitslos wird und Arbeitslosengeld beantragt, wenn man nicht sofort eine neue Arbeit findet. Oder verstehe ich da etwas falsch? Deswegen muss man sich doch nicht schämen. Für Arbeitslosengeld 1 hat man doch einbezahlt.

Das Arbeitsamt, auch Arbeitsagentur oder Agentur für Arbeit genannt, verwaltet die Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung und wenn man arbeitslos wird, bekommt man 1 Jahr lang Arbeitslosengeld. Wenn man länger arbeitslos ist, wird das Jobcenter zuständig, das zahlt eventuell ALG II oder Hartz IV, aber nur, wenn man bedürftig ist.

Nicht verstehen kann ich gesunde, alleinstehende, junge Menschen, die arbeiten könnten, wenn sie wollten, aber lieber von Hartz 4 leben. Das finde ich wirklich erbärmlich.

Na ja, wenn die ansonsten nur an total blöde Jobs kämen, die sie nicht machen wollen?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Nicht verstehen kann ich gesunde, alleinstehende, junge Menschen, die arbeiten könnten, wenn sie wollten, aber lieber von Hartz 4 leben. Das finde ich wirklich erbärmlich.

Na ja, wenn die ansonsten nur an total blöde Jobs kämen, die sie nicht machen wollen?

Meinst du das wirklich ernst? Natürlich steht es einem arbeitssuchenden Menschen auch mal zu einen Job abzulehnen der einem nicht zusagt bzw. den man sich überhaupt nicht vorstellen kann. Ich zum Beispiel würde jetzt nicht in einem Fleischerbetrieb arbeiten wollen.

Ich hoffe doch sehr, dass du damit nicht eine generelle Grundhaltung a la "Die Jobs die ich bekäme sind doof, drum leb ich lieber von Hartz IV" meinst. Wenn man nun mal keinen Job als Chefsekretärin findet dann muss man sich halt vielleicht früher oder später auch mal mit einem Job als Empfangsdame, oder blöd gesagt, auch an einer Supermarktkasse zufrieden geben. Während man dann dort arbeitet kann man sich ja dann immer noch auf die Suche nach seinem Traumjob machen. Hätte ich diese Grundeinstellung an den Tag gelegt dann wäre ich jetzt vermutlich immer noch arbeitssuchend. So eine Einstellung finde ich tatsächlich zum schämen.

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,00 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



EngelmitHerz hat geschrieben:Ich hoffe doch sehr, dass du damit nicht eine generelle Grundhaltung a la "Die Jobs die ich bekäme sind doof, drum leb ich lieber von Hartz IV" meinst. Wenn man nun mal keinen Job als Chefsekretärin findet dann muss man sich halt vielleicht früher oder später auch mal mit einem Job als Empfangsdame, oder blöd gesagt, auch an einer Supermarktkasse zufrieden geben. Während man dann dort arbeitet kann man sich ja dann immer noch auf die Suche nach seinem Traumjob machen. Hätte ich diese Grundeinstellung an den Tag gelegt dann wäre ich jetzt vermutlich immer noch arbeitssuchend. So eine Einstellung finde ich tatsächlich zum schämen.

Also ich beziehe das nicht auf mich, denn ich habe eine sehr hohe universitäre Ausbildung und bin selbstständig. Ich kann mir aus dem beruflichen Tätigkeitsspektrum die Rosinen herauspicken und das mache ich auch. Ich muss nichts machen, was mir total widerstrebt. Aber ich kenne auch Menschen, die von ALG II leben und das sind oft Leute ohne Ausbildung und mit nur sehr geringen Qualifikationen. Das trifft nicht auf alle zu, aber schon ein erheblicher Teil. Es hat entgegen dem moralischen Ideal, das jeder alles schaffen kann, manch einer eben nicht das Potenzial, eine Ausbildung zu schaffen, auch nicht mit Unterstützungsmaßnahmen und bei manchen ist auch einfach der Zug abgefahren.

Solchen gering Qualifizierten steht aber nur wenig zur Auswahl. Ich weiß ja, was die Leute aus meinem Bekanntenkreis, die von ALG II leben, manchmal so für Jobs hatten. Hier und da mal eine Maßnahme, bei der sie als 1-Euro-Jobber den Park sauber machen mussten, Putzen gehen, Hilfsaufgaben in körperlich schwer anstregenden Tätigkeitsbereichen usw. Das wöllte ich nicht machen und ich kann es verstehen, wenn das andere auch nicht wollen.

Ich habe den Vorteil, dass mir solche Tätigkeiten nicht "drohen". Aber wenn ich jemand ohne Ausbildung wäre und nicht die Fähigkeiten dazu hätte, was aus mir zu machen, sondern tatsächlich nur solche Jobs zur Wahl ständen, würde ich es nicht machen wollen und lieber von Hartz leben. Und nein, das fände ich nicht zum schämen, weil ich meine Lebenszeit nicht mit so widerlichen Aufgaben verbringen wöllte.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Zitronengras hat geschrieben:Ich habe den Vorteil, dass mir solche Tätigkeiten nicht "drohen". Aber wenn ich jemand ohne Ausbildung wäre und nicht die Fähigkeiten dazu hätte, was aus mir zu machen, sondern tatsächlich nur solche Jobs zur Wahl ständen, würde ich es nicht machen wollen und lieber von Hartz leben. Und nein, das fände ich nicht zum schämen, weil ich meine Lebenszeit nicht mit so widerlichen Aufgaben verbringen wöllte.

Ich habe ehrlich gesagt jetzt eine Weile überlegt ob ich mich dazu noch einmal äußern soll, weil ich mich nicht ausfallend oder beleidigend äußern möchte. Aber so ganz unkommentiert möchte ich deinen Beitrag jetzt doch nicht so stehen lassen.

Zunächst einmal möchte ich voraus schicken, dass ich völlig verstehen kann wenn ein körperlich beeinträchtigter Mensch keine körperlich anstrengenden Jobs machen kann und will. Außerdem muss man zum Beispiel eben auch keinen Vegetarier zwingen auf einem Schlachthof zu arbeiten. Das sind so Fälle in denen ich auch verstehen kann wenn man den Job nicht annimmt und zu Hause bleibt.

Aber dein Kommentar dass du dir zu schade für "widerliche Jobs" bist, bzw. das auch im Falle von anderen verstehen kannst stößt mir wirklich sauer auf. Ein junger körperlich fitter Mensch soll sich also in aller Ruhe ausruhen und auf Kosten des Staates leben anstatt mal 3-4 Stunden am Tag ein bisschen Müll in der Stadt zu sammeln? Wer soll deiner Meinung nach denn diese "widerlichen" Jobs dann machen? In Fitnessstudios können die jungen Menschen doch auch rennen und sich körperlich Verausgaben, was spricht dagegen sich auch beruflich körperlich ein wenig ins Zeug zu legen? 1-Euro-Jobs sind oft nicht auf 40 Stunden pro Woche ausgelegt und wie der Name schon sagt bekommt man zusätzlich zum Grundstock HartzIV ja noch ein bisschen Taschengeld drauf.

Ich bin zum Beispiel mal für 40 Stunden arbeiten gegangen und lag trotzdem mit meinem Gehalt gerade mal 80 Euro über dem Regelsatz von Hartz IV. Die Arbeit selbst hat mich überhaupt nicht gefordert oder ausgelastet. Meine Aufgabe war es 40 Stunden die Woche Unterlagen in einen Scanner zu schieben, zu überprüfen ob alle Seiten leserlich und ordentlich gescannt sind und dies dann abzuspeichern. Ich bin gelernte Steuerfachangestellte. Im Endeffekt hätte ich mich quasi für 50 Euro weniger faul auf die Haut legen können, aber wieso sollte ich das tun? Im Prinzip hätte ich mich zum Beispiel auch eine Supermarktkasse gesetzt und Regale eingeräumt wenn ich diesen Job nicht gefunden hätte.

Wie ich bereits schon einmal geschrieben habe: Was spricht dagegen einen solchen Job erst einmal anzunehmen und dann parallel nach einem besseren Arbeitsplatz zu suchen? Bricht man sich dabei wirklich einen Zacken aus der Krone wenn man mal ein paar Monate einen Job macht welcher nicht seinen Ansprüchen genügt, welcher unter der eigenen "Würde" liegt. Mit dieser Einstellung würde ich mich tatsächlich schämen "Kunde" beim Jobcenter zu sein.

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,00 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


EngelmitHerz hat geschrieben:Aber dein Kommentar dass du dir zu schade für "widerliche Jobs" bist, bzw. das auch im Falle von anderen verstehen kannst stößt mir wirklich sauer auf. Ein junger körperlich fitter Mensch soll sich also in aller Ruhe ausruhen und auf Kosten des Staates leben anstatt mal 3-4 Stunden am Tag ein bisschen Müll in der Stadt zu sammeln? Wer soll deiner Meinung nach denn diese "widerlichen" Jobs dann machen? In Fitnessstudios können die jungen Menschen doch auch rennen und sich körperlich Verausgaben, was spricht dagegen sich auch beruflich körperlich ein wenig ins Zeug zu legen? 1-Euro-Jobs sind oft nicht auf 40 Stunden pro Woche ausgelegt und wie der Name schon sagt bekommt man zusätzlich zum Grundstock HartzIV ja noch ein bisschen Taschengeld drauf.

Ich frage mich, warum dich das aufregt, in welcher Weise betrifft dich das denn? Es gehen sicherlich nicht alle jungen Menschen in Fitnessstudios und selbst wenn, hat das doch nichts mit der Tätigkeit zu tun. Beim Sport kannst du aufhören, wenn es dir zu anstregend wird, das geht beim Job nicht so einfach.

Wer Aufgaben wie Müll einsammeln macht, ist mir im Prinzip egal, aber ich würde es nicht machen und ich habe Verständnis dafür, dass es andere auch nicht wollen. Warum sollte ich auch sowas machen wollen? Wenn du in einem Job arbeiten gegangen bist, der dir nicht gefallen hat, dann ist das doch deine Entscheidung. Unterlagen einscannen ist ja auch nicht so schlimm.

Wie ich bereits schon einmal geschrieben habe: Was spricht dagegen einen solchen Job erst einmal anzunehmen und dann parallel nach einem besseren Arbeitsplatz zu suchen?

Vielleicht hast du mich falsch verstanden; es ging um ALG-II-Empfänger, die eben nichts Besseres bekommen. Es geht nicht um Leute, die nur mal eine kurze Zeit überbrücken müssen, sondern um Menschen, die nicht das Potenzial haben, etwas Besseres zu finden.

Zudem hast du doch keinen Nachteil davon, wenn jemand nicht arbeiten geht. Lässt du dich wirklich von dieser Gesellschaft so indoktrinieren, dass du denkst, man muss unbedingt arbeiten gehen und wer das nicht will soll sich schämen? Ja, die bekommen dann Steuergelder, aber deine Steuergelder sind eh weg. Die bekommen wir nicht mehr wieder, auch wenn es weniger Arbeitslose gäbe.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^