Selbst als Erwachsene noch neidisch auf Geschwister sein

Ich muss zugeben, dass ich in jedem Lebensalter neidisch auf meine etwas jüngere Schwester war, selbst jetzt im Erwachsenenalter noch. Sie war immer etwas besser als ich. In der Schule schrieb sie bessere Noten, sie war selbstbewusster als ich, hatte mehr Freundinnen und sah als Teenager viel besser aus, sodass die Jungen sich zuerst an sie ranmachten und ich dann oft zweite Wahl war, obwohl ich auch nicht gerade hässlich war.

Ich habe lange auf mein erstes Kind warten müssen, weil es einfach nicht klappte, während sie schon ihr zweites bekam und zurzeit bringt sie Job und Kinder besser zusammen als ich. Ich mag meine Schwester natürlich und war auch immer ein bisschen stolz auf sie, sodass sie meine Neidgefühle wahrscheinlich nie mitbekommen hat.

Geht es euch auch so, dass ihr selbst als Erwachsene neidisch auf einen Geschwisterteil seid? Kämpft ihr dagegen an? Sprecht ihr darüber? Oder ist es vielleicht umgekehrt, dass ihr Neidgefühle weckt?

Ich finde Neid entsteht immer dann wenn man selbst mit sich und seinem Lebensstil nicht zufrieden ist. Es ist zwischen mir und meinem Bruder eigentlich nie großer Neid entstanden, zumindest nicht ab dem Jugendalter. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich einen Bruder und keine Schwester habe und ich mich deshalb in bestimmten Bereichen wer ist hübscher, wer hat den ersten Freund / das erste Kind, nie vergleichen musste bzw. wollte. Außerdem haben meine Eltern auch immer darauf geachtet, dass wir ziemlich gleich behandelt wurden und Freundschaften bzw. Erfolge mussten wir auch nie gegeneinander aufwiegen, da es sich so ziemlich die Waage gehalten hat.

Natürlich könnte ich in Gewissen Bereichen auch heute noch Vergleiche anstellen und Neid entwickeln, aber ich bin zufrieden mit meinem Leben und freue mich mit ihm, dass es bei ihm halt noch ein Stückchen besser läuft. Im Gegensatz zu mir hat er zum Beispiel sein Studium beendet und hat deswegen jetzt auch einen deutlich besser bezahlten Job. Außerdem ist auch seine Frau beruflich erfolgreich während mein Partner aufgrund einer Muskelerkrankung schon Erwerbsunfähigkeitsrente bekommt.

Im Gegensatz zu mir hat er deswegen jetzt auch ein Haus bauen können und fährt deutlich öfter in den Urlaub. Aber ich fühle mich auch in unserer Wohnung wohl und genieße unsere wenigen Urlaube deswegen noch intensiver. Kindermäßig gibt es bei uns kein Neidpotenzial da wir beide ein Kind haben und ich denke er war auch nicht neidisch dass ich schon mit 21 Mutter wurde während er bis 29 Jahre gewartet hat.

Neid empfinde ich nicht und ich finde das auch nicht richtig. Mein einer Bruder, der kann wahnsinnig gut reden und hat sich daher einiges durch diese Eigenschaft erarbeiten können. Mein anderer Bruder ist unglaublich gut gebildet und hat alle Stufen seiner Laufbahn sehr gut genommen ohne Probleme zu haben. Deswegen ist er aber auch nicht abgehoben, er ist ein sehr natürlicher und angenehmer Mensch. Ich sehe ihn eher als Vorbild in seiner Art und Weise mit seinen Kindern umzugehen und schaue mir eher Sachen ab anstatt ihn zu beneiden, jeder führt ja auch sein Leben.

Ich denke man muss sich auch gegenseitig etwas gönnen im Leben und das zeigt dann auch wahre Liebe aus. Ich könnte natürlich neidisch sein, dass mein Bruder es so viel einfacher in Mathe hatte als ich, weil ihm diese ganze Sache viel leichter fiel als mir, aber letztendlich kann man sich das alles beibringen und ich bin eher stolz auf seine Leistungen und dass er so viel im Leben erreicht hat. Ich bin kein Mensch, der neidisch ist. Man kann alles erreichen, wenn man sich nur genügend ins Zeug legt und nur weil der eine Mensch mehr zu tun hat und der andere Mensch es leichter hat, muss man nicht neidisch sein.

Völlig frei von Neid kann man glaube ich nicht sein, denn selbst wenn man im Allgemeinen zufrieden mit seinem Leben ist, kann man auch schlechte Phasen haben oder es läuft einfach mal nicht so rund. Da können solche Gefühle durchaus vorkommen und ein bisschen Neid halte ich auch nicht für krank, verwerflich oder moralisch falsch, sondern irgendwie schon ein wenig nachvollziehbar.

Ich kann mir schon vorstellen, dass Erwachsene noch neidisch auf ihre Geschwister sein können, manche Dinge ändern sich nie und eventuell entsteht Neid auch einfach durch die Eltern, da ein Kind eventuell bevorzugt wurde.

Ich freue mich eher, dass meine beiden jüngeren Schwestern allem Anschein nach einen guten Kurs in ihrem Leben eingeschlagen haben und mit ihrem Leben halbwegs zufrieden sind. Die eine ist den klassisch-bürgerlichen Weg mit Eigenheim, Ehemann und Kinderchen gegangen, die andere macht ihr eigenes Ding, und ich eiere so mittendrin herum. Finanziell gesehen ist es ein offenes Geheimnis, dass ich die Rolle der "armen Verwandtschaft" übernommen habe, und hin und wieder frage ich mich schon, wieso die geschäftstüchtigen Gene so völlig an mir vorbeigegangen sind.

Aber im Großen und Ganzen war ich zwar als Kind und Jugendliche manchmal neidisch auf meine Geschwister, was auch an der stümperhaften Pädagogik meiner Eltern lag, die nie kapiert haben, wieso es einer Zwölfjährigen etwas bedeutet, wer was wann darf und wer "angefangen" hat. Aber wir sind untereinander derart verschieden, dass Neid im Erwachsenenalter nicht mehr angebracht erscheint.

Ich habe einen jüngeren Bruder und bin nicht neidisch auf ihn. Als Kind war ich natürlich manchmal eifersüchtig, wenn ich der Meinung war, dass er mehr Aufmerksamkeit bekam oder das Thema kennen vermutlich alle älteren Geschwister, weil er einige Dinge deutlich vor mir machen durfte, während ich sehr lange für gewissen Privilegien kämpfen musste.

Aber spätestens, seit ich im Jugendalter war, hat sich auch diese Eifersucht gelegt. Mein Bruder war stets ein Problemkind. Er hat schlechte Noten geschrieben, während ich stets mit guten Noten nach Hause gekommen bin. Er hat einen Verweis nach dem anderen kassiert, weil er die Lehrer provoziert hat. Er hat sein Geld ständig verprasst, während ich schon immer sehr sparsam war und mir so auch mal größere Wünsche erfüllen konnte.

Inzwischen habe ich erfolgreich ein duales Studium beendet und habe einen sehr gut bezahlten Job, während mein Bruder die Schule kurz vor dem Abitur abgebrochen hat, vor einigen Monaten seine zweite Ausbildung angefangen hat, die aktuell aufgrund von Corona pausiert. Da der Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hat, weiß niemand, wie es weiter gehen wird bei ihm.

Er hat mir erzählt, dass er doch hin und wieder neidisch auf mich ist, einfach weil ich durch Fleiß und Anstrengungen vieles erreicht habe, wovon er nur träumen kann. Vor allem auf mein Gehalt und das Geld, welches ich gespart habe, ist er neidisch. Er hat kaum Ausgaben, da er noch bei unseren Eltern wohnt und gibt sein ganzes Geld für Klamotten oder technische Spielereien aus, ohne auch nur einen Cent zu sparen. So kann er sich den Wunsch einer größeren Reise nicht erfüllen, während ich mir das ohne Probleme leisten kann.

Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Neid auf seiner Seite verschwindet, wenn er wenigstens einmal eine abgeschlossene Ausbildung hat, und dann etwas mehr verdient, sodass er auch anfangen kann, etwas zu sparen.