Wie sehr überwacht ihr euren Körper selbst medizinisch?

Eine Kollegin von mir hat mir jetzt in einem Gespräch bezüglich des Corona-Virus erzählt, dass sie sowieso ihren Körper auf verschiedenste Art und Weise selbst "überwacht". Sie habe in ihrer Verwandschaft und im Bekanntenkreis schon einige Fälle erlebt, bei denen eine frühere Diagnose eine schlimmere Krankheit verhindert oder sogar Leben gerettet hätte.

Sie ist eigentlich fit und gesund und führt trotzdem ein medizinisches Tagebuch über sich selbst. Zum einen stellt sie sich jeden Morgen auf die Waage, misst ihren Blutzucker, Temperatur und ihren Blutdruck. Zucker und Blutdruck misst sie auch abends nochmal. Außerdem hat sie Teststreifen für den Urin zu Hause. Wie oft sie diese nutzt weiß ich allerdings nicht. An Tagen in denen sie sich besonders schlapp fühlt, notiert sie das extra.Erhoffen tut sie sich von dieser Dokumentation, dass ihr gleich auffällt, wenn sich ihre Werte entscheidend verändern.

Was haltet ihr davon wenn eine vermeintlich gesunde Person ihren Körper so "überwacht" und dokumentiert? Ist das schon ein krankhaftes Verhalten oder haltet ihr das medizinische Tagebuch durchaus für sinnvoll?

Ich halte eine gewisse Selbstüberwachung dann für sinnvoll, wenn es eine medizinische Indikation gibt oder wenn akute Symptome einer möglichen Erkrankung vorliegen. Beispielsweise kann ein selbstgeführtes Blutdrucktagebuch bei Hypertonikern für den behandelnden Arzt eine wertvolle Grundlage für die Entscheidung für oder gegen eine medikamentöse Therapie und ein Mittel zur Anpassung der Dosierung sein. Auch macht es Sinn, sich bei ausgeprägtem Krankheitsgefühl selber Fieber zu messen, um zu entscheiden, wann man eine antipyretische Bedarfsmedikation einnimmt oder gegebenenfalls doch zum Arzt geht.

Völlig ohne Anhaltspunkte finde ich es aber etwas übertrieben, so engmaschige Gewichts- und Vitalparameterkontrollen sowie Zusatzuntersuchungen wie eine Blutzuckermessung oder Urintestung durchzuführen. Es reicht allemal, sich einmal pro Woche zu wiegen und zu messen, wenn man denn darauf besteht - anders handhabt man es in Einrichtungen des Gesundheitssystems bei körperlich Gesunden auch nicht. Auch fehlt ja irgendwo die Konsequenz aus der Untersuchung. Wenn die Dame, von der im Eingangspost die Rede ist, keine Grunderkrankung hat, dann wird sie wohl kaum Insulin spritzen oder ein Antibiotikum einwerfen, wenn das Messergebnis einen abweichenden Wert zeigt. Wenn es ihr um die Bestätigung ihrer Gesundheit geht, dann finde ich es schon auffällig und etwas pathologisch, dass sie dafür die Rückversicherung dieser Art braucht.

Ich frage mich schon, was das bringen soll. Klar ist es nicht schlecht wenn man sein Gewicht im Blick hat und hin und wieder den Blutdruck kontrolliert oder bei Krankheitsgefühl mal die Temperatur misst.

Aber warum sollte ich zum Beispiel ständig meinen Blutzucker messen wenn meine Werte völlig normal sind und wenn es keinen Grund gibt der nahe legt, dass sich das in naher Zukunft ändern könnte? Und wenn es einen Grund gibt, sollte man dann nicht an dem Grund arbeiten? Sprich, Ernährung umstellen und Gewicht reduzieren?

Ich weiß nicht ob ich das unbedingt als krankhaft bezeichnen würde, aber bei Menschen, die sich so oder so ähnlich verhalten, habe ich oft den Eindruck, dass sie schon ein gesteigertes Bedürfnis nach Kontrolle und eine Angst vor Kontrollverlust haben.

EngelmitHerz hat geschrieben:Zum einen stellt sie sich jeden Morgen auf die Waage, misst ihren Blutzucker, Temperatur und ihren Blutdruck. Zucker und Blutdruck misst sie auch abends nochmal.

Jeder so, wie er lustig ist. Ich selber bin ein klassischer "eingebildeter Kranker". Wenn ich generell gestresst bin, wittere ich bei jeder Lebensäußerung gleich das schlimmste Unheil. Schließlich kennt jeder die Geschichten von Leuten, die angeblich mit bisschen Schwindel zum Arzt gegangen sind, und zack! Inoperabler Hirntumor.

Und wenn ich ein Blutdruckmessgerät nur sehe, schlägt mir das Herz schon bis zum Hals, sodass ich mir das Messen eigentlich sparen kann. Dazu kommen in meinem Fall noch eine launische Schilddrüse, die ebenfalls 50 Symptome von Kurzatmigkeit über Haarausfall bis hin zu Augenringen verursachen kann und der ganz normale Zyklus, der mir auch eine Woche im Monat versaut.

Wenn ich da das Überwachen anfangen würde, würde ich mich selber derart hysterisch machen, dass der pure Stress schon alle möglichen Krankheitsanzeichen verursacht. Deshalb achte ich zwar auf mein Gewicht und gehe halbwegs regelmäßig zur Blutuntersuchung, aber davon abgesehen geht es mir körperlich wie psychisch besser, solange ich mich zum Großteil darauf verlasse, dass mein Körper nicht akut am Abkacken ist.