Taumelt Deutschland in eine neue Dimension der Altersarmut?

vom 12.09.2019, 17:02 Uhr

Laut aktuellen Umfragen haben derzeit zwei Drittel aller Deutschen, die Angst ihr Altersdasein mal in Armut verbringen zu müssen. Wenn man den Experten Glauben schenkt, dann ist diese Sorge auch berechtigt, denn die gehen davon aus, dass in etwa 20 Jahren jeder fünfte Rentner sein Dasein in Altersarmut verbringen wird. Haltet ihr diese Prognosen für Schwarzmalerei und vielleicht für etwas übertrieben oder für realistisch?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Und wie genau kommt deine Umfrage zu dieser Aussage? Wurde da zum Beispiel mit berücksichtigt, dass viele Menschen heute gar keinen Job mehr haben, der eine Rente mit 67 Jahren zwingend erforderlich macht? Vielleicht haben diese Menschen ja gar keine Lust zwei Jahrzehnte mit Nichtstun zu verbringen, sondern möchten einfach nur ihre Arbeitsstunden reduzieren? Oder was ist mit Erbschaften? Es werden schließlich jedes Jahr Milliarden vererbt.

Ich denke, dass solche Prognosen von den traditionellen Arbeitsmodellen ausgehen, die aber auf immer weniger Menschen zutreffen. Aber es kann natürlich gut sein, dass in Zukunft mehr Menschen weniger Geld zur Verfügung haben werden, wenn sie im Rentenalter sind. Es ist ja aktuell kaum möglich ohne Risiko Geld anzusparen und dabei keinen Verlust zu machen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Deutschland "taumelt" nirgendwohin, sondern marschiert sehenden Auges in die Altersarmut für etliche RentnerInnen. Natürlich kann keiner wissen, welche Krisen, Kriege und Katastrophen in ein paar Jahrzehnten die Gesellschaft prägen werden, aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass die überwältigendeMehrheit der altersbedingt nicht mehr arbeitsfähigen Menschen sich entspannt zurücklehnen kann wie es jetzt beispielsweise mein Vater tut.

Der hatte zeitlebens einen einfachen Arbeiterjob und seine Rente reicht dicke. Und es gibt auch heute noch reichlich Jobs, die man eben nicht aus Spaß an der Freude bis zum Alter von 75 oder 80 machen kann, weil man sich schon mit 55 bucklig geschuftet hat. Es ist nicht so, dass heute jeder mit Briefmarkenstemmen sein Geld verdient. Man schaue sich nur den riesigen Niedriglohnsektor an - da sehe ich kaum wohlhabende Rentner für die Zukunft voraus.

Dazu kommt noch die Teilzeitfalle, die dafür sorgt, dass vor allem Frauen von Altersarmut betroffen sind. Noch ist es der Gesellschaft nämlich herzlich egal, warum jemand nicht in die Rentenkasse einzahlen konnte, etwa weil Kinder zu erziehen waren oder Familienangehörige zu pflegen. Männer bringen da traditionell erst mal ihr eigenes Schäfchen ins Trockene. Auch hier sehe ich in absehbarer Zeit keine Veränderung. Woher soll dann das Geld für üppige Renten für alle kommen?

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Kindererziehungszeiten und auch die Pflege von Angehörigen werden ja mittlerweile bei der Rente anerkannt. Für die Kinder gibt es automatisch Rentenpunkte. Bei der Pflege halt nur, wenn es auch über die Pflegekasse läuft. Aber ich hatte eine ähnliche Diskussion erst heute mit meiner Mutter. Sie meint auch, dass bald einige Menschen überlegen müssen, ob sie sich abends zwei Scheiben Wurst leisten können zu essen.

Sicherlich mag es manche Menschen hart treffen, aber ich bin auch der Meinung, dass in vielen Dingen gerade Lebensmittel nicht zu ihrem wahren Wert verkauft werden. Das ist aber, aus meiner Sicht, vor allem einer Discounterkette zu verdanken, welche über Jahre nur per Druck die Erzeuger dahin gebracht haben, dass die gerade mal PlusMinus null am Ende haben. Jetzt waren sie die ersten, die offen Preiserhöhungen angekündigt und auch umgesetzt haben.

Und wir haben sicherlich auch das Problem, dass vor allem in den alten Bundesländern viele Frauen keine Vollzeitstelle hatten, wenn sie überhaupt gearbeitet haben. Das fällt ihnen eben auch die Füße. Den Unterschied sieht man ganz deutlich zu den Renterinnen bei uns im Osten, die trotz einem Stall voller Kinder zum Teil sogar Schichten gearbeitet haben. Die haben dadurch auch richtig gute Renten und müssen nicht überlegen, ob es beim Metzger auch etwas mehr sein darf.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Punktedieb und was nützt das alles? Eine Bekannte pflegt ihren Angehörigen in Pflegegrad 3. Der Pflegebedarf liegt bei acht Stunden pro Tag und der Beitrag, der für sie in die Rentenversicherung eingezahlt wird, entspricht ungefähr einem Monatslohn von 1.000 Euro. Davon bekommt sie keine Rente über Grundsicherung. Mit Kindern wird es auch übel.

Und es gibt Millionen Menschen, die voll arbeiten, da muss man nicht auf der westdeutschen Hausfrau rumhacken, und trotzdem niemals über das Niveau der Grundsicherung hinauskommen. Und das trifft sowohl auf Menschen zu, die früher gearbeitet haben, als auch auf solche, die heute arbeiten. Du musst nun einmal in einem Vollzeitjob über 12 Euro pro Stunde verdienen, damit die Rente nach 45 Jahren mehr einbringt als die Grundsicherung.

So, damit du das Leben im Westen verstehst: Frauen haben hier deutlich weniger verdient als Männer. Leicht nachprüfbar sind z. B. die Heinze -Frauen. Die arbeiteten Ende der 1970er in einem Fotolabor und erhielten sechs Mark die Stunde. Das entspricht etwa sieben Euro heute und brachte keine ausreichende Rente. Das ist genauso übel wie sieben Euro heute. Die meisten Frauen bekamen keine Zuschläge, im Schnitt waren es nur 19 Pfennig.

Und das wussten die Betreiber auch. Denn als für die neu eingeführte Nachtschicht Männer eingestellt worden sind, bekamen die sechs Mark pro Stunde plus 1,50 Mark plus Nachtzulage. Denn, so der Betreiber, würde man für sechs Mark die Stunde keine Männer finden, die den Job machen. Der normale Stundenlohn funktionierte nämlich nur, wenn man einen "Ernährer" zu Hause hatte. Davon konnte man kaum allein überleben.

Um es mal für die aktuellen Arbeitnehmer aufzudröseln: 2017 haben 11 Millionen Menschen für weniger als 12 Euro pro Stunde gearbeitet. Das heißt, etwa ein Viertel aller Arbeitnehmer erreicht keine Rente über der Grundsicherung. Und viele davon haben auch kaum Möglichkeiten, etwas daran zu ändern. In meiner Stadt fehlen Kindergartenplätze, Schüler bleiben mangels Kapazität unbeschult. Die Mitarbeiter in den Einrichtungen werden der Aufsichtspflicht nicht gerecht und können die Sicherheit der Kinder nicht gewährleisten. Würde ich einen Platz benötigen, wäre fast 700 Euro pro Monat ärmer. Dazu liegt die Arbeitslosenquote bei über 12 Prozent.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


cooper75 dann erkläre mir mal bitte wie Menschen, die seit 30 Jahren nur vom Staat gelebt haben als Rentner schon mehr als 800 Euro bekommen? Wohl gemerkt ohne dabei 45 Jahre täglich arbeiten zu gehen. Sorry, wenn du den Vergleich zu den Frauen in den Altbundesländern als rumhacken ansiehst. Aber es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass davon viele, die heute Rentner sind, nicht voll gearbeitet haben. Da muss ich nicht rumjammern. Jeder ist seines Glückes Schmied.

Wer zu wenig verdient muss halt schauen, ob es Arbeitsstellen mit höherem Verdienst gibt oder ob man sich qualifizieren kann. Das steht doch jedem Arbeitnehmer offen. Aber hinsetzen und auf den geringen Verdienst gucken und Gott und der Welt die Schuld daran geben, scheint einfacher als seinen Hintern zu bewegen.

Und was Kindererziehungszeiten bei der Rente bedeuten, ist nicht gerade wenig. Als meine Kinder zur Welt kamen, gab es 2 Jahres Erziehungsgeld vom Bund und 6 Monate vom Land und für diese Zeit sind mir Rentenpunkte pro Kind gutgeschrieben worden, welche einen Bruttoverdienst von 2.500 Euro im Monat gleichgesetzt sind. Nicht gerade wenig finde ich.

Übrigens dein Beispiel mit dem Heinze-Frauen ist auch nicht gerade überzeugend. Da geht es gerade mal um etwas mehr als 50 Frauen. Das spiegelt wohl kaum die ganzen Altbundesländer wieder. Aber ich selbst habe entsprechende Verwandtschaft in den Altbundesländern. Die Frauen haben, wenn überhaupt nur als Aushilfen gearbeitet, weil die Männer so gut verdienten. Als es dann nur noch die Witwenrente zu eigenen kleinen Rente gab, kam das böse erwachen.

Ähnlich geht es anderen Frauen aus der Familie, welche nach der Geburt der Kinder immer nur halbtags gearbeitet haben, dazu viel per Krankenschein ausfielen, was sich zu DDR-Zeiten auch auf den Lohn ausgewirkt hat. Heute, wo sie Rentner sind, haben sie auch den großen Katzenjammer. Und dann sehe ich eben auch die Frauen die trotz mehrerer Kinder Vollzeit und teilweise sogar Schichten gearbeitet haben. Die können sich ihr Leben einfach leisten und müssen nicht überlegen, ob sie in der letzten Woche des Monats noch genug zu essen haben.

Aber es wird auch Zeit, dass der Deutsche lernt sich nicht auf die Rente zu verlassen. Privat sollte man mit Eintritt ins Arbeitsleben vorsorgen. Und da meine ich keine Versicherungen, sondern vernünftige Geldanlagen. Unser Rentensystem ist doch zeit langem marode und die Rentenkassen leben von der Hand in den Mund.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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