Dem Kind ein Auslandsjahr "aufzwingen"?

vom 04.04.2017, 18:29 Uhr

Die Leute in der Klasse eines meiner Neffen kommen jetzt langsam in das Alter, in dem ein Auslandsjahr durchgeführt werden kann: Dabei lebt ein Schüler ein Jahr in einem anderen Land seiner Wahl und besucht dort die Schule. Er lebt dort bei einer Gastfamilie, die zuvor anbietet, einen Gastschüler aufzunehmen.

Mein Neffe hat in der Klasse eine Freundin, deren Eltern ihr den Auslandsaufenthalt regelrecht aufzwingen wollen: Sie fordern sie massiv und immer wieder dazu auf und erklären ihr, wie toll das ganze ist. Beide haben wohl in ihrer Schulzeit ein Auslandsjahr gemacht, obwohl das damals noch gar nicht überall üblich war und waren wohl total glücklich darüber. Jetzt wollen sie ihrer Tochter die selben Erfahrungen "aufdrücken".

Sie argumentieren dabei, so ein Auslandsjahr würde den Charakter prägen und dazu beitragen, das Kind "erwachsen" zu machen, weil es die Selbstständigkeit fördere. Sie würden es deshalb als unbedingt erzieherisch notwendig erachten.

Die Freundin meines Neffen ist total dagegen und hat keine Lust auf diese Erfahrung. Vor allem stört sie, dass sie durch den Auslandsaufenthalt ein Schuljahr zurück gestuft werden würde. Das ist wohl so eine Regelung da an der Schule. Sie würde dadurch ein ganzes Jahr ihres Lebens verlieren, so ihr Argument.

Ich muss sagen, dass ich da beide Seiten verstehen kann. Die Eltern wollen ihrem Kind ja nur eine positive Erfahrung vermitteln, während die Tochter ein valides Argument auf ihrer Seite hat: Sie hat kein Interesse daran, ein Jahr ihres Lebens dafür zu investieren.

Insgesamt sollten aber die Eltern auf den Wunsch ihrer Tochter hören. Sie müssen damit Leben, dass sie da die Entscheidungsgewalt hat. Würdet ihr das ähnlich bewerten oder würdet ihr auch euer Kind "zwingen" ein Auslandsjahr zu machen? Würdet ihr es auch tun, wenn es dadurch das Schuljahr wiederholen müsste?

» Mr. Law » Beiträge: 365 » Talkpoints: 25,43 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Generell gilt Jemanden etwas aufzuzwingen ist nicht in Ordnung. Ich bin auch der Meinung die Eltern sollten das respektieren. Ich würde meinem Kind kein Auslandsjahr “aufzwingen“ weil das kein korrektes verhalten gegenüber seinem Kind ist. Ich würde dem Kind die Entscheidung lassen, aber ich würde Tipps geben was gut ist und was nicht und die Vor und Nachteile erklären. Ein Aufenthalt im Ausland kann eine Erfahrung sein, aber deswegen ein Jahr in der Schule zu wiederholen macht aus meiner Sicht wenig Sinn.

» Redfly008 » Beiträge: 208 » Talkpoints: 26,59 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich habe selbst auch ein Jahr im Ausland verbracht, und ich würde jedem dazu raten, sich selbst auch für eins zu bewerben. Denn, bis dahin haben die Eltern noch recht, so ein Auslandsjahr ist eine unglaublich interessante Erfahrung, und eine, die ich auf keinen Fall missen wollen würde. Man lernt eine neue Kultur kennen, eventuell eine neue Sprache oder eine bekannte fließend, und viele neue Leute.

So weit, so gut. Wenn jemand nun aber kein Austauschjahr machen will, dann bringt das alles nichts. Das ist eine Entscheidung, die man selbst treffen muss, gerade, weil eben trotzdem nicht alles einfach locker geht. Ich habe meine Auslandsjahr geliebt, ja, aber trotzdem hatte ich vorher durchaus Angst, denn ein Jahr lang weg von allem, was man kennt, ist doch eine gruselige Erfahrung, und trotz einer wunderbaren Gastfamilie gab's zwischendurch auch mal Heimweh. Auch hinterher wieder zurück an die deutsche Schule war so 'ne Sache, ich musste zwar nicht wiederholen, habe aber doch ein Jahr weitestgehend verpasst, denn Mathe wird auf Japanisch nicht unbedingt leichter, Deutsch gab's natürlich gar nicht, und so weiter. Mir war's das wert, und ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden. Aber ich kann ja nicht sagen, dass das bei anderen auch so auszusehen hat. Die haben ihre Prioritäten vielleicht eher woanders.

Das Gute für die Freundin deines Neffen ist aber, dass sie, wenn sie gar nicht gehen will, wohl bei den meisten Organisationen auch nicht angenommen werden würde. Die haben ja meist mindestens ein Auswahltreffen, vielleicht auch ein Auswahlwochenende, wo die schauen, ob die Bewerber überhaupt für ein Auslandsjahr geeignet sind. Und ich würde doch vermuten, dass "Ich will gar nicht" stark für "ungeeignet" spricht. So würde also nur Eigenorganisation bleiben, was doch sehr kompliziert werden kann.

» Kalu-chan » Beiträge: 718 » Talkpoints: 11,85 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Aufzwingen sollte man einem Kind sicherlich nichts. Natürlich ist ein Jahr im Ausland eine wichtige Erfahrung, die ein Kind machen kann und die auch den Charakter stärken kann und das Kind auch selbstbewusster machen kann, aber nicht jedes Kind kann sich das auch vorstellen und möchte das. Erzwingen würde ich mir da nichts und was das Kind nun nicht macht, kann es ja später immer noch machen.

Immerhin muss es ja auch dem Kind gefallen und nur um eine außergewöhnliche Erfahrung ist es das nicht wert. Das Kind selber sollte es schon mögen und wollen, sonst macht es keinen Sinn und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Agentur nur aufgrund des Wunsches der Eltern so handeln würde und das Kind ins Ausland schicken würde. Ich finde es schon schade, wenn Eltern so ihren Willen durchdrücken wollen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich denke nicht, dass man hier als Elternteil etwas aufzwingen sollte. Sicherlich wird man selbst seine eigenen Erfahrungen gemacht haben, der eine fand das super gut und toll, ein anderer verschwendete Zeit. Aber das hießt noch lange nicht, dass das auch auf das eigene Kind zutreffen muss und somit sollte es ebenfalls an der Entscheidung mit eingebunden werden.

Denn ich weiß auch nicht was dagegen spricht wenn man das später macht. Vielleicht will das Kind jetzt nicht, weil es eben zurück gestuft werden würde aber das heißt noch lange nicht, dass es generell ausgeschlossen worden ist. Auch nach der Schule kann man immer noch ein Auslandsjahr machen oder auch nach der Berufsausbildung, dem Studium usw. Das ist kein fester Punkt und es geht nicht nur zu dieser einen Zeit, manche wollen erst später, andere gar nicht und bei manchen kann es nicht früh genug sein.

Zwingen würde ich da gar nichts ich würde meine Aspekte vortragen und aus meinen Erfahrungen berichten was mir das gebracht hat. Denn ich habe das ebenfalls gemacht und alles als so positiv darzustellen finde ich ebenfalls nicht richtig, da es genug andere negative Dinge aus meiner Sicht gab die ebenfalls zur Sprache gebracht werden sollten damit es auch am Ende der Wahrheit entspricht und sich nicht nur das schöne heraussuchen und den Rest verschweigen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich denke, dass die Eltern es sicher gut meinen, dass sie die Erfahrung an ihre Tochter weitergeben möchten. Aber die Tochter hat eben auch gute Argumente, warum sie das Auslandsjahr nicht machen möchte. Wenn man schon ein Schuljahr wiederholen muss, dann würde ich das Auslandsjahr auch nur dann machen, wenn ich es gerne möchte und mir einen Nutzen davon verspreche.

So scheint es bei dieser jungen Frau aber nicht zu sein und wenn man bei dem aufgezwungenen Auslandsjahr dann immer nur das Gefühl hat, dass man gerade ein Jahr zu verschwenden, dann kann es das ja auch nicht sein. Deswegen finde ich, dass die Eltern ihre Tochter nicht zwingen sollten, das Auslandsjahr zu machen, wenn sie das absolut nicht möchte.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Wenn man sein Kind zu etwas zwingen möchte, was es nicht will, verschlechtert das doch nur die zwischenmenschliche Beziehung zum Kind, was ich nicht wirklich klug finde. Ich würde als Mutter Argumente dafür und dagegen mit dem Kind zusammen besprechen und es dann eigene Entscheidungen treffen lassen. Schließlich muss jeder sein Leben so leben, wie er es nicht bereuen würde und es bringt nichts, einen Menschen zu etwas drängen zu wollen, was dieser Mensch absolut gar nicht möchte.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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