Wie sinnvoll sind flexible Krankschreibungen?

vom 01.10.2018, 04:50 Uhr

Psychotherapeuten plädieren zur Zeit für unterschiedliche Stufen der Arbeitsunfähigkeit. So sollen die Heilungschancen deutlich verbessert werden. So wurde zum Beispiel vorgeschlagen, einen kranken Arbeitnehmer auch nur teilweise arbeitsunfähig bzw. krank zu schreiben wie zum Beispiel zu 25, 50 oder sogar 75 Prozent. Flexiblere Krankschreibungen würden der Realität besser gerecht werden, so der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer.

Was haltet ihr von diesen flexiblen Krankschreibungen? Ist das schon längst überfällig? Welche Vorteile und Nachteile seht ihr hierbei? Meint ihr, dass sich dieses Konzept durchsetzen wird oder seid ihr eher skeptisch?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich sehe den Nachteil darin, dass Stigmatisierungen noch stärker werden. Wenn jemand nur teilweise krankgeschrieben wird, dann könnte bei den Kollegen das Gefühl aufkommen, dass die betroffene Person nur simuliert und einfach keine Lust hat, die volle Zeit zu arbeiten. Somit könnten Anfeindungen stärker werden und die Person traut sich letztendlich nicht mal mehr, eine Teil-AU zu beantragen.

Gerade bei psychischen Problemen ist das in meinen Augen so eine Sache. Es gibt einerseits psychische Probleme, bei denen der Betroffene eine sinnvolle Aufgabe benötigt, aber es gibt auch die Variante, bei der die Betroffene ein gesteigertes Pflichtbewusstsein besitzen und sich Druck machen und eine Teil-AU nicht akzeptieren würden, obwohl sie sie benötigen und sich ein schlechtes Gewissen einreden. Da wäre eine Teil-AU nicht die ideale Lösung.

Der Vorteil wäre natürlich eine Entlastung der Person. Aber weitere Vorteile sehe ich jetzt ehrlich gesagt noch nicht, obwohl ich auch schon Einiges zu dem Thema gelesen habe. Aber vielleicht beziehe ich es auch zunächst auf meine Problematik, ich habe nämlich keine Probleme voll zu arbeiten, ich gehe leider sogar arbeiten, wenn ich krank bin, mein Gewissen ist einfach noch zu stark. Vielleicht würde mir eine Teil-AU wirklich helfen, weil ich dann gezwungen wäre, nur eine bestimmte Zeit zu arbeiten.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12530 » Talkpoints: 71,65 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Neid, Missgunst und bösartige Lästereien gibt es in manchen Kollegenkreisen immer, egal ob man drei Monate am Stück wegen einer fiesen OP krankgeschrieben ist, oder ob man eine Erkältung auch mal auskuriert, und das Stigma um psychische Krankheiten wird dadurch auch nicht besser, dass sich die Leute Vollzeit in die Arbeit schleppen oder irgendwann derart zusammenbrechen, dass sie schlimmstenfalls dauerhaft arbeitsunfähig werden. Die Kollegen lästern so oder so, weil in ihren Augen jeder "simuliert", bei dem nicht für alle sichtbar krankheitsbedingt das Blut aus den Ohren rinnt.

Aber wenn man den grundsätzlich bösartigen Charakter mancher Mitmenschen beiseite lässt, kann ich mir schon vorstellen, dass es für manche psychisch erkrankte Arbeitnehmer hilfreich sein kann und auch zu ihrer Lebensqualität beiträgt, wenn sie nicht quasi "zur Untätigkeit verdammt" daheim die Wand anstarren, sondern wenn ihre Arbeitslast reduziert und flexibel angepasst wird. Wenn man immer erst die lieben Kollegen fragen würde, ob man denn in ihren Augen krank genug sei, um daheim zu bleiben, würden viele Arbeitnehmer gar nicht dazu kommen, eine Krankheit behandeln zu lassen oder auszukurieren, egal ob körperlich oder physisch.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Sicher kann es gut sein, dass die Kollegen dann behaupten, dass man doch auch noch mehr arbeiten könne, wenn man doch offensichtlich nicht komplett krankgeschrieben ist. Das wird leider in vielen Fällen auch so sein, könnte ich mir denken. Aber trotzdem sehe ich es auch so, dass es den betroffenen Patienten sicher auch hilft, wenn sie weiterhin arbeiten und produktiv sein können und nicht nur zu Hause sitzen und sich vielleicht auch deswegen noch schlecht fühlen.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Das gibt es doch längst und nennt sich Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. Da arbeitet man nach längerer Krankheit oder einem Krankenhausaufenthalt über Wochen oder Monate immer mehr und mit immer weniger Einschränkungen.

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Und was genau versprechen sich die Verantwortlichen davon? Das die Arbeitnehmer dann eben noch zu 50 oder 25 Prozent arbeiten gehen können trotz Krankheit? Das mag sich in der Theorie gut anhören, in der Praxis jedoch wird es kaum umzusetzen sein . Erstens gibt es viele Arbeitsplätze die nicht einmal einen „Schonarbeitsplatz“ haben. Bei diesen Arbeiten arbeitet man zu hundert Prozent oder eben gar nicht. Und zum anderen wächst somit wieder der Druck auf die Arbeitnehmer.

Ich glaube nicht das man wenn man mit einer 50 prozentigen Krankschreibung in die Arbeit geht auch tatsächlich nur 50 Prozent arbeiten muss. Wenn man schon mal da ist kann man schließlich auch da und dort mal aushelfen usw. Man ist zwar krankgeschrieben - arbeitet aber doch. Von den bösen Blicken der Kollegen ganz abgesehen wenn man zwar anwesend ist aber kaum etwas arbeitet.

Ich halte also von diesem Modell nicht viel und glaub einfach nicht das die Krankschreibungen in Prozenten praktikabel sind. Man sollte den Druck und die Anforderungen auf die Arbeitnehmer verringern und versuchen die Vereinbarkeit von Job und Familie zu verbessern. Vielleicht sind die Leute dann auch weniger krank. Den Druck noch weiter zu erhöhen indem man den Leuten attestiert das Sie beispielsweise mit einem gebrochenem Bein trotzdem arbeiten könne, dann machen Sie eben derweil die Ablage in der Kfz Werkstatt, finde ich kontraproduktiv.

» Anijenije » Beiträge: 2730 » Talkpoints: 53,02 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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