Wie sehr vertraut ihr Hygiene von Pflegepersonal?

vom 15.08.2015, 20:55 Uhr

Ich habe ja zwei Jahre lang bei einem Forschungsprojekt mitgearbeitet, bei dem ich zusammen mit einem Krankenhaushygieniker Hygiene-Schulungen in Altenpflegeheimen durchgeführt habe und bei dem auch gezeigt wurde, wie man sich die Hände richtig desinfiziert, um keine Keime mehr zu übertragen. Ich war damals schon ziemlich schockiert, wie egal diese Empfehlungen dem Personal zu sein schienen.

So wurden alle Empfehlungen missachtet, die Hände sehr schlecht desinfiziert und sogar Ringe, Armbänder und Uhren wurden dabei nicht abgelegt, was in der Medizin und Pflege ein absolute NoGo ist, weil sich unter Ringen die Keime nur so tummeln können und man so mehr oder weniger zur Keimschleuder wird und sogar Händedesinfektion nichts bringt, wenn man diese Sachen nicht vorher abnimmt.

Aber auch jetzt in der Praxis, wo ich mit Kolleginnen zu tun habe, die zwischendurch in den OP müssen bin ich einfach nur geschockt. Ich habe zwar beobachtet, dass OP-Besteck sehr gründlich sterilisiert wird. Aber die Händedesinfektion ist einfach nur zum Haare raufen. Da bringt auch die sterile Bearbeitung von allen Geräten nichts, wenn die Hände Keimschleudern sind.

Mir sind schon so viele Fehler aufgefallen, was Hygiene und Desinfektion von medizinischem, aber auch von Pflegepersonal aufgefallen, dass ich große Sorge habe, jemals von solchen Leuten abhängig zu sein. Da wird man ja hinterher kränker als vorher, weil die Kette von Keimübertragung so gut wie gar nicht unterbrochen wird.

Wie geht es euch dabei? Wie viel Vertrauen habt ihr in die Hygiene von Pflege- und medizinischem Personal? Würdet ihr genauer wissen wollen, wie gründlich und hygienisch sauber es dort zugeht, oder wollt ihr das lieber nicht wissen um besser schlafen zu können?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Wer einmal ein paar Tage mit offenen Augen im Krankenhaus war und den Betrieb beobachtet hat, der weiß, dass jedes Gebet zuverlässiger wirkt, als sich auf die Hygiene des Personals zu verlassen. Es sind einfach zu viele Mitarbeiter, die die Hygieneregeln mit Füßen treten. Das geschieht teilweise einfach aus einer Null-Bock-Haltung heraus oder mit dem Argument, die Infektionsgefahr könne man doch sowieso nicht vollständig bannen, die Welt bestünde nun mal aus Keimen, damit müsse man leben.

Ich war immer dankbar, dass ich nie mit einem angeschlagenen Immunsystem dort war. Dann ist man quasi geliefert.

Die deutschen Krankenhäuser sind in manchen europäischen Nachbarländern nicht umsonst als Keimbrutstätten verschrien. In den Niederlanden stellt man Patienten aus Deutschland, die kurz zuvor in Deutschland im Krankenhaus waren, sogar aus diesem Grund vorsichtshalber und bis zur vollständigen Klärung unter Quarantäne. Dazu gab es vor wenigen Jahren etliche Medienberichte. Ich finde nicht, dass sich in dieser Hinsicht bisher viel getan hat.

Damit will ich natürlich nicht in Frage stellen, dass sich einige vom Personal sehr um Hygiene bemühen und die Vorschriften einhalten. Das Problem ist, dass es nicht das gesamte Personal tut.

» tok_tumi » Beiträge: 837 » Talkpoints: 1,20 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich habe in einem Altenheim gearbeitet und kann deine Bedenken auch bestätigen. Ringe hat da auch niemand abgemacht und für die Desinfektion war meistens auch wenig Zeit, wobei es schon gemacht wurde, aber nicht so perfekt wie man es hätte mir mehr Zeit machen können. Ich habe deswegen auch kaum Vertrauen in das Personal in diesen Einrichtungen, wobei das Personal wenig dafür kann, denn die haben so viel Stress und so einen straffen Zeitplan, dass das einfach nicht besser geht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich weiß wie es dabei abgeht und auch einige meiner alten Kollegen haben das entsprechend falsch gemacht, einmal weil sie keine Lust drauf hatten und manche einfach nicht richtig darauf geschult worden sind. Denn eine richtige Händedesinfektion muss gelernt werden und auch gezeigt, was man doch sehr gut machen kann um so die Schwachstellen aufzuzeigen.

Ich kann für mich sagen, dass ich darauf sehr geachtet habe und mir meine Hände auch ordentlich nach der Vorgabe immer desinfiziert habe. Ich alleine mache aber noch gar nicht aus und auch andere einzelne Personen sind nicht das Problem sondern die Masse und die unterschiedlichen Keime. Denn selbst wenn desinfiziert wird und auch mit der richtigen Technik und Dauer, wenn das falsche Mittel verwendet wird bringt das kaum bis wenig etwas und die Keime sind dennoch dann verteilt.

Ich finde es auch lustig, dass man immer davon ausgegangen ist, dass die Rettungswägen und Krankenwägen die Keime in die Klinik schleppen und aus der Klinik nach draußen verteilen. Das ist nicht der Fall, diese haben zwar Keime aber durch das engmaschige Putzen und Desinfizieren sind diese im unteren Bereich. Ganz oben stehen die Taxis mit ihren Stoffsitzen, denn diese werden überhaupt nicht desinfiziert und was man dort alles gefunden hat ist der Wahnsinn.

Ehrlich gesagt in der Klinik wundere ich mich nicht mehr darüber und auch mein Vertrauen ist dazu nicht gerade das beste. Aber da weiß ich worauf ich mich einlasse, oder würdet ihr damit rechnen, dass sich im Bezug eines Taxis mehr Keime tummeln als auf einer Türklinke in der Klinik die nur einmal am Tag abgewischt wird? Da habe ich eher bedenken mich in ein Taxi zu setzen und dort etwas anzufassen. Sehr interessant was dabei auch alles mit vertreten war, neben dem MRSA, ESBL waren noch viele andere tolle Dinge zu finden bei den Abstrichen aus denen hübsche Flauschis in meinen Schalen gewachsen sind.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Ich denke da hilft nur Beobachtung. Sich ohne genauere Informationen und Beobachtungen da reinzusteigern und pauschal eine schlechte Hygiene zu unterstellen ist sicherlich nicht ratsam. Da sehe ich eher die Gefahr, dass man paranoid wird und sich zu einer Form von Hypochonder oder Keimphobiker entwickelt. Gesund ist das aber auch nicht.

Wenn man längere Zeit auf solche Einrichtungen angewiesen ist, weil man zum Beispiel nahe Angehörige ins Pflegeheim abgeben muss, kann man sich ja vorher lange das Personal anschauen und die Zustände beobachten und sich dann erst auf ein Heim festlegen. Ansonsten gibt es doch sicherlich einen Hygieneplan, auf dessen Einhaltung man verweisen kann.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Klar, es gibt Hygienepläne, aber die können nicht in jedem Setting so eingehalten werden, wie man es sich denn wünscht. Im Pflegeheim wurden bei uns Handschuhe getragen, sich tatsächlich regelmäßig die Hände desinfiziert und beim Verteilen von Essen wurde ebenfalls Schutzkleidung getragen. Trotzdem gab es auch Aktivitäten, bei denen die Hygiene etwas vernachlässigt wurde.

Aber man muss sich das Setting mal anschauen, in einem Pflegeheim befinden sich viele Menschen, die sich tagtäglich Räume und Aktivitäten teilen. Auch sind jeden Tag meistens die gleichen Pfleger anwesend, die gleichen Betreuer, die gleichen Reinigungskräfte. Dass dort manche Hygienerichtlinien nicht so strikt wie im Krankenhaus eingehalten werden, ist normal.

Im Krankenhaus war die Hygiene deutlich strikter. Unsere Patienten sind meistens länger da und ich sag mal hygienischer werden sie dadurch auch nicht. Auf Station lief ständig eine Reinigungskraft auf und ab, wir hatte eigene Kräfte, die stündlich bis zweistündlich die Zimmer und den Flur gereinigt haben. Wir mussten uns ständig die Hände desinfizieren, Hautpflege kam zu kurz, und Handschuhe tragen. Vor den Zimmern war die entsprechende Schutzkleidung in einem separaten Schränkchen für das jeweilige Zimmer aufgebaut. Klar, man kann nicht immer alles recht machen, aber die Hygiene war wirklich strikter.

Und jetzt noch die ambulante Pflege. Dort muss man sehr viel auf Improvisation setzen. Hände waschen kann man dort leider nicht immer, du hast dein Desinfektionsmittel aber immer dabei. Auch hast du immer deine Handschuhe und deinen Mundschutz dabei. Deine Kleidung trägst du den ganzen Tag, du wechselst nicht während dem Betreten von Wohnungen. Viele Patienten haben leider auch nicht so viel Material, dass du alles hygienisch einwandfrei abdecken kannst, andere hingegen schon. Da ist es schon etwas schwieriger und ich würde mir mehr wünschen, dass Angehörige oder Betreuer dafür sorgen würden, dass mehr Material vorhanden wäre, damit auch die Pflegekräfte hygienischer arbeiten können. Das ist in manchen Haushalten extrem schlimm.

Dort wo ich aktuell arbeite, muss ich nicht mal mehr auf Hygiene achten. Saubere Kleidung, saubere Hände, Haare zusammenbinden und das war es auch. Meinen Schmuck lege ich sowieso ab, es wird gerne mal geklaut. Meine Uhr muss ich nicht ablegen, die wird einfach mit desinfiziert. Es kommt also immer auf das Setting an und wie die jeweiligen Regeln dort sind. Ich würde mir in manchen Settings jedoch nicht so viele Gedanken machen und das Ganze auch nicht als unhygienisch bezeichnen. Denn viele Dinge sieht der Patient nicht und die Angehörigen ebenfalls nicht.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12546 » Talkpoints: 0,94 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Gruselig, ganz einfach. Klar gibt es Hygienepläne. Nur werden die in der Regel nicht ansatzweise befolgt. Lange Fingernägel, künstliche Nägel, Schmuck, Ihren sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Da wird die Pflege unnötigerweise gern komplett mit Handschuhen durchgeführt.

Mal als Beispiel: Zuerst geht es mit den Handschuhen an die verpilzten Füße, um die Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Dann wird der Nagelpilz bei der Intimpflege im Bett dorthin verteilt. Mit den Fäkalkeimen und Pilzen am Handschuh wird nun am Waschbecken noch die Gesichtspflege, das Rasieren und die Zahnpflege durchgezogen. Lecker, oder? Vom Krankenhaus reden wir besser nicht, die Zahl der nosokomialen Infektionen ist jedenfalls erschreckend!

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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