Zu Festlichkeiten bei Essgewohnheiten Ausnahme machen?

vom 05.03.2018, 11:13 Uhr

Vor kurzem habe ich gehört, dass eine Veganerin meinte, dass sie zu Festlichkeiten wie Weihnachten und ähnlichen durchaus mal eine Ausnahme machen würde, was ihre Essgewohnheiten betrifft. Sie wurde dann zwar kein Fleisch essen, aber nicht so streng darauf achten, ob eben tierische Produkte für die Speisen verwendet wurden, wie eben Eier, Milch und ähnliches.

Ich finde das schon irgendwie komisch und denke, dass es doch kein überzeugter Veganer oder Vegetarier sein kann, wenn dieser für solche Feierlichkeiten dann mal eine Ausnahme macht oder? Ist es da etwas anderes, ob ein Veganer oder ein Vegetarier eine Ausnahme macht? Spielt es für euch eine Rolle, ob jemand kein Fleisch isst, weil es ihm nicht schmeckt oder aus Überzeugung der Tiere wegen? Würdet ihr für besondere Anlässe eure Essgewohnheiten beiseite lassen?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Meiner Meinung nach macht es einen Unterschied, wie man seine Essgewohnheiten nach außen hin präsentiert. Tut man gegenüber seiner Umwelt überkorrekt, betont immer wieder seine vegetarische oder vegane Überzeugung und pöbelt womöglich noch an anderen herum, wenn diese Fleisch oder tierische Produkte zu sich nehmen, dann kann ich es beim besten Willen nicht verstehen, warum ein Verstoß gegen die eigenen ach so hoch geachteten Regeln plötzlich okay ist, wenn ein Feiertag vor der Tür und das frühere Lieblingsessen auf dem Tisch steht. Das ist dann für mich einfach inkonsequent, unglaubwürdig und auch nicht ganz fair in Anbetracht der Kritik, die sich die anderen immer von der Person anhören dürfen.

Wer allerdings nicht rigoros irgendwelche strengen Ernährungsregeln befolgt und sich lediglich bevorzugt vegetarisch oder vegan ernährt, weil ihm das einfach schmeckt oder gesundheitlich gut tut, der darf doch auch jederzeit mal zu einer Leckerei greifen, die nicht perfekt in das gewöhnliche Schema passt. Immerhin hat eine solche Person nie konkret irgendwelche Lebensmittel aus dem eigenen Speiseplan ausgeschlossen und hoffentlich auch niemand anderem Vorschriften gemacht, wie er sich zu ernähren hat.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8470 » Talkpoints: 987,98 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


Ich kenne und schätze ebenfalls einen überzeugten Veganer, der gelegentlich, wie er es nennt "vegetarische Wochen" einlegt. Da sich die Person so immer noch bewusster und tierfreundlicher ernährt als die meisten anderen Leute (mich eingeschlossen), steht es mir wohl kaum zu, jemanden dafür zu verurteilen, dass er oder sie alle heiligen Zeiten mal Käse isst. Ich halte es sowieso für heuchlerisch und verlogen, einerseits über Veganer die Augen zu rollen (was oft genug vorkommt) und andererseits dann wieder das Maul aufzureißen, wenn jemand sich vegan mit Ausnahmen ernährt.

Es ist eben schwer bis unmöglich, einen Ernährungsstil, der nicht dem der Mehrheit entspricht, zu 100 Prozent durchzuziehen, wenn man noch an einem normalen Sozialleben teilnehmen und nicht immer allen anderen Leuten auf den Senkel gehen möchte. Vorausgesetzt, dass man die Wahl hat und es nicht nur um der Aufmerksamkeit willen macht. Ich sehe es ja bei meinem Bekannten:

Wenn Großtante Hildegard im Gasthof zum Lamm in Hintertupfingen goldene Hochzeit feiert, ist es praktisch unmöglich, veganes Essen zu bekommen, weil selbst der Salat mit Speckwürfeln angereichert wird. Wenn man also Freunde und Verwandte in ländlichen, konservativen Kreisen hat, ist das nun mal Realität, und nicht jede Großtante o.ä. hat die Weitsicht, nicht eingeschnappt zu reagieren, wenn man selbst bei Festivitäten nur rohes Gemüse issst.

Und wenn man vor der Wahl steht, die Oma zu kränken oder zumindest etwas Joghurtdressing, Käse oder Apfelkuchen mit Ei im Teig zu konsumieren, entscheiden sich manche Leute eben für Flexibilität zu Ungunsten von Konsequenz. Ich finde, das ist ihr gutes Recht. Und so wie ich mich ernähre, habe ich sowieso jedes Recht verwirkt, anderen Leuten Vorschriften zu machen, ob und wann sie Käse essen dürfen.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Jemand der ansonsten gar nicht raucht, aber alle Jubeljahre mal zu Sylvester oder im volltrunkenen Zustand eine Zigarette raucht, bleibt für mich trotzdem noch ein Nichtraucher. Genauso ist es mit Vegetariern, Veganern oder sonstigen Kategorisierungen. Warum muss denn in Deutschland immer diese Sekt oder Selters, Ganz oder Gar nicht! Mentalität gelebt werden und jeder darf sich in Hohn ergehen, wenn jemand in seiner Weltanschauung oder Lebensweise einen vermeintlichen "Fehler" begeht?

Vor einiger Zeit gab es einen längeren Artikel über eine Familie, die versucht, ganz ohne Plastik zu leben und von ihrem Alltag berichtet hat. Ich glaube, die Kommentarfunktion bestand zur Hälfte aus hämischen und so richtig genüsslichen Beiträgen, die den genutzten Rechner der Familie folgerichtig als Plastik erkannte. Ja und? Man kann nicht bei allem hundertprozentig konsequent sein, weil das oft technisch oder menschlich nicht möglich ist. Und dieser Thread hier erinnert mich wieder daran.

Ich bin kein Vegetarier, habe aber jetzt gelernt, dass meine Ernährungsform sogar auch einen Namen hat: Pescetarier. Leute, die nur höchst selten Fleisch essen und dann auch nur möglichst gutes Fleisch. Privat lebe ich zu ungefähr 95 Prozent vegetarisch und mache eigentlich nur für Freunde und Familie Ausnahmen. Sollte ich aber je auf die Idee kommen, das Essen meiner Mutter nachzukochen, möchte ich dafür auch nicht an die Wand gestellt werden, weil das dann von dieser Norm abweicht.

Heuchlerisch wäre es nur, wenn jemand, wie schon erwähnt wurde, den Moralapostel raushängen ließe, aber ich glaube manchmal, dass man das gar nicht muss, um die Häme und genaue Beobachtung auf sich zu ziehen. Vermutlich kommt das von Leuten, die selbst ein schlechtes Gewissen haben, weil sie es gar nicht schaffen und dann denken: Ach guck mal, die schafft das ja in Wahrheit auch nicht. Und umgekehrt hat die Veganerin aus dem Beispiel vielleicht auch nur das Gefühl eines Kompromisses, weil es aus ihrer Sicht nicht anders geht.

» Verbena » Beiträge: 4780 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Was ist daran jetzt komisch, wenn man beim Weihnachtsessen nicht die ganze Familie mit "ist das bio-glutenfrei-vegan und von glücklichen Karotten?" nerven will? Warum ist man nicht überzeugt von seiner Ernährungsweise wenn man nicht die ganze Familie missionieren will sondern lieber einen entspannten Abend verbringt?

Glaubst du, dass der nervende, dogmatische Veganer ein gern gesehener Gast ist oder, dass sich die meisten über sein Gehabe lustig machen wenn er endlich wieder weg ist? Wir hatten mal jemanden zum Grillen eingeladen, die hat sich angestellt weil das Gemüse neben dem Fleisch gegrillt wurde. Was glaubst du wohl, wie oft wir die danach noch eingeladen haben? Genau, gar nicht mehr.

Davon abgesehen ist es doch so, dass Festlichkeiten für die meisten Leute eine Ausnahme darstellen und nicht ihren eigentlichen Essgewohnheiten entsprechen. Ich war schon auf Hochzeiten mit Mitternachtsbuffet, während ich normalerweise nach dem Abendessen überhaupt nichts mehr esse. Und ein Stück Hochzeitstorte enthält wahrscheinlich mehr Zucker als ich sonst in der ganze Woche zu mir nehme.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich finde es sogar ganz normal und auch erwachsen, wenn man trotz spezieller Essgewohnheiten auch mal Ausnahmen macht. Ich finde es wirklich anstrengend, wenn jemand extrem beharrlich an seinen Essgewohnheiten festhält und absolut nicht bereit dazu ist, auch mal Ausnahmen zu machen, wenn es sich anbietet. Wenn jemand dann stattdessen immer eine Extrawurst fordert oder aus Trotz gar nichts essen will, ist das doch absolut kindisch und in vielen Fällen kontraproduktiv, wenn dafür dann gutes Essen weggeworfen werden muss.

Man kann ja durchaus kleine Ausnahmen machen, wenn man irgendwo zu Besuch ist. Das bedeutet nicht, dass man als Veganer dann eine Schweinshaxe verzehren muss. Das bedeutet aber, dass man doch mal ein Stück Kuchen essen kann, wenn man irgendwo zu Besuch ist und es keinen gegangen Kuchen gibt. Das bedeutet auch, dass man einen Kaffee trinken kann, wenn er einem mit Milch serviert wurde, sofern man keine Unverträglichkeit hat. Das bringt doch auch nichts, diesen dann wegzuschütten.

Ich ernähre mich auch vegetarisch, habe aber auch schon Ausnahmen gemacht, wenn es sich eben angeboten hatte. Ich verstehe auch nicht, warum es immer Ganz oder Gar nicht sein muss. Ist man deshalb gleich ein schlechter Mensch, wenn man vielleicht einmal im Jahr Fleisch oder Fisch isst und damit auch deutlich schlechter als Fleischesser, die jeden Tag Fleisch essen? Und darf man dann nicht mehr sagen, dass man Vegetarier ist, weil man einmal im Jahr oder zu irgendwelchen Anlässen lieber Fleisch oder Fisch isst, anstatt zu riskieren, dass die Lebensmittel weggeworfen werden?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Ich bin sowieso ein flexibler Esser, der sich normalerweise nur selten ziert, wenn es bei Einladungen darum geht, ungewohnte Speisen zu essen.Deswegen sehe ich es eher als normal an, sich zumindest teilweise auf das einzulassen, was die Gastgeber vorbereitet haben. Ich habe beim Veganismus noch nie wirklich verstanden, warum es da gleich die 100%ige Enthaltsamkeit sein muss, und man schon bei wenigen Milligramm Tierprodukten in eine totale Verweigerungshaltung verfällt. Deswegen gibt man doch nicht gleich seine Ideale auf, nur weil es mal unter besonderen Umständen nicht vollständig geklappt hat.

Anders ist es, wenn man bestimmte Zutaten partout nicht mag, weil man mit dem Geschmack nicht zurecht kommt. Das verstehe ich dann eher, wenn man dann eben drauf verzichtet. Das ist aber soweit ich mitbekommen habe bei Veganern eher selten der Fall, sondern es scheint eher ums Prinzip zu gehen, das man unbedingt vollständig einhalten möchte.

Sollte ich im weiteren Leben doch noch Vegetarier werden, dann würde ich wohl immer noch nach wie vor flexibel reagieren bei Einladungen und Restaurantbesuchen. Eine Umsetzung der Prinzipien zu 100% liegt mir da nicht so.

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» lascar » Beiträge: 4404 » Talkpoints: 780,84 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich finde das auch völlig in Ordnung wenn ein Veganer hin und wieder mal von seinen Prinzipien abweicht. Möglicherweise macht er / sie das ja auch um seinen Gastgebern die Zubereitung der Speisen zu erleichtern und keine Extrawürste zu fordern. Das ist doch eigentlich ein recht soziales Verhalten und sollte nicht kritisiert werden. Zumal in vielen Familien die Weihnachtsmenüs und deren Vorbereitung ja eh schon in genug Stress ausarten.

Wie schon jemand erwähnt hat, ein Nichtraucher der mal eine Zigarette mitraucht ist ja auch nicht plötzlich Kettenraucher. Man sollte also die Kuh im Dorf lassen.

» Huibuu » Beiträge: 390 » Talkpoints: 0,41 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn man das so macht und damit dann auch glücklich ist. Natürlich sollte man dann aber nicht die Dreistigkeit besitzen und jeden belehren und für einen schlechten Menschen erklären wollen, der Fleisch isst oder tierische Produkte zu sich nimmt. Jeder sollte es aber so machen, wie er mag und wie er damit leben kann. Ich finde man kann bei jeder Ernährungsweise auch mal Ausnahmen machen.

Zum Beispiel ernähre ich mich gesund, mit viel Gemüse und Obst, wenig Fleisch, aber ich esse Fleisch. Wenn ich nun aber mal etwas Süßes esse oder eine Chipspackung, was auch immer an ungesunden Sachen, kann ich gut damit leben. So ist das Leben nun mal. Es kommt ja darauf an, dass man glücklich ist.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Mir geht es zum Beispiel so, dass ich normalerweise keine Chips, Snacks, Schokoriegel etc. esse, aber wenn ich irgendwo eingeladen bin und bekomme solche Dinge angeboten, dann esse ich trotzdem mit. Die paar Mal im Jahr, wo das vorkommt, bringen meine sonstige diesbezügliche Enthaltsamkeit nicht ins Wanken.

So ähnlich könnte ich mir das auch bei einem sozialverträglichen Veganismus vorstellen: Für sich privat und im engen sozialen Umfeld lebt man vegan, aber bei Einladungen und im größeren gesellschaftlichen Rahmen kann man auch Ausnahmen zulassen, sofern es sich eben ergibt. Man muss sich ja nicht gleich das größte Stück Rinderbraten nehmen, aber auch nicht mit spitzen Fingern und demonstrativer Abneigung alles auf tierische Bestandteile untersuchen. Ich denke, dass sich da ganz gut ein Kompromiss finden lässt.

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» lascar » Beiträge: 4404 » Talkpoints: 780,84 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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