Selbstständig machen - aber wie am besten?

vom 07.11.2007, 00:41 Uhr

Heutzutage boomen ja aus vielen Gründen mal wieder die Firmenneugründungen, sei es online oder offline, momentan scheint die Lust an der Selbstständigkeit - vor allem im Dienstleistungssektor - wieder ungebrochen und jeder will sein eigener Chef sein und mit seiner Idee am Markt punkten. Zum einen kann der Grund hierfür sein, dass man der Arbeitslosigkeit entkommen will und zum Beispiel per Gründerzuschuss auch vom Amt als ALG I Empfänger gefördert werden kann, auch wenn es die Ich AG nicht mehr gibt, zum anderen ist es verlockend, endlich unabhängig zu sein und für sich selbst zu arbeiten und seine Arbeitskraft nicht mehr der „Firma des Chefs“ zu opfern, damit dieser damit Profit macht.

Dabei wird von vielen vergessen, dass neben der 100 Stunden Wochen, die am Anfang fast Standard ist, dem erhöhten Risiko und viel Arbeit, die unbelohnt zu sein scheint auch die richtige Strategie über den Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens maßgeblich entscheidet. Und langfristig, egal in welcher Branche, hat man nur eine Aussicht auf Erfolg und Anerkennung, wenn man die eigene Firma als Marke etablieren kann, die bei den Konsumenten und Kunden für etwas steht, für das man gerne bezahlt oder diese in Anspruch nimmt.

Dabei startet im Grunde fast jeder, solange Papa nicht hilft und selbst das hilft am Ende nicht viel, mit den gleichen Voraussetzungen in den Markt: Jeder fängt bei Null oder um Null herum an und muss sich erst einmal positionieren. Hierbei ist es fast egal, wie viel Kapital man mitbringt, den einen - vor allem guten - Ruf hat man noch nicht und dieser lässt sich auch durch Kapital am Anfang nicht einfach so erkaufen - höchstens schneller aufbauen. Daher ist es wichtig, die gegebenen Chancen effektiv und sehr gut zu nutzen, denn nichts ist schlechter als ein schlechter Start am Markt, egal ob man nun ein Produkt verkaufen will oder die Dienstleistung richtig an den Mann bringen will.

Einen Vorteil bei der Positionierung am Markt hat man immer dann, klar, wenn man eine Nische besetzt. Das wird erstaunlicherweise auch von vielen Experten so gesehen und ist auch vollkommen logisch - und nur weil man in einer Nische operiert, heißt das nicht, dass der Markt dauerhaft beschränkt bleibt und somit auch die Umsätze, denn es gibt zig Beispiele von Nischenunternehmen, die heute gewachsene Märkte dominieren. Nischen mögen also vor allem am Anfang unrentabel sein - dafür ist hier das Potenzial sehr viel größer, wenn sie sich entwickelt und man einen Vorteil gegenüber anderen, jetzt folgenden Jungunternehmen hat, eben der angesprochene Ruf oder um es mit einem Sprichwort zu sagen: Besser der erste im Dorf als der zweite in der Stadt. Spezialisierung birgt natürlich auch höhere Risiken, aber, bei entsprechendem Erfolg auch mehr Gewinne als ein „Ich hab alles“ Unternehmen.

Beispiel Powerseller bei eBay. Hier bieten auch die wenigsten Querbeet an, sondern jeder ist mehr oder weniger auf sein Gebiet festgelegt. Und auch hier handelte es sich anfangs um Nischenunternehmen, die diese Lücke im Internet besetzt haben, was vor allem deswegen noch leichter fiel, da es heute und damals hier noch wesentlich mehr „Löcher“ gibt als auf dem herkömmlichen Märkten. Und auch hier zählt der Ruf, denn kauft man lieber bei einem Powerseller mit 20.000 Bewertungen, der etwas teurer ist oder bei einem mit nur 100 Bewertungen, der gerade erst angefangen hat (und dem man noch nicht ganz zutraut, den Online Markt im Griff zu haben)?

Egal, wie man es anpackt, aber falls man bei einer selbstständigen Tätigkeit darauf setzt, Nischen zu besetzen kann man folgende Vorteile auf sich vereinen:

  • Markt mit wenig bis gar keinem Mitbewerber
  • Möglichkeit eines schnell expandierenden Marktes
  • Schneller Aufbau eines größeren Unternehmens und eines guten Rufes möglich
  • Der Erste zu sein und den Markt dominieren und gestalten zu können
  • Mit etwa gleichem Risiko wie andere ein vielfaches an Gewinn machen
Man sollte schon vor der Gründung des Unternehmens darauf achten, welches Profil, also wie man den Kunden erscheinen und im Kopf bleiben mag, besetzen möchte. So kann man unter Umständen eine Art Leuchtturm als Experte werden, an dem sich Kunden orientieren und dem sie sich eher zuwenden. Und auch hier trägt eine Spezialisierung Früchte, denn je klarer und deutlicher das Firmenprofil ausfällt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dem Kunden im Kopf zu bleiben. Heutzutage, in der Zeit der enger werdenden Märkte, kann man sich fast nur auf diese Art, und über Qualität, gegenüber Mitbewerbern herauskristallisieren und als Lösung für ein Problem erscheinen, indem man die Kundengruppe eben klar definiert und sich nicht von dieser definieren lässt und ein Image bekommt, welches man vielleicht gar nicht will und gar nicht so richtig zu den eigenen Plänen passt. Steckt man erst in der Schublade kommt man schwer wieder raus.

Bevor man den Sprung ins kalte Wasser wagt, sollte man auch einmal, selbst wenn nur wenige Mittel dazu zur Verfügung stehen, den Markt analysieren - und hierbei sollte man sich keinesfalls nur auf die vermeintliche Nische konzentrieren, sondern auch sogenannte „Nachbarleistungen“ betrachten, also mögliche direkte Konkurrenten oder Konkurrenten, welche schnell auf den eigenen Markt übergreifen könnten und deren Branche die Nische berührt. Nur so kann man sich gegen mögliche Risiken gut wappnen und die eigenen möglichen Stärken und Schwächen gut herausarbeiten - und daran feilen. Denn wenn man einem bekannteren Anbieter (siehe: der Ruf) nicht genug entgegensetzen kann, wird man, auch in der Nische, schnell wieder untergehen.

Und: Die Kunden kommen nicht von alleine und suchen in den seltensten Fällen nach dem Produkt oder der Dienstleistung welche man ihnen offerieren möchte, sondern wollen es fast immer mehr oder weniger präsentiert bekommen: Hierzu sollte man gerade am Anfang verschiedene Formen des Werbens nutzen, aber natürlich auch im Hinterkopf behalten, welche Zielgruppe man hat und was eher nicht in Betracht kommt. Wenn man vor allem regional tätig ist, sollte man vor allem auf traditionelle Werbeformen wie die Gelben Seiten, Imagebroschüren, Pressemitteilungen und Annoncen in Zeitungen und Fachzeitschriften setzen. Überregional wirbt man besser über das Internet mit der eigenen Internetseiten, Einträgen in Suchmaschinen und Suchangeboten, Pressemitteilungen in Internetportalen (verschiedene Internetpresseagenturen wie pressetext.de), durch einen möglichen Messeauftritt, als Referent auf Fachtagungen, Dozententätigkeit oder eben durch Artikel und Annoncen in Fachblättern.

Das Engagieren in Fachkreisen bringt zwar wenig Umsatz, stärkt aber den professionellen Touch was sich letztendlich auch durch Mundpropaganda und durch Weiterempfehlungen in den „Kundenhirnen“ niederschlägt. Was oft unterschätzt wird und heute bedeutender denn je ist, ist das Corporate Design, also welches Image man so der Firma nach außen geben möchte: Wir wissen ja alle, der erste Eindruck zählt und ist oft der wichtigste. Auch hier ist wichtig, nicht verzetteln, sondern streng bei einer Linie bleiben, da dies einen höheren Wiedererkennungswert verspricht.

Das Corporate Design setzt beim Logo an, geht über Visitenkarten und das Briefpapier, welche alle entsprechend gestaltet sein sollten und hört bei so banal wirkenden Dingern wie dem Dresscode und dem Anrufbeantwortertext auf. Um Erfolg mit dieser Form der Eigenwerbung zu haben, sollte das Design von Anfang an stimmig sein und hier sollte nicht gespart werden - und man sollte es wirklich nur im Extremfall überdenken und stark abändern, da damit auch der Wiedererkennungswert bei Kunden und möglichen Kunden, denen das Image schon in den Köpfen sitzt, verloren geht und damit auch ein Stück Kundenbindung.

Und das Schlusswort ist letztlich das Ziel, dass man immer vor Augen haben sollte: Viele zufriedene Kunden möglichst fest und möglichst lange an sich zu binden, denn dies macht den langfristigen Unternehmenserfolg aus - alles andere ist nur der Weg zum Ziel.

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Ein wirklich sehr ausführlicher und bemerkenswerter Beitrag was das Thema Selbständig machen anbelangt. Das "Wie am besten?" wird man wohl nicht beantworten können und auch zu den Nischenmärkten habe ich auch eine etwas distanzierte Meinung.

Einige Bekannte von mir haben auch schon probiert mit Nischenprodukten durchzustarten, aber meistens war es immer nur ein Strohfeuer. Denn wirklich gute und erfolgreiche Nischenprodukte am Markt werden auch schnell von der Konkurrenz und Trittbrettfahrern als solche erkannt und nachgeahmt.

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