Börse: Risikoaversion versus Gier

vom 26.07.2009, 22:05 Uhr

Der Begriff Risikoaversion ist auf der klassischen Finanzmarkttheorie bekannt und besagt, dass sich ein Investor bei gegebener Ertragserwartung die Anlage mit dem geringeren Risiko annimmt. Doch dieses einfache Verhalten beobachtet man nicht immer, besonders dann nicht, wenn es um Verluste geht.

Investoren verhalten sich nämlich in den Verlust-Situationen anders, häufig irrational und sie suchen förmlich das Risiko in der Hoffnung, dass sie so die entstandenen Verluste wieder gut machen. Zum Beispiel indem sie noch Aktien nach schissen, weil sie denken, dass sie dadurch wieder Chancen haben. Dieses Verhalten bezeichnet man daher als Verlustaversion.

Diese Verlustaversion stellt man auch bei den Investoren fest, die nach ihrer Kaufentscheidung die Stop-Loss-Marke vernachlässigen und so die Aktien nicht zu verkaufen, obwohl sie fällt. So realisiert man nicht den geringen Verlust, sondern das Risiko eines weiteren Verlustes , aber stets in der Hoffnung, wieder in die Gewinnzone zu rücken. Das Phänomen , dass kleine Verluste sehr schmerzhaft sind, wo hingegen die größeren Verluste nicht sehr schmerzhaft sind, weil man den Betrag schon abgeschrieben hat, wird dann wieder deutlicher. Dennoch realisiert man in beiden Fällen Verluste.

Eine weiter Konsequenz der Verlustaversion ist das zyklische Handeln der einzelnen Investoren. Der Investor fürchtet nämlich, dass eine Aktie die gefallen ist, weiter fällt. Eine Aktie die gestiegen ist, fällt allerdings nicht. In diesem Sinne kaufen die Investoren viel lieber Aktien von großen Unternehmen, weil ihnen hier das Risiko geringer erscheint, als jene Aktien die kleinen Unternehmen angehören.

Wenn man sich einen Investmentfond ansieht, dann könnte man diese Behauptung auch bestätigen. Ein Fondsmanager kauf ebenfalls die höher gewichteten Titel, da er den Index nachbilden will und auf der anderen Seite hat er so auch weniger Arbeit, als wenn er sich viele kleine Titel auswählt. Ein weitere Grund, wenn ein Blue Chip Wert fällt, dann gibt man jedem Markt oder der allgemeinen Situation die Schuld, nicht aber dem Fondsmanager. Wenn man sich an den großen Werten orientiert, dann fühlt man sich relativ sicher, doch oft vergibt man die Chance auf höhere Gewinne, weil die Geduld fehlt. Hier ist die Angst vor kleinen Verlust größer, man kauft auch eher in einer Aufwärtsbewegung, trotz dass man dort kleine Gewinne realisiert.

Auch haben die Medien einen viel zu großen Einfluss auf den Investor. Die Redaktionen sortieren schon im Voraus ihre Nachrichten und geben ihren „Kunden“ bei weitem nicht jede Information preis. Bsp: wenn die Kurse generell steigen, dann stellt man eher die Gewinneraktien ins Rampenlicht, fallen die Kurse, dann stehen die Verliereraktien im Vordergrund. Hier muss der Investor dann den Überblick behalten!

Und dann wäre da noch die Gier. Oft ist das Verhalten der Investoren falsch, wenn sie viel zu lange gewinnträchtige Positionen halten, anstatt die Gewinne einfach mal zu realisieren und die Positionen zu verkaufen um so die Gewinne mit zunehmen – nein, der Investor will immer mehr! Der bekannte Spruch „der Trend ist dein Freund“ ist hier auch nur bedingt richtig, denn wenn man den wichtigen Umkehrpunkt eines Trends verpasst, dann...

Auslöser für diese Gier ist oft übertriebenes Selbstbewusstsein nach seinen eigenen guten Deals, der Investor kann einfach nicht genug bekommen. Wenn man ein erfolgreicher Spekulant sein will, dann muss man eine gute Mischung aus Risikoaversion und Verlustaversion finden, so wird man auch nicht von der Gier gepackt!

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» Julian » Beiträge: 3431 » Talkpoints: 5,77 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



All diese Überlegungen sind nur dann relevant, wenn man mit einzelnen Aktien spekuliert. Wenn man langfristig anlegt und sehr breit streut, sind sie nicht so wichtig. Man kann einen Verlust auch mal aussitzen. In vielen Fällen ist es nämlich tatsächlich so, dass der Verlust wieder ausgeglichen wird. Das gilt vor allem dann, wenn man über viele Jahre regelmäßig kauft und nur in Ausnahmefällen verkauft. Die Wahrscheinlichkeit, dass man nur in den Spitzen kauft, ist dann sehr gering.

Sicherlich kann es auch einmal zu einem langfristigen Verlust kommen, aber hier spielt dann die Streuung eine Rolle. Einzelne Verluste werden von anderen Gewinnen locker ausgeglichen. Am einfachsten erreicht man eine Streuung, indem man in einen breiten Index, zum Beispiel dem MSCI World, der über 1800 Aktien beinhaltet, investiert.

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