Studentenleben früher vs. Studentenleben heute

vom 09.03.2011, 14:17 Uhr

Seit dem Bologna-Prozess heißt es ja immer, dass die heutigen Studenten enormem Zeit- und Leistungsdruck ausgesetzt wären. Aber auch gerade jetzt, wo in den Medien viel über Guttenbergs Doktorarbeit diskutiert wurde, kamen immer wieder die so genannten Ghostwriter ins Gespräch. Diese werden wohl seit dem Bologna-Prozess, also der Umstellung von Diplom auf Bachelor bzw. Master vermehrt von Studenten in Anspruch genommen, da diese aus Zeitmangel nicht mehr fähig sind die Bachelor- oder Masterarbeiten selbstständig anzufertigen.

Seit letztem Jahr bin ich nun auch Studentin der Wirtschaftswissenschaften an einer "Top 10-Fakultät" und kann den Wirbel um die Bachelor-Umstellung und die "armen" Studenten nicht verstehen.

Im Gegensatz zur Schulzeit, habe ich jetzt viel mehr Freizeit, kann mir alles selbst einteilen und fühle mich irgendwie überhaupt nicht überfordert. Natürlich komme ich jetzt auch erst ins 2. Semester, aber trotzdem habe ich schon eine Prüfungsphase hinter mir. Diese war natürlich anstrengend, aber die intensive Vorbeiretungszeit hat im Großen und Ganzen nur circa 2 Wochen in Anspruch genommen. Laut älteren Semestern wird sich das bis zum 3. Semester auch nicht mehr ändern, ab dem 4. sollen die Prüfungen sogar einfacher sein, da man dann seine Schwerpunkte wählt und sich somit nicht mehr durch ungeliebte Fächer "quälen" muss.

Nun habe ich schon von "älteren" Leuten, die vor ca. 20-30 Jahren studiert haben, dass das Studentenleben früher viel einfacher und lockerer ablief. Damals ging es oft nur ums "bestehen", währenddessen heute allgemein alle Noten in die Endnote einfließen und viel mehr reguliert und formalisiert wurde.

Da frage ich mich jetzt natürlich, ob ein Studium früher überhaupt fordernd war? Oder kann man es vielleicht als Student, der nur den Bachelor/Master kennt, nicht wirklich nachvollziehen, weil man das "alte" Studentenleben nicht kennenlernen durfte?

» Sarabi » Beiträge: 31 » Talkpoints: 18,63 »



Über die Situation von früher kann ich leider nicht viel sagen, aber ich denke auch: an Bologna ist nicht alles so schlecht, wie es dargestellt wird ! Ich komme jetzt ins 4te Semester und hatte bis jetzt keine Probleme mit meiner Zeiteinteilung. Zwar habe ich im nächsten Semester einige Kurse erst am Abend und muss pendeln, da bleibt natürlich nicht viel Zeit für mein Pferd. Aber wenn ich mich auf die Vorlesung vor-/nachbereiten wollte hätte ich ausreichend Zeit am Vormittag. An unserer Uni beklagen sich viele Studenten über mangelnde Freizeit, aber dass sehe ich persönlich nicht so - und wie gesagt, ich muss pendeln und habe eine Stunde Fahrtzeit pro Strecke.

Was stört an Bologna ist natürlich, dass man (angeblich) viel stärker eingeschränkt wird in der Wahl seiner Module als früher in den Diplom-Studiengängen. Ich musste auch einige Module in Biologie belegen, wie ich ansonsten sicher nicht gemacht hätte. Bei solchen Modulen, für die man schlichtweg kein Interesse aufbringt, fällt das Lernen oft um einiges schwerer als wenn man sich nach eigenen Interessen seine Module aussuchen kann. Ich denke, dass aus diesen Pflichtmodulen das "Druckgefühl", welches einige Studenten empfinden, rührt.

Zum Zeitdruck kann ich sagen: Man hat genug Zeit ! Die Regelstudienzeit im zwei-Fächer-achelor auf Lehramt beträgt 6 Semester a 30 KP. Ich habe im Schnitt 36 KP in jedes Semester gepackt, damit ich im letzten Semester wirklich nur noch meine Bachelor-Arbeit und ein Mathe-Modul habe und mich voll darauf konzentrieren kann. Trotzdem habe ich keinen Zeitdruck auf mir liegen. Und ich kenne einige Leute, die wegen Fächerwechsel oder ähnlichen 52KP in einem Semester haben - mit Blockpraktika kein Thema! Von denen beschwert sich auch keiner.

Aber natürlich muss man gut sein. Ich denke jedoch,dass man diese Art von Leistungsdruck schon immer gehabt hat. Schließlich geht es im Studium nicht nur um Interesse an seinem Fach, sondern auch um die späteren Berufsaussichten.Gerade in den Geisteswissenschaften und generell in den Fach-Bachelor Studiengängen gibt es diesen Druck. Was nicht heißen soll, dass wir Zwei-Fächer-Studenten nicht gut sein müssen.

Früher ging es nicht nur ums bestehen, gut, ich glaube, es gab nicht so viele Prüfungen wie heute - es wird ja jedes Modul mit einer Abschlussprüfung beendet - aber der Druck, seine Diplomarbeit gut zu schreiben war definitiv da und wenn man während der gesamten Studienzeit sein Studum zu locker genommen hatte man natürlich zur Abschlussprüfung eine Menge Stoff aufzuholen beziehungsweise zu wiederholen.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Das was heute unter einem Studium verstanden wird, war früher und ich meine mit früher nicht die Umstellung auf den Bachelor, sondern noch früher, etwas ganz anderes. Früher hat man vor allem für sich, für seine Bildung, für seine Seele studiert und es war gang und gebe während der Studienzeit durch die Weltgeschichte zu tingeln. Dies formte und bildete den Charakter ungemein!

Ich habe mehrere Biographien deutscher Dichter und Denker verfolgt, nicht einer darunter der in seiner Studienzeit nicht herumgereist ist und somit seine Zeit "verschwendet" hat. Früher war es auch kein Thema mit 30 noch Student zu sein. Heute ist das ja ein Ding der Unmöglichkeit, dabei hatten die Menschen damals eine viel geringere Lebenserwartung. Ich sag mal so: in einer Fast Life Gesellschaft hat so etwas keinen Platz mehr. Das ist doch das eigentliche Problem. Zugunsten der Wirtschaft soll die Charakterentwicklung auf der Strecke bleiben.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke es hängt ganz deutlich davon ab, was man studiert. Einige Studiengänge profitieren total vom Bologna Prozess. Die Jungs und Mädels haben dann auch eine schöne Zeit im Studium.

Das gilt leider nicht für klassische Diplomstudiengänge, die ohne eine nennenswerte Lerhplanänderung in das Bacherlor/Master Korsett gezwängt wurden. Ich meine hier Studiengänge wie Chemie und Psychlogie. Das ist nicht unbedingt der Fehler des Bologna Prozesses sondern vielmehr ein Problem der Universitäten. Aber die Überforderung ist da.

Nun habe ich den Vorteil, an einer Uni zu studieren die schon weit vor der Umstellung in Deutschland den Bachelor/Master eingeführt hat. Hier läufts also etwas stressfreier. Aber wenn man dann den Faktor "gute, anspruchsvolle Universität" mit einbezieht, dann ist es doch kein Zuckerschlecken.

Leben ist anders. Aber gut, ich habe mich persönlich für diese Variante entschieden, einfach weil ich eine Topausbildung erhalte und mir dann alles offenstehen wird.

» Neveltje » Beiträge: 90 » Talkpoints: 52,84 »



Ich habe in den Achtzigern studiert und da war das alles sicherlich schon lockerer als heute. Das Lernen war Routine, Regelstudienzeiten gab es nicht und mit 120 Mark bin ich locker über den Monat gekommen obwohl davon noch der Wohnhausplatz und die Bücher bezahlt werden mussten. Es blieb immer genügend Zeit um die Lokalitäten aufzusuchen, die Studentenklubs oder irgendwelche Veranstaltungen. Das Bier kostete in der billigsten Kneipe 42 Pfennig und für fünf Mark konnte man sich sinnlos besaufen und noch eine Bratwurst mit Brot genießen. Studiert hatte ich übrigens in der ehemaligen DDR und die 120 Mark gab es als Stipendium vom Staat.

Ich bin nun nicht so orientiert wie das Studentenleben jetzt aussieht, ich bin aber sicher dass es immer noch genügend Möglichkeiten zum Feiern gibt. Sicherlich ist alles eine Kostenfrage, aber Studenten sind meiner Erfahrung nach schon kreativ wenn es um das Erschließen von Geldquellen geht. Hausaufgaben und Referate mussten aber auch schon damals pünktlich abgegeben werden und für die Zulassung zu den Prüfungen galten auch strenge Regeln. Ich denke da wird sich nicht so viel geändert haben. Auch war die erforderlicheTeilnahme an den Vorlesungen doch recht streng und das wurde auch kontrolliert. Die Vorlesungen begannen auch recht früh, ich würde sogar sagen noch vor acht Uhr, und gingen bis weit in den Nachmittag hinein. Prüfungstage waren aber generell Frei. Allerdings gab es damals bei uns nicht so viele Arbeitsgruppen und Seminarveranstaltungen die man unbedingt besuchen musste.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Meiner Meinung nach kann man das pauschal gar nicht beantworten. Ich habe von meinem Vater immer gehört, dass es zu seiner Studienzeit viel härter war. Da musste man lernen, lernen, lernen. Bei meinem Studium habe ich immer Phasen gehabt, wo es relativ ruhig war und dann wieder Phasen, wo ich nicht wusste, wo mir der Kopf steht und wie ich alles schaffen soll.

Gerade während meines Vordiploms hatte ich im Sommer keine Freizeit und habe damals 4 Wochen durchgelernt. Danach waren die Phasen mit viel Freizeit auch eher kurz. Bei anderen Studiengängen war es sehr unterschiedlich. Manche müssen in den Semesterferien Hausarbeiten schreiben und haben nicht viel von ihren Ferien und manche haben auch im Semester noch viel Zeit für Freizeitaktivitäten.

Ob es sich aber durch die neuen Studienabschlüsse geändert hat, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist aber, dass es heute nicht reicht, dass man das Studium "nur" besteht. In vielen Branchen sucht man eine Weile, bis man eine Stelle findet. Ein guter Abschluss macht sich da immer gut.

» floraikal » Beiträge: 1127 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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