Wie reagiert ihr finanziell auf die Eurokrise?

vom 21.01.2011, 13:32 Uhr

Seit einigen Tagen gehört - wie bekannt sein dürfte - Estland nun auch zum Euroklub. Ist das wirklich so vernünftig oder sind die Damen und Herren in Brüssel - und damit vor allem auch Deutschland - eher merk befreit? Was bedeutet dieser Schritt für unser Geld? Was für Folgen kann das für unser Erspartes haben? Ist das nicht ein großes Risiko für die Sicherheit unseres Geldes?

Wieso soll so ein Land wie Estland überhaupt einen Effekt auf unser Sparbuch haben? Da muss man wohl etwas ausholen. Zwei Argumente werden für die Aufnahme Estland immer gerne angeführt: "Das ist doch nur ein kleines Land (etwa so groß, wie die Schweiz) und dann wären da noch die geringen Staatsschulden (2009 ca. 7,5 % vom BIP)". Aber sind nicht Griechenland und Irland auch sehr kleine Volkswirtschaften? Und trotzdem scheinen die in der Lage, das ganze System des großen Euro ins Wanken zu bringen. Und hatten Irland und Spanien vor der Finanzkrise nicht auch geringe Staatsschulden aufzuweisen (z. B. betrug die Staatsschuld in Irland jahrelang ca. 45% um dann innerhalb von 3 Jahren auf nahezu 150% anzusteigen)? Zudem konnten diese Länder in der Vergangenheit ihre Schulden schon öfter mal radikal kürzen. War da nicht viel eher was mit Immobilienblasen und offenherzigen Kreditvergaben? Und erst danach stiegen die Staatsschulden so rasant an. Die Staatsschulden waren nie die Ursache der Krise.

Und wieso verweigert sich die Politik so sehr einem der größten Probleme im ganzen Euro Konstrukt, das auch für Estland vermutlich zum Tragen kommt? Wieso lassen die anderen Länder im Euro Währungsverbund es zu, dass sich ein Exportüberschussland wie Deutschland auf deren Kosten saniert (hat). Kosten runter (hier vor allem durch Lohn- und Steuerdruck nach unten), Exporte rauf, mit der Folge, dass v. a. die Euro Importländer jetzt die Auslandsschulden am Hals haben und keine Chance mehr haben, wieder Anschluss zu finden - außer angeblich durch schwäbisches Haushalten, also Sparen. Aber wie sollen die dann unsere Produkte kaufen? Schließlich exportieren wir immer noch ca. 60 % unserer Waren und Dienstleistungen in den EU Raum - also auch ein enormes Risiko für uns und unser Geld. Hauptgrund dafür ist der Konstruktionsfehler von Euroland, der wirtschaftsschwache und -starke Länder zusammen mit einer Währung in einen Topf wirft. Exakt, wie wir es mit der ehemaligen DDR getan haben, als Kohl viel zu früh die DM dort einführte und zusätzlich das Land an die Wirtschaft verschachert wurde. Mit der Folge, dass wir das Land bis heute subventionieren müssen. So etwas kann nicht funktionieren - zumindest nicht, wenn man das Wohl der Völker im Sinn hat. Viele Fachleute (v. a. im Ausland) sehen das ein, die herrschende deutsche Politik ist gegenüber diesem Argument allerdings blind. Die im Ausland stattfindende Diskussion wird bei uns weitestgehend ignoriert - die Medien machen da leider weitestgehend mit.

Und damit komme ich zurück nach Estland. Diese neoliberale Blaupause wurde für würdig gefunden, in den Euro Raum aufgenommen zu werden - weil es ja so ein kleines, staatsschuldenfreies und stabiles Land sei. Hauptsache war dabei: keine Staatsschulden. Ich frage mich, soll das ein Witz sein? Wirtschaftlich war dieses Land schon immer etwas sprunghaft. Ein schwankendes BIP (gerade jetzt, im Verlauf der Krise), ebenso hohe Inflationsraten - und zwar solche, bei denen bei uns die Welt untergehen würde. So stieg z. B. der Konsumentenpreisindex von 2005-2010 um 26,4 %. Die private Verschuldung liegt bei 190 % des BIP (EU 170 %), das Nettovermögen bei unter 50 % (EU 138 %). Das bedeutet, es gibt im Prinzip keinerlei Rücklagen in Estland. Die Lohnstückkosten liegen viel zu hoch - trotz zweier korrigierender Krisenjahre. In der Handelsbilanz hatten die ein Defizit, das sich nun in einen Überschuss von 17 % gewandelt hat. Das liegt aber nicht daran, dass das Land so tolle Produkte anbieten würde, nach denen das Ausland sich die Finger leckt, sondern dass die Binnennachfrage und damit auch der Import völlig eingebrochen ist. Aber Hauptsache: keine Staatsschulden.

Als man sich im Verlauf der Krise klar wurde, dass das mit den Euro Kriterien kritisch würde, hat man in Estland radikale Schritte durchgeführt (z. B. Lohnsenkungen für Staatsbedienstete um 30 %, das Zusammenstreichen von sozialen Leistungen). Zu welchen Kosten? In weiten Gebieten gibt es keine soziale Infrastruktur mehr, Armut ist weit verbreitet, Estland ist insgesamt gesehen arm, die Arbeitslosigkeit liegt offiziell ca. 20 %. Die Folge war natürlich, dass Tausende von Bürgern ausgewandert sind (Nettoimmigrationsrate seit 2004 jährlich über -3 %) und immer noch auswandern. Seit 2000 hat das Land ca. 10 % seiner Einwohner verloren. Bei uns wäre das der Anfang der Apokalypse. Dann gab es auch noch eine Abwertung der Krone, was natürlich zu sinkenden Löhnen und höheren Preisen führte. Den Weg des Sparens und der neoliberalen Hardlinerpolitik will man in Estland fortsetzen, also will man Arbeit verbilligen und das Unternehmertum fördern, mit dem Resultat, dass immer mehr Menschen hoffnungslos sind, sie können sich ihr eigenes Land nicht mehr leisten.

Da muss es also ein Land einfach schaffen, auf einen Stichtag hin eine bestimmte Staatsschuldenquote vorzuweisen (das ist im Prinzip die deutsche Stabilitätsidee in Europa) und "Holla die Waldfee" - schon haben die den Euro. Auf welch tönernen Füßen das steht, scheint egal.

Vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, dass auch kleine Länder eine Gefahr für unser Geld darstellen. Im Moment schwelt der Brand vor sich hin, aber es genügt ein Funken, um unser Erspartes wieder in Gefahr zu bringen. Die Aufnahme Estlands in den Währungsverbund ist vor diesem Hintergrund für mich fahrlässig, weil man hier einen neuen potenziellen Brandherd zugefügt hat. Mich interessiert nun, wie ihr mit dem Thema in finanzieller Hinsicht umgeht?

  • Wie sieht euer Szenario für euer Geld aus?
  • Was macht ihr mit euren paar Kröten?
  • Nehmt ihr solche Ereignisse überhaupt wahr oder überlasst ihr euch da eurem Schicksal?
  • Verfahrt ihr vielleicht eher nach dem Muster: jetzt konsumieren?
  • Habt ihr Aktien gekauft, wenn ja, aus welchem Bereich?
  • Haltet ihr es aus heutiger Sicht für vorstellbar, dass sich eure Vermögensposition schlagartig ändern kann?
  • Habt ihr in persönlicher, finanzieller Hinsicht auf die Eurokrise reagiert?

» Meerbuscher » Beiträge: 398 » Talkpoints: -14,49 » Auszeichnung für 100 Beiträge



    Was macht ihr mit euren paar Kröten?
    Auf jeden Fall auf der Bank (bei geringen Zinsen) liegen lassen. Ich habe eine Raiffeisenbank gewählt, da diese mehrfach durch z. B. Sicherungstöpfe abgesichert sind.

    Nehmt ihr solche Ereignisse überhaupt wahr oder überlasst ihr euch da eurem Schicksal?
    Natürlich nehme ich solch Ereignisse wahr. Jetzt gerade mit Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Irland, USA erst recht.

    Verfahrt ihr vielleicht eher nach dem Muster: jetzt konsumieren?
    Konsumieren würde ich persönlich zur Zeit eher weniger, da mir eine sichere Anlage zu geringen Zinsen lieber ist.

    Habt ihr Aktien gekauft, wenn ja, aus welchem Bereich?
    Nein, Aktien oder andere Wertpapiere habe ich gar nicht gekauft.

    Habt ihr in persönlicher, finanzieller Hinsicht auf die Eurokrise reagiert?
    Ich habe weder in persönlicher, noch in finanzieller Hinsicht auf die Eurokrise reagiert. Mein Geld bleibt sicher angelegt und niemand kann mir was.

» daNii16 » Beiträge: 8 » Talkpoints: -0,69 »


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^