Kuschelpädagogik / Erziehungscamps oder was sonst?

vom 22.01.2008, 22:02 Uhr

Es gibt ja die unterschiedlichsten Möglichkeiten, Kinder die auf die schiefe Bahn geraten sind, wieder gesellschaftstauglich machen zu wollen. Ich erinner da mal an die Supernanny, die sich in erster Linie wohl durch Kuschelpädagogik ihren Erfolg erhofft. Eigentlich finde ich das auch gar nicht sooo schlecht, aber ich wüsste auch mal gerne, wie sich diese Methode außerhalb von RTL so macht. Ob das auch immer so klappt, indem man sich lieb hat und keine böse Wörter sagt oder ob das auch oft bei bestimmten Kindern mal total schief läuft und die dadurch noch aggressiver werden.
Und dann gibts das andere Extrem, so genannte Erziehungscamps. Das krasseste, was ich jetzt gesehen habe, was so ein Camp in Sibirien bei Minus wasweissich wieviel Grad das ganze Jahr, da mussten die Jungen in Familien dort leben mitten in der Pampa und dadurch sollten sie dann besseres soziales Verhalten an den Tag legen. Das finde ich übrigens genauso schachsinnig wie sonst diese Erziehungscamps in Deutschland, bei denen es zugeht wie bei der Bundesweht, weil sie einfach komplett am Leben vorbei organisieren. So läuft nun einmal der Alltag nicht ab in Deutschland. Da wird man nicht jeden Morgen angebrüllt und beleidigt und muss kein Boxtraining machen gegen seine Aggressionen. Sondern eigentlich sollte man ja lernen, sich normal zu verhalten, andere nicht zu schlagen, nicht zu klauen, Respekt zu zollen,...Aber was diese Camps damit zu tun haben ist mir ein totales Rätsel.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Den einzig richtigen und optimalen Weg wird es auch für die Erziehung oder Wieder-Eingliederung dieser Kinder nicht geben.
Die Super-Nanny hab ich viel zu selten gesehen, um deren pädagogische Maßnahmen beurteilen zu können. Und selbst Stammzuschauer sehen ja immer nur einen Zusammenschnitt von der Arbeit der Super-Nanny, die doch meist ein paar Tage dauert ?! Selbst dann kann man wohl kaum wirklich beurteilen, wie die Arbeit anschlägt.
Erziehungscamps mögen zum Teil gut sein, weil es vielleicht einigen Jugendlichen hilft, aber auch fehlt mir der tiefere Einblick.
Ein gutes Konzept find ich, was in der Altmark seit Jahren erfolgreich umgesetzt wird. Mehr dazu kann man hier nachlesen In der Jugendhilfeeinrichtung Recklingen in der Altmark wird Jugendlichen gezeigt, wo‘s lang geht "Kloppirunde" für Widerspenstige. Nicht so hart wie die Erziehungscamp, aber auch weit entfernt von Kuschelpädagogik.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Die Bootcamps in Deutschland sind ja kein Vergleich zu camps in anderen Ländern! Wo da meist der militärische Drill und das Brechen des Willens im Vordergrund steht, basieren die deutschen "Bootcamps" auf Erlebnispädagogik, Antiagressionstraining etc. und was ich bisher an Fernsehberichten darüber gesehen hab erzielen die sehr sehr positive Ergebnis.

Aber Bootcamps sind ja auch nach der Strafttat angesetzt, das was die Supernanny betreibt ist ja im Prinzip davor, bevor das Kind schon straffällig geworden ist und es nur innner familäre Probleme gibt.
Aber oftmals sind auch nicht die Kinder schuld (oder zuminderst allein Schuld) oftmals sieht man auch dass die Eltern sich vollkommen falsch verhalten, überlastet sind oder einfach keinen Bock haben und es dadurch dazu überhaupt kommt.

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» Kamikater2 » Beiträge: 121 » Talkpoints: 5,22 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich muss Kamikater da vollkommen Recht geben. Diese Camps kann man mit unseren gar nicht vergleichen . Dort ist es wie beim Militär und auch bei Stern Tv kam vor einiger Zeit mal ein Bericht darüber. Es ist wirklich nicht 100% gesagt,dass ein solchen Camp wirklich effektiv ist. Ich selbst halt nicht so viel davon und denke es ist sinnvoller sich eine Hilfe in den Haushalt in der gewohnten Umgebung zu hohlen. Hat jemand Erfahrungen damit?
Grüße Julia

» julia08 » Beiträge: 1991 » Talkpoints: -5,91 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



...oder was sonst?

Ja für mich gibt es einen sehr klaren Mittelweg zwischen der so genannten Kuschelpädagogik und den Erziehungscamps, die die Erziehungswissenschaftler wohl zur so genannten Schwarzen Pädagogik zählen.

Bereits in den 1930ern - zur Zeit der gesellschaftswissenschaftlichen Pädagogik - vertritt Nohl die Ansicht, dass es ein väterliches und ein mütterliches Erziehungsprinzip gebe. Wichtig hierbei ist, dass das väterliche und mütterliche Prinzip NICHT geschlechtsspezifisch sind, sondern dass jedes Individuum diese Prinzipien in sich trägt, wobei es Phasen gibt, in denen mal das eine und mal das andere Prinzip überwiegt. Die goldene Mitte, also ein Ausgleich zwischen beiden Prinzipien, ist Ziel und Wunsch zugleich. So propagierte auch Schleiermacher für einen Ausgleich zwischen beiden Prinzipien.

Was aber sind nun das väterliche und das mütterliche Prinzip? Das väterliche Prinzip setzt auf Disziplin, Pflicht und Ton und werde erst mit der Studentenbewegung in den 1960/70ern durch das mütterliche Prinzip, das die sozialwissenschaftliche Pädagogik formt, ersetzt. Das mütterliche Prinzip setzt auf Individualität und auf die einfühlende, bestätigende Pflege und Bewahrung dieser, wohingegen das väterliche Prinzip mehr die Gruppe als das Individuum im Blick hat. Interessant hieran ist Fromms Ansicht, dass das Vater seine Liebe zum Kind davon abhängig mache, ob es seinen (des Vaters) Leistungen entspricht und dessen Erwartungen erfüllt. Die Liebe der Mutter ist hingegen bedingungslos und mit keiner Erwartung verbunden. Nun gibt es Stimmen, die verlautbaren, dass die Disziplinlosigkeit und Problematik mit Heranwachsenden im übermäßigen Gebrauch der mütterlichen Erziehung liegt.

Der Ruf nach Strenge wird laut – angesichts der Hilflosigkeit vieler Pädagogen und Eltern. Nun ist der Weg zurück in die Schwarze Pädagogik mit dem autoritären, disziplinorientierten und nicht individuellen Erziehungsstil schnell gemacht, doch kann das wirklich der Probleme Lösung sein? Sollte nicht viel mehr nach einem Mittelweg gesucht werden? Nicht schwarz, nicht weiß – und dennoch wirksam? Einen solchen Mittelweg gibt es – bereits seit mehreren Jahrzehnten – doch er ist wenig bekannt. Es handelt sich hierbei um die Konfrontative Pädagogik. Diese besteht im Kern aus 80 % Empathie und 20 % Konfrontation. Es wird davon ausgegangen, dass es keine Erziehung ohne Beziehung gibt. Eine Pädagogik, die hingegen auf Konfrontation setzt, verlangt mehr als nur eine Beziehung. Sie verlangt ein intensives Auseinandersetzen mit den Individuen, was die Gewichtung (80 %) der Empathie erklärt. Die Konfrontative Pädagogik setzt an bei Mehrfachauffälligen, die Milde und Freundlichkeit als Schwäche interpretieren. Ziele der Arbeit mit den Mehrfachtätern sind Empathie (vor allem auch in Bezug auf die Opfer und deren Folgen), eine gesteigerte Frustrationstoleranz, die Förderung pro sozialen Verhaltens und die Festigung des moralischen Bewusstseins.

Wichtig hierbei ist, dass der Pädagoge seinen „Schützling“ mag, dass er ein gutes Verhältnis zu ihm hat, seine Taten jedoch auf keinen Fall gut heißt und sie nicht ignoriert, sondern den Täter mit seinen Taten konfrontiert. Das verlangt zum einen die Fähigkeit zur Konfrontation, zur Streitkultur, zum Austeilen und zum anderen Einsteckerqualitäten, denn die Angst vieler Praktiker in der Arbeit mit „Schwererziehbaren“ selbst Opfer zu werden, ist nicht völlig unbegründet.

Und leider ist es in der Praxis so, dass viele Praktiker keine Konfrontationsfähigkeit besitzen und sie die Taten ignorieren und sie als Teil der Jugendphase interpretieren. Bedenkt man jedoch, dass die Jugendphase infolge veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zum einen früher beginnt und zum anderen später endet, so hat ein Täter im Schnitt etwa 10 Jahre, um zahllose Opfer zu „produzieren“. Und allein diese Tatsache bedingt ein frühes Einschreiten.

So, das soll’s erstmal von mir sein.
Herzlichst!

» Kreato » Beiträge: 89 » Talkpoints: 0,09 »


Zwischen einer Kuschelpädagogik und einem Erziehungscamp gibt es so viele Wege. Ich halte weder etwas von der einen Methode noch etwas von der anderen Methode etwas und würde daher auch davon abraten, das eine oder andere Extrem einzugehen. Es mag Umstände geben, die dazu führen, dass eines der beiden Dinge einfach besser sind, aber ich halte eben sehr viel von einer liebevollen, aber konsequenten Erziehung. Die Welt ist nun mal nicht kuschlig, aber sie besteht nun auch nicht nur aus bösen Menschen.

Mit Konsequenzen muss ein Kind umgehen können, da es später eben Taten begehen kann, die Folgen mit sich bringen, und zwar sowohl negative, als auch positive Taten. Jede Handlung löst etwas aus und das sollte ein Kind durchaus erfahren. Wenn dazu Grenzen gesetzt werden, die auch konsequent eingehalten werden, die auch von anderen Bezugspersonen akzeptiert werden, hat man eigentlich nicht den Bedarf, sein Kind später in ein Erziehungscamp zu schicken.

Doch ich muss ehrlich sagen, dass es Kinder gibt, die von Geburt an nun einmal recht schwierig sind. Es lässt sich nicht alles auf die Erziehung und die fehlende Vorbildfunktion schieben, manchmal liegt es auch am Kind selbst, aber ich denke, dass da ein Erziehungscamp auch fehl am Platz ist. Es gibt aber nun einmal nicht nur die aus dem Fernsehen bekannten Erziehungscamps, sondern auch andere Programme, die einen Jugendlichen zumindest kurzfristig ein anderes Verhalten aufzeigen. Solche Programme kommen eher selten zum Einsatz, aber es gibt sie.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


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